Wahltag in den USA. Doch mit dem Election Day haben die Besucher der SEMA 2008 offensichtlich wenig am Hut. Tausende strömten am ersten Messetag bei herrlichem Sonnenschein durch die Hallen des Convention Center in Las Vegas. Vorbei an nostalgischen Corvette-Nachbauten, an monströsen 42-Zoll-Felgen, an der inzwischen steinalten PS-Legende Carroll Shelby und einigen Damen, die das Wort Tuning auch auf den menschlichen Körper ausgeweitet haben. Enough IS never enough (Genug ist niemals genug) – das Motto eines Ausstellers könnte auch für die ganze SEMA gelten. "Finanzkrise"? Diese Vokabel ist hier etwa so weit weg wie das Wort Elektromobil. Es geht um den guten alten Spaß am Autofahren – und da ist bestenfalls ein Diesel gesellschaftsfähig. Und zwar einer nach amerikanischem Geschmack: Der getunte 6,6 Liter große V8 aus einem Truck haucht einer 70er-Chevelle 1100 PS ein. So bekommt das Muscle Car der letzten Unschulds-Ära noch einmal einen zart grünen Anstrich.

Tischgroße Felgen und wummernde Bässe

Moderner erscheint dagegen der Scorpion der Ronn Motor Company, unter dessen Glasfaserhaut ein 3,5-Liter-V6 von Honda steckt. Angeblich mit Wasserstoffantrieb – doch auf Nachfragen macht das blonde Standpersonal eher vage Angaben. Aber schön steht der Scorpion schon da. Eine Mixtur aus Ami-Muskel und italienischer Eleganz. Der 450-PS-Sportler soll 150.000 Dollar kosten. Bleibt die Frage, ob der Aktien-Abschwung genügend Auto-Liebhaber übrig gelassen hat. Die größten Felgen gibt es natürlich bei Lexani zu bestaunen. Ein Hummer steht auf Tischgroßen 32-Zoll-Monstern, daneben glänzt unter wummernden Rapper-Bässen das viel fotografierte Einzelstück: eine Felge mit 42 Zoll Durchmesser. Viel schlanker war auch der schwarze Künstler nicht, der auf der Videowand dahinter von ähnlichen Frauen umlagert wurde, wie sie hier an vielen Ständen für die Besucher posieren.

Elektrisch laufen in Las Vegas nur die Kühlboxen

SEMA 2008
Wie groß ist groß? Sehr groß! 32 Zoll große Felgen sind auf der SEMA keine Seltenheit.
Fragt jemand nach Elektro-Autos? Elektrisch laufen hier in Las Vegas nur die Kühlboxen – und auch die haben die Amerikaner schon auf Räder gestellt. Für 499 Euro fährt der Aufsitz-Kühlschrank mit 13 Meilen Top-Speed durch den Garten. Coolness zählt hier mehr als Klima. Zugleich wirken der Optimismus und der offene Spieltrieb der Amerikaner ansteckend. Sie haben halt noch immer mehr Platz und weniger Vorschriften. Schwarze Heckleuchten am Audi brauchen kein Prüfzeichen, sondern überleben bis zum ersten Cop, der sich an ihnen stört. Was für eine schöne Vorstellung im TÜV-geprüften Deutschland.

Von

Joachim Staat