Still und leise hat Mercedes auch beim G-Modell den alten V8 in Rente geschickt und einen neuen 5.5-V8 eingepflanzt. Das Fahrerlebnis ist unvergleichlich: moderne Luxustechnik in aufrechter Raubeinschale.
Wir leben in einer Zeit, in der es in Mode geworden ist, mit der kopfschüttelnden Miene des Bedenkenträgers die Schadstoffe und den CO2-Ausstoß jedes Lebewesens zu beweinen. Eichhörnchen, Kühe, Menschen – alles wird reduziert auf ihre Emissionen. Bevor irgendeine Regierung uns auch noch vorschreibt, unseren Teebeutel in kaltes Wasser zu hängen, weil das Erhitzen uns wegen des CO2-Ausstoßes erneut einen Schritt näher an den Weltuntergang bringt, ordern wir zum Trost einen Mercedes G 500 V8 zum Test.
Seit 30 Jahren stemmt sich der G in den Fahrtwind
Das für schmale Reihenmotoren konzipierte Motorabteil des G füllt der breite V8 gut aus.Schon der erste Rundgang um den Testwagen zeigt deutlich, dass wir es hier mit einem Querkopf zu tun haben: kantig, eckig, voller Selbstbewusstsein und – wenn man den Zündschlüssel herumgedreht hat – nicht gerade flüsternd. Sozusagen ein automobiler Steve McQueen, zu Deutsch vielleicht ein Horst Buchholz. Sie erinnern sich hoffentlich? Überhaupt ist ein Mindestmaß an Geschichtskenntnissen sehr hilfreich, um zu verstehen, weshalb der G so ist, wie er nun einmal ist. Wenn man weiß, dass beim Start des Projekts G die Beteiligten Mercedes-Benz und Steyr-Puch (heute Magna-Steyr) vor allem gewinnversprechende Militäraufträge im Sinn hatten, dann versteht man auch, warum der G so aussieht, wie er nun einmal aussieht: Die schlicht geformten Karosseriebleche und erst recht die planen Glasflächen erleichtern Reparaturen und Austausch nach Unfällen. Selbst mit rudimentären Kenntnissen der Karosserie-Instandsetzung lässt sich ein G wieder einsatzfähig machen, nachdem ihn ein unvorsichtiger Rekrut einer noch so abgelegenen Militäreinheit zerknittert hat.
Für Komfortfans ist der G 500 eine Enttäuschung — er federt stramm
Die kantige Form des seit 1979 im österreichischen Graz gebauten G bringt eine ausgezeichnete Raumausnutzung.Versuchen Sie das mal beim BMWX5. Die aufrechte Form bringt dem G die perfekte Raumausnutzung einer Schachtel. Es gibt nichts Konsequenteres. Mercedes hat zwar in den letzten 30 Jahren versucht, die Schachtel innen angenehm zu gestalten. Dennoch bleibt es eine Schachtel. Und weil sich der Mensch in einer Schachtel nicht optimal verpacken lässt, zwickt es da und dort: Man sitzt auf Tuchfühlung mit den Seitentüren, und die Frontscheibe steht einem direkt vor der Stirn. So fuhr man schon vor 70 Jahren in praktisch jedem Auto. Heute ist das ungewohnt. Die steilen Scheiben und die kantige Form ruinieren naturgemäß den Luftwiderstandsbeiwert. Deshalb mussten sich schon immer alle Motoren, die je in einem G installiert wurden, arg plagen. Dem aktuellen 5,5-Liter-V8 scheint seine Arbeit zu gefallen. Er reagiert spontan auf kleinste Gaspedalbewegungen und beschleunigt den leer 2492 Kilogramm schweren Geländewagen verblüffend rasant.
Erst ab Tempo 190 wirkt er etwas gequält, wenn er sich unter Aufbietung all seiner 388 PS gegen den tosenden Sturm um die Dachsäulen stemmt, um endlich doch noch die 200-km/h-Marke zu knacken. Das Wohlbefinden des stets sonor wummernden Achtzylinders lässt sich auch an seinem Appetit auf Superbenzin ablesen. Man kommt einen Hauch unter die 15-Liter-Grenze, wenn man über Land langsam dahinrollt und den Klang bei niedrigsten Motordrehzahlen genießt. Wer aber richtig drauftritt, verfeuert im Bereich um Tempo 200 deutlich mehr als 30 Liter Super pro 100 Kilometer. Bei diesem Tempo ist das Fahren mit dem G jedoch kein Genuss. Der Motor brüllt, der Fahrtwind tobt, die Fuhre taumelt bei Seitenwind. Lieber gemächlich.
Der große Wendekreis erschwert den Alltag mit dem G
Ein G bleibt ein G. Daran ändert auch ein kultivierter und bärenstarker Achtzylinder nichts.Da stört aber der einem 100.000-Euro-Auto nicht angemessene Komfort. Die schwergängige Lenkung, die trockenen Hopser der straff gedämpften Starrachsen, die nur mit gehörigem Kraftaufwand schließenden Türen, der große Wendekreis – das erschwert den Alltag mit dem G. Und doch genießt man jede Fahrt. Der turmähnliche Ausblick von den bequemen Sitzen, die ulkigen Blinker auf den Kotflügeln, die winzigen Scheibenwischerchen entführen den Fahrer in eine Autowelt, die so anders ist. Anders ist diese G-Welt auch wegen der legendären Geländetauglichkeit. Der G wühlt und rackert, er gibt einfach nicht auf. Man probiert es mit und ohne Achssperren. Aber selbst, wenn der Wagen sich eingegraben hat, verliert er nie sein Gesicht. Schließlich bat auch mal ein Steve McQueen um fremde Hilfe. Seinem Ruf schadete es nicht.
Kantiger Kollege: weltweit wegen seiner Stabilität sehr geschätzter Toyota Land Cruiser V8.Die kantigen Kollegen des Mercedes G heißen Jeep Wrangler, Land Rover Defender und Iveco Massif. Aber keiner von ihnen wagt sich wie der G so selbstbewusst an die 100.000-Euro-Marke. Hier gibt es nur Luxus-Geländewagen wie den weltweit wegen seiner Stabilität sehr geschätzten großen ToyotaLand Cruiser V8: viel mehr Komfort als der G, aber schon stark aerodynamisiert. In die gleiche Preisklasse wie der Mercedes G fällt auch der PorscheCayenne; er setzt aber auf völlig andere Ziele. Er will vor allem der Schnellste sein. Und zusätzlich noch ordentlich Komfort und Geländetauglichkeit bieten.
Fazit
von
Martin Braun
Ein G bleibt ein G. Daran ändert auch ein kultivierter und bärenstarker Achtzylinder nichts. Beim Komfort wird der Kanten-Daimler seinem hohen Preis nicht gerecht. Dennoch nimmt man so manche Härte gern in Kauf, denn das Fahrerlebnis ist unvergleichlich: moderne Luxustechnik in aufrechter Raubeinschale.