Renault Captur: Dauertest über 100.000 Kilometer
Riefen im Motor: Renault Captur verpasst bessere Note im Dauertest
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Der Renault Captur hat viele Freunde gefunden. Wie schlägt sich das französische SÜVchen im harten AUTO-BILD-Dauertest über 100.000 Kilometer?
Bild: Christoph Börries / AUTO BILD
Alles begann so vielversprechend. Als der Renault Captur am 23. September 2020 in strahlendem Dezir-Rot (Metallic für 682 Euro) und mit schwarz abgesetztem Dach (Serie bei Intens) in die Hamburger Verlagsgarage rollte, dachten viele: Oh, là, là! Dann aber mal her mit dem kleinen Franzosen.
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Rechtliche Anmerkungen
* Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist www.dat.de.Als Vertreter der immer beliebter werdenden SUV auf Kleinwagenbasis, auf Neudeutsch gern auch Crossover genannt, passte der Captur einfach in die Zeit. Und in die Redaktion. Keine überflüssigen Pfunde (Leergewicht 1346 kg), die das Temperament ausbremsen, und auch kein ausuferndes Blechkleid, sondern mit 4,23 Meter Länge und 1,80 Meter Breite ein absolut großstadttaugliches und parkplatzfreundliches Format.
Wenig Platz für große Fahrer
So sammelte der kleine Captur, der wie der Clio 5 auf der Renault-Nissan-CMF-B-Plattform steht, sogar das eine oder andere Kompliment für seine Qualitäten als Reiseauto ein. Erst wenn die Größe des Fahrers sich der Zwei-Meter-Marke annäherte, wurde Kritik am Platzangebot laut. So musste Reifenexperte Henning Klipp schon früh feststellen: "Nichts für Große, die vorderen Sitze sind zu hoch montiert, der Türausschnitt zu niedrig."

Licht und Shatten: Modernes Cockpit mit aufrechtem Touchmonitor im Tablet-Stil, aber die Bedienung ist nicht immer wirklich intuitiv.
Bild: Christoph Börries / AUTO BILD
Außerdem sorgte das nach hinten schwungvoll auslaufende Dach, das dem Captur ein dynamisches Profil verleiht, für Unmut auf der Rückbank. Hier wurde von großen Gästen der Wunsch nach mehr Kopffreiheit geäußert, gab es nur wenig Entspannung für Passagiere mit langen Beinen. Und sogar die Piloten waren nicht immer glücklich ob des schwungvollen Karosseriedesigns. Das tief herabgezogene Dach und das schmale Heckfenster erschwerten die Rücksicht. Was vor allem im Großstadtgetümmel mit nicht immer regelsicheren Radfahrern eine echte Herausforderung darstellte.
Infotainment mit umständlicher Bedienung
Das galt übrigens auch für das Infotainmentsystem. Volldigitale und frei konfigurierbare 10-Zoll-Instrumente plus 9,3-Zoll-Touchscreen im Tabletstil (877 Euro im Paket) sorgten beim ersten Aufeinandertreffen zwar meist für fröhliche Gesichter, die umständliche Bedienung und nicht seltene Fehlfunktionen von Apple CarPlay (stürzt ab) bis Verkehrszeichenerkennung (meldet falsch) trübten die Stimmung aber.
So fürchtete unser Neuheitenchef Peter Fischer bereits im August 2021: "Die Verkehrszeichenerkennung führt den Fahrer direkt ins Verderben." Und Henning Klipp maulte: "Die Live-Traffic-Funktion reagiert verzögert. Es fehlt haptische Bestätigung, und beim Rauszoomen gehen zu viele Karteninfos verloren."
Fahrzeugdaten
Modell | Renault Captur TCe 130 Intens |
---|---|
Motor | Vierzylinder, Turbo, vorn quer |
Hubraum | 1333 cm³ |
Leistung | 196 kW (131 PS) bei 5000/min |
max. Drehmoment | 240 Nm bei 1600/min |
Antrieb | Vorderradantrieb, Siebengang-DCT |
Leergewicht | 1334 kg |
Zuladung | 482 kg |
Kofferraum | 422–1275 l |
Vmax | 193 km/h |
Verbrauch* | 6,2 l/100 km (Super) |
Abgas CO2* | 147 g/km |
Grundpreis** | 24.808 Euro |
Warum der kleine Franzose trotzdem immer wieder gern als Reisebegleiter gebucht wurde? Ganz einfach. Fahrwerk und Motor erledigten ihren Job mehr als anständig. Obwohl Peter Fischer (Schuhgröße 46) sich schon mal an einem Metallbügel oberhalb des Bremspedals verhedderte und später bremste als beabsichtigt (zum Glück aber nicht zu spät), notierte er im August 2021: "Langstreckenkomfort überraschend gut."

