Rennstrecken-Fahrbericht Mercedes SLS AMG
Im Revier des Mercedes SLS

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Der Mercedes SLS AMG muss nicht unbedingt fahren, um gut auszusehen. Türen auf, Spot an. Fertig. Zugegeben, der 177.000-Euro-Knaller kann mehr. Viel mehr. autobild.de war mit dem neuen Flügeltürer auf der Rennstrecke unterwegs.
Schweißnasse Hände, der Mund trocken wie die Wüste und dann dieses Kribbeln im Bauch. Ein Arzt würde wahrscheinlich einen grippalen Infekt diagnostizieren. Pietro Zollino kommt nach eingehender Untersuchung aber zu einem ganz anderen Ergebnis. Zollino ist kein Arzt. Sondern Pressesprecher. Und weiß ganz genau, was mir fehlt. Ein paar schnelle Runden im Mercedes SLS AMG. Die stehen gleich an – und ich bin nervös wie ein Teenie vor dem ersten Date. "Welcher ist meiner", höre ich mich sagen. "Der Silberne", antwortet Zollino. Scherzkeks. Die sind alle Silber. Verzeihung, "Alubeam Silver" natürlich. Eine Spezial-Lackierung, die an flüssiges Metall erinnern soll und, mit Verlaub, keine 11.900 Euro Aufpreis Wert ist. Wer auf spektakuläre Farbeffekte steht, macht mit dem 3867 Euro teuren Mattsilber den besseren Deal.
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Vier Schaltprogramme helfen beim Sortieren der sieben Gänge

Gebrüllt wird immer
Mit einem fiesen Knall sortiert das Speedshift-Getriebe die Gänge, ein Streicheln übers Gaspedal schubst den 4,64-Meter-Sportler aus der Boxengasse. Es geht ein gutes Stück bergab, dann wird der Griff ums dicke Performance-Lenkrad (476 Euro) fester. Die "Andretti Hairpin" führt in zwei Bögen 180 Grad ums Eck und hängt dabei leicht nach rechts – ein biestiges Stück Linkskurve, das selbst gestandene Rennfahrer um Bestzeiten bringt. Fuß vom Gas, hart anbremsen, einlenken, kurz nach außen treiben lassen, noch mal einlenken, Lenkung öffnen und mit viel Gebrüll raus aus der Kurve. Man muss kein Virtuose hinterm Steuer sein, um mit dem SLS würdevoll ums Eck zu kommen. Die optionale Keramik-Bremse entsorgt überschüssige Geschwindigkeit zuverlässig und bleibt dabei immer wunderbar dosierbar, die Servolenkung reicht jede Spurrille an die Finger weiter, das Doppelkupplungsgetriebe erledigt die Schaltarbeit. Den Rest übernehmen die sportlich abgestimmten Assistenzsysteme oder das Popometer des Fahrers – je nachdem, wer am Steuer sitzt. Ganz ehrlich: Bei mir waren es die Assistenzsysteme.
Eine 4,7 Kilo schwere Carbon-Welle überträgt die Kraft

Flügeltüren sind schick – aber unpraktisch

Mit 177.000 Euro gegen die Wand? Hier geht es zum SLS-Crashtest!
Fazit
Ist Affalterbach das neue Maranello? Ganz sicher nicht! Das wird Dieter Zetsche jetzt gar nicht freuen, ist aber eigentlich ein Glücksfall. Der Mercedes SLS AMG ist ein Knaller. Schnell, aggressiv, cool, betörend, edel, alltagstauglich und mit einem sensationellen Handling gesegnet. Aber er ist eben kein Ferrari. Kein Porsche. Und auch kein Lamborghini. Er ist ein Mercedes. Oder besser: ein AMG. Einer, der einen eigenen Charakter hat und deshalb auf dem besten Weg ist, sich von seinem seinem legendären Vorgänger 300 SL zu emanzipieren. Bei den Preisen sind sie dann alle wieder gleich, die Herren Supersportler. 177.000 Euro kostet der SLS AMG. Da fehlt dann aber praktisch alles, was der SLS zum Tanz auf der Rasierklinge braucht: Verbundbremsen (11.305 Euro), Performance-Fahrwerk (1428 Euro), Performance-Sportlenkrad (476 Euro), superleichte Schmiederäder (2380 Euro), Sportschalensitze (3927 Euro), Bang&Olufsen-Soundanlage (7021 Euro). Wer dann noch die unsinnige "Alubeam Silver"-Lackierung (11.900 Euro) ordert, kann gleich 200.000 Euro aus dem Schließfach holen. Der solventen Zielgruppe dürfte es herzlich egal sein.
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