Werksangaben und Testwerte

Früher hießen sie Familienkutschen. Heute fahren Papis lieber Van, Kombi oder SUV, sodass viertürige Stufenhecklimousinen mittlerweile einen noch zweifelhafteren Ruf bekommen haben: den der Altherren-Autos. Alles Quatsch! Besonders dann, wenn unter der Motorhaube ein kräftiger Diesel arbeitet, der vor allem bei schneller Autobahn-Fahrt das biedere Senioren-Vorurteil widerlegt. Aber hallo: Selbst Sechszylinder und Sportwagen können die starke Diesel-Mittelklasse von Peugeot, Toyota, Volvo und Volkswagen kaum abhängen. Dafür haben sie zu viel Dampf und sind genau das, was Understatement-Fans lieben: (graue) Wölfe im Schafspelz.

Jüngster Zugang im Klub der starken Selbstzünder unterhalb der Sechszylinder-Liga ist der Peugeot 407 HDi. Sein Clou: ein Doppel-Turbo, der erstmals in einem Vierzylinder-Diesel Einzug hält. Schon bei 1500/min verhilft eine kleine Garrett-Turbine dem 2,2-Liter-Motor zu 370 Newtonmeter, bei 2600 Touren schaltet sich der größere Turbo zu und hält den Motor auf dem hohen Drehmoment-Plateau. In der Praxis bewirkt die Registeraufladung eine für Turbodiesel ungewöhnlich harmonische Leistungsentfaltung. Laufkultur und Kraftreserven wirken wie bei einem hubraumstärkeren Modell. Der 407 HDi rollt schaltfaul und gelassen dahin.
Wer schön sein will, muss leiden: Das Design schränkt den Nutzwert ein.
Wer schön sein will, muss leiden: Das Design schränkt den Nutzwert ein.
Bullig zieht der 2,2-Liter-Motor knapp über Standgas an und beschleunigt den Peugeot in 9,2 Sekunden auf Tempo 100. Das ist eine halbe Sekunde über Werksangabe und geht okay, zeigt aber auch, dass der Doppelturbo trotz aufwendiger Technik nicht zaubern kann. Der Vorwärtsdrang des Peugeot leidet darunter, dass er in diesem Quartett der Schwerste (1645 Kilo) ist. Ab 4000/min lässt seine Sprintstärke nach. Ein Aha-Erlebnis, das andere doppelt geladene Motoren wie der $(LA53086:TSI von VW (Golf GT/Touran))$ oder die Biturbo-BMW (535d/335i) bieten, will sich hier jedenfalls nicht einstellen.

407 Liter im 407: Das ist ein hübscher Zufall, aber nicht sehr reisefreundlich.
407 Liter im 407: Das ist ein hübscher Zufall, aber nicht sehr reisefreundlich.
Optisch tritt der 407 dem angeblichen Rentner-Ruf mit dynamischer Formensprache entgegen. Mild läuft sein Heck aus. Fast schon wie bei einem Coupé. Auf den Vordersitzen dagegen erinnert der Ausblick an einen Van. Weit streckt sich der Armaturenträger nach vorn. Wo der lange Vorderwagen aufhört, ist kaum einzuschätzen. Die flachstehenden A-Säulen behindern die Sicht.

Mehr Einblick wünscht man sich auch für die Außenspiegel. Sie sind zu klein. Gleiches gilt für den Kofferraum. Nur 407 Liter Stauvolumen schränken den Nutzwert ein. Der Passat hat fast 160 Liter mehr. Um eine ebene Ladefläche zu schaffen, müssen die Kopfstützen demontiert und die Sitzflächen nach vorn geklappt werden. Ziemlich umständlich.

Kosten und Garantien

Schlechte Straßen mag der 407 nicht. Die Dämpfer reagieren wenig geschmeidig auf Unebenheiten, das Abrollgefühl ist hölzern. Zum Glück