Den Captur gibt es nicht mit Allradantrieb, im Winter erreicht er also trotz geeigneter Bereifung schneller seine Grenzen. Der Fahrkomfort wird durchgehend gut bewertet.
Bild: Christoph Börries / AUTO BILD
Reisebegleiter mit gutem Langstreckenkomfort
Keine Einzelmeinung, und das kam so: Die Renault-Ingenieure verordneten dem Captur eine ausgewogene und durchaus aufnahmefähige Feder-Dämpfer-Abstimmung, mit der viele der auf europäischen Straßen durchaus reichlich vertretenen Schäden ordentlich weggefiltert werden konnten. Außerdem verfügt das SÜVchen über immerhin 2,64 Meter Radstand, was die Tendenz zum magenfeindlichen Hoppeln auf welligen Pisten in Grenzen hielt und in dieser Klasse nicht selbstverständlich ist – der einen Zentimeter längere VW T-Roc bietet zwischen den Achsen fünf Zentimeter weniger Luft.
Messwerte
Modell | Renault Captur TCe 130 Intens | Renault Captur TCe 130 Intens |
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bei Testbeginn | bei Testende | |
Beschleunigung | ||
0–50 km/h | 3,6 s | 3,8 s |
0–100/-130 km/h | 9,5/15,5 s | 10,3/17,1 s |
0–160 km/h | 24,6 s | 28,7 s |
Zwischenspurt | ||
60–100 km/h | 5,0 s | 5,6 s |
80–120 km/h | 6,5 s | 6,7 s |
Bremsweg | ||
aus 100 km/h kalt | 35,4 m | 37,2 m |
aus 100 km/h warm | 36,3 m | 37,3 m |
Innengeräusch | ||
bei 50 km/h | 58 dB(A) | 58 dB(A) |
bei 100 km/h | 65 dB(A) | 65 dB(A) |
bei 130 km/h | 70 dB(A) | 70 dB(A) |
Testverbrauch – CO2 | 6,1 l S – 144 g/km | 6,8 l S – 161 g/km |
Wenn es Kritik am Fahrkomfort gab, dann galt diese zumeist dem nicht immer geschliffenen Ansprechverhalten auf Kanten und Absätzen. Und dafür zeichneten in weiten Teilen die optionalen 18-Zoll-Räder (536 Euro) verantwortlich, deren 215/55er-Reifen schon mal etwas härter über Krater und Kanaldeckel rumpeln. Klarer Fall von "Wer schön sein will, muss leiden" – die serienmäßigen 16-Zoll-Stahlräder mit dem hohen 65er-Querschnitt sehen natürlich nicht so toll aus, die in den Ausstattungslinien darüber verbauten 17-Zoll-Räder mit Bereifung im Format 215/60 R 17 gehen optisch aber voll in Ordnung.
Motor stammt aus Mercedes-Kooperation
Überwiegend positiv wurde auch der Motor besprochen. Aus 1,3 Liter Hubraum holt ein Turbo hier völlig ausreichende 130 PS – immerhin wurde der Vierzylinder seinerzeit ja in Kooperation mit Mercedes entwickelt. Und so nimmt das Vollaluminium-Triebwerk denn auch kein Blatt vor den Lufteinlass und schickt den Captur in unter zehn Sekunden auf Tempo 100, macht ihn bis zu 193 km/h schnell.

