Schau mir in die Augen, Großer. Ich riskiere einen Blick in dein Gesicht. Lange. Prüfend. Ob es schön ist, das Antlitz des SL? Markant ist der neue Look allemal, mit dem Mercedes seinen Luxus-Roadster ab 5. April 2008 ins Rennen schickt. Nach sieben Jahren Bauzeit haben die Schwaben den SL zum zweiten Mal geliftet und frisch aufgebügelt – mit strengen Falten und harten Kanten, ganz im neuen Stil des Hauses. So viel Facelift war noch nie in Stuttgart. Dezente Eleganz und fließende Linien? Das war gestern. Heute schaut der SL aggressiv aus großen, weit ums Eck gezogenen Augen in die Welt. Sie zeichnen einen Designtrend vor, der die ganze Marke erfassen wird. Wir kennen ihn ähnlich schon vom $(LB390257:neuen SUV GLK)$.

Nach dem Facelift wirkt der SL deutlich kraftvoller

Neuer Look: Das Facelift lässt den SL sportlicher und aggresiver wirken.
Neuer Look: Das Facelift lässt den SL sportlicher und aggressiver wirken.
Scharfe Kanten fassen mächtige Lufteinlässe ein, der Bug ist V-förmig gepfeilt. Er steht steil im Wind, deshalb wirkt die Motorhaube unendlich lang. Zwei Profile geben ihr Kontur – die "Powerdomes" erinnern an den Ur-SL von 1954, den Flügeltürer, eine der großen Mercedes-Ikonen. Die Kiemen in den Flanken und die dicke Strebe im Grill haben den gleichen Zweck. Auch die Außenspiegel sind neu, und am Heck schärfen ein Diffusor-Stoßfänger und eckige Auspuffrohre den Abgang. Unter einem blauen Winterhimmel, von dem die Sonne strahlt, rollt der neue SL zum Fotoshooting an. Zwei Rivalen flankieren ihn, das 6er Cabrio von BMW, seinerseits vor einem halben Jahr geliftet, und die jüngste Evolutionsstufe des offenen Porsche 911, vor drei Jahren vorgestellt. Heiser, hungrig, unnachahmlich bellt der Carrera S, wenn man das Gas nur zart streichelt. Kultiviert flüstern der BMW 630i und der Mercedes mit seinem 3,5-Liter-V6. Drei Charaktertypen, drei Traumwagen – ein starker Vorgeschmack auf den Sommer 2008.

Das Motorenprogramm wird neu sortiert

Bayerischer Edel-Konkurrent: Auch BMW hat den offenen 6er jüngst überarbeitet.
Bayerischer Edel-Konkurrent: Auch BMW hat den offenen 6er jüngst überarbeitet.
Am SL ist nicht nur das Blechkleid neu, Mercedes hat auch das Motorenprogramm neu sortiert. Es fängt mit einem Dreiliter-V6 an, der 231 PS leistet. Dann kommt der überarbeitete 3,5-Liter, der sogenannte Sportmotor mit 316 PS. Der Fünfliter-V8 (388 PS) und der 5,5-Liter-V12 (517 PS) bleiben unverändert. Der AMG-Hammer, der über der Baureihe hängt, hat jetzt einen freisaugenden, bollernden 6,3-Liter-V8 (525 PS). Der neue 3,5-Liter-Sportmotor ist ebenfalls eine heiße Maschine, aber auch eine vernünftige. Mit höherer Verdichtung und neuem Ventiltrieb dreht er bis 7200 U/min, bei 4900 Touren stemmt er 360 Nm Drehmoment. Der V6 bringt den SL in 6,2 Sekunden auf 100 km/h, wie das Werk verspricht. Im Schnitt braucht er 9,9 Liter Super auf 100 km, 0,4 Liter weniger als sein Vorgänger mit 272 PS. Die serienmäßige Siebenstufen-Automatik gibt beim manuellen Runterschalten jetzt einen Stoß Zwischengas. Schade, dass die Wippen am Lenkrad noch immer extra kosten, sie sollten auf jeden Fall mitbestellt werden.
Einsteigen, den Sitz zurechtrücken. Da ist es, das vertraute SL-Gefühl. Die Windschutzscheibe legt sich mit großer Geste über die Stirn, sie steht viel flacher als im Porsche, ähnlich wie beim BMW. Tief sitzt man, mit gestreckten Beinen, richtig gut und immer auch ein wenig lässig. Die Sitze mit den integrierten Gurten sind straff, aber bequem gepolstert. Der Porsche packt seinen Fahrer härter und mit heftigem Seitenhalt an, in die dicken Luxus-Polster des BMW sinkt der Fahrer wie in ein Ruhebett. Das 6er-Cabrio trägt im Innenraum den technisch-kühlen Neo-Barock aus München – die Mittelkonsole wirkt wie aus großen Klötzen aufgestapelt, das Lenkrad ist fett, der Tunnel asymmetrisch. Der Porsche pflegt dagegen den konzentrierten Stil des Leistungssportlers – fünf klassische Instrumente, Zündschloss wie seit Menschengedenken links und eine lichte, leichte Optik. Nur die Mittelkonsole ist hoffnungslos mit Schaltern überladen, und der Bordmonitor ist zu klein, sitzt zu tief.

Porsche und BMW setzen auf klassische Stoffdächer

Sportwagen-Ikone aus Zuffenhausen: Das 911 Cabrio gibt den Dynamiker im Vergleich.
Sportwagen-Ikone aus Zuffenhausen: Das 911 Cabrio gibt den Dynamiker im Vergleich.
Der SL ist beim Interieur seiner alten Linie treu geblieben. In weichen Bögen läuft das Instrumentenbrett in den Mitteltunnel. Runde Luftdüsen setzen sportliche Akzente, schmale Chromringe sorgen für eleganten Touch. Die Oberflächen, Ledersorten, Farben und Bezüge sind neu angerichtet, die Verarbeitung ist von feinem Schliff. Die altmodische Fuß-Feststellbremse hat das Facelift überlebt. Hinter dem neuen, schlanken Dreispeichenlenkrad liegen zwei Runduhren mit modischen, zweifarbigen Zifferblättern. Wenn man die Zündung einschaltet, fliegen ihre Zeiger einmal zum Anschlag und zurück. Der Bildschirm hat zwar die schlaue Menü-Logik und Grafik aus der C-Klasse bekommen, wird jedoch weiterhin mit Tasten bedient und nicht per Controller. DVD-Wechsler und Bluetooth-Schnittstelle fürs Handy sind Serie, als Extra gibt’s ein Navi samt iPod-Anschluss und moderner Sprachbedienung. Eine 20-GB-Festplatte liefert die Daten und kann 1000 Musiktitel im MP3-Format speichern – das sind gut 60 Stunden Sound. Typisch Mercedes, hat der SL noch ein paar weitere Hightech-Ideen mitbekommen. Bi-Xenon-Leuchten sind Serie, das Intelligent Light (Extra) integriert fünf Lichtfunktionen – für die Landstraße, für die Autobahn, für Kurven, für Nebel und zum Abbiegen. Und der "Airscarf", erstmals im SLK vorgestellt, bläst den Passagieren warme Luft in den Nacken – mit je zwei Ventilatoren und einer elektrischen Heizung in den Kopfstützen.

BMW 630i Cabriolet Mercedes SL 350  Porsche 911 Carrera S Cabriolet
Verschwenderisch: Der SL ist der einzige reine Zweisitzer im Vergleich.
Unter den drei Autos in diesem Vergleich ist der SL der einzige reine Zweisitzer. Er geht mit seinen 4,56 Meter Länge verschwenderisch um – hinter seinen Sitzen liegen nur Staufächer und Gurte für den maßgeschneiderten Koffersatz. Im Fond des BMW kommen kleinere Leute ordentlich unter, und der Porsche hat zwei Alibi-Notsitze, die zumindest als Gepäckablage taugen. Der Gepäckraum des SL schluckt 339 Liter Inhalt bei geschlossenem Dach. Wenn das Variodach zusammengefaltet im Kofferraum ruht, fährt es von selbst nach oben, sobald man den Heckdeckel öffnet – das erleichtert das Beladen. Unter dem stählernen Paket bleiben 235 Liter für das Gepäck. Die Bewegungen des Dachs sind noch immer eine Show. Das mechanische Ballett, bei dem eine Hydraulikpumpe mit 200 Bar Druck und elf Stellzylinder zusammenspielen, dauert 16 Sekunden. Gesteuert wird es mit einem Schalter auf dem Tunnel, der wie der Deckel des Aschenbechers aussieht. Das 911 Cabriolet und der offene 6er haben traditionelle, leichte Stoffdächer, die ebenfalls vollautomatisch laufen. Das große BMW-Zelt geht in knapp 25 Sekunden auf und zu, beim kurzen Porsche-Verdeck sind es 20 Sekunden. Der kraftvoll designte 6er kann unter seinem klotzigen Gepäckraumdeckel je nach Lage des Daches 300 oder 350 Liter Gepäck mitnehmen. Der fließend geformte 911 packt nur 135 Liter in sein Frachtabteil im Bug – echt Sportwagen.
Weitere Details zu den drei Edel-Cabrios gibt es in der Bildergalerie. Den kompletten Vergleichstest können Sie sich hier als PDF herunterladen.

Von

Johannes Köbler