Der 1,3-Liter-Vierzylinder stammt aus der Kooperation von Renault-Nissan mit Mercedes. Hier leistet er 130 PS, die munter ans Werk gehen.
Bild: Christoph Börries / AUTO BILD
Unser Archivar Willi Kock bringt das so auf den Punkt: "Spritziger Motor." Der trotz quirligem Temperament kaum übermäßig vorlaut wurde. Bis zuletzt erfreute die gute Geräuschdämmung der kleinen Turbo-Maschine. Und das so sehr, dass mancher schon "ab 100 km/h etwas laute Windgeräusche" notierte.
Verbrauch artet auch unter Volllast nicht aus
Ungebremste Freude bereitete dagegen das Trinkverhalten des 1,3-Liters. "Verbrauch artet auch bei Volllast nicht aus", wusste unser ehemaliger Kollege Stefan Novitski zu berichten. Tatsächlich ergab unsere Normrunde inklusive Vollgas auf der Autobahn gute 6,1 l/100 km, über zumeist im Rasender-Reporter-Modus abgespulte 100.000 Kilometer standen 8,7 Liter auf der Rechnung.
Kosten
Modell | Renault Captur TCe 130 Intens |
---|---|
Betriebskosten/Garantien (Fixkosten pro Jahr) | |
Haftpflicht 20 (100 %, SF5)* | 565 Euro |
Vollkasko 19 (500 € SB, SF5)* | 961 Euro |
Teilkasko 21 (150 € SB, SF5)* | 656 Euro |
Kfz-Steuer (Euro 6d-Temp-Evap-ISC) | 132 Euro |
Kraftstoffkosten für 100.360 km | |
8754,03 Liter Super (= 8,7 l/100 km) | 14.601,72 Euro |
Motoröl-Nachfüllbedarf 0,0 Liter | 0,00 Euro |
Inspektionskosten (inklusive Ölwechsel) | |
30.000 km | 432,65 Euro |
60.000 km | 384,40 Euro |
90.000 km | 898,17 Euro |
Reifenkosten (inklusive Montage) | |
1 Satz Sommerreifen 215/55 R 18 Michelin Primacy 4 | 832 Euro |
1 Satz Winterreifen 215/55 R 18 Michelin Pilot Alpin 5 | 720 Euro |
Preise/Wertverlust | |
Testwagenpreis 09/20 (inkl. Extras) | 29.925 Euro |
Aktueller Neupreis (inkl. Extras)** | 33.950 Euro |
Schätzpreis 07/23 | 12.800 Euro |
Wertverlust des Testwagens | 17.125 Euro |
Gesamtkosten für drei Jahre | |
auf 100.360 km | 21.146,95 Euro |
Kosten pro km | 0,21 Euro |
Kosten pro km mit Wertverlust | 0,38 Euro |
So überzeugend der Motor aber auch agierte, so deutlich ließ der für die Kraftverteilung zuständige Doppelkuppler im Laufe des Dauertests nach. Anfangs flutschten die sieben Gänge noch schnell und schnörkellos hin und her. Bei Kilometerstand 25.349 notierte unser Testwagen-Koordinator Dennis Heinemann: "Automatik überraschend angenehm und ruckfrei." Ein Lob, das so nicht wieder auftauchen sollte. Im Gegenteil.
Doppelkuppler wird mit der Zeit schlechter
Noch mal 25.000 Kilometer weiter las sich das dann so: "Das Anfahrverhalten in der Stadt ist eine Katastrophe." Gegen Testende musste der Autor selbst konstatieren: "Der Doppelkuppler arbeitet, als sei er im Streik." Tatsächlich reichte das Direktschaltgetriebe die Motorkraft nur sehr unwillig weiter, insbesondere beim Rangieren ging es so ruppig zu, dass sich mancher Fahrer in früheste (handgeschaltete) Fahrschulzeiten zurückversetzt fühlte.
Zerlegung kostet den Captur eine ganze Note
Hätte der Captur vor der Zerlegung sein Zeugnis bekommen, wären also einige Bemerkungen zu machen gewesen, es wäre aber eine freundliche 2+ geworden. Doch die Demontage als eine der wichtigsten Etappen des Dauertests förderte noch weitere Schwächen zutage. So zeigte der bis zum Schluss nie beanstandete Fahrersitz erste Risse in den Seitenwangen. Und im Luftfilterkasten fanden sich erhebliche Schmutzansammlungen. Hier hat die Werkstatt bei den Inspektionen offenbar geschludert.

Nach 100.000 Kilometern wird der Captur in seine Einzelteile zerlegt. Dabei zeigten sich erste Rostansätze sowie Schmutzpartikel in einem der Zylinder und im Turbolader.
Bild: Christoph Börries / AUTO BILD
Was aus unserer Sicht mit erheblichen Folgen einherging. So finden sich sowohl im Turbolader als auch im vierten Zylinder unschöne Spuren, die durch Schmutzpartikel hervorgerufen wurden. Riefen an Zylinderwand und Kolbenhemd sowie die kleinen Einschläge am Verdichterrad des Turbos haben noch keine Auswirkungen gezeigt, machen aber nachdenklich.

Am Ende kosten den Captur die Nachlässigkeiten im Werk und in der Werkstatt eine bessere Note. Mit der Endnote 3+ landet er in der AUTO BILD-Rangliste auf Platz 66.
Bild: Christoph Börries / AUTO BILD
Mehr Sorgfalt bei Werk und Werkstatt wäre gut
Das gilt auch für die ungleichmäßige Flutung der Karosserie mit Wachs. Die Längsträger zeigen auf beiden Seiten aufkommende Korrosion, auch an den Achsen beginnt es ganz zart braun zu blühen. Wie zuvor schon gesagt: Noch kein ernsthaftes Problem bei unserem Captur, wohl aber ein deutlicher Hinweis, dass Werk und Werkstatt hier grundsätzlich mehr Sorgfalt walten lassen sollten. Wir sind uns jedenfalls sicher: Dann wäre hier mehr als eine 3+ und Platz 66 herausgesprungen.
Fazit
Schade für den Captur, dass er von zu Hause nicht ausreichend mit Rostschutzmittel versorgt wurde. Und dass die Werkstatt bei der Wartung den Luftfilterkasten nicht ordentlich sauber gemacht hat. Rostansätze und Spuren in Zylinder und Turbolader hätten sonst wahrscheinlich vermieden werden können. Und dann hätte der reisetaugliche Crossover eine ganze Note besser abgeschnitten. AUTO BILD-Dauertestnote: 3+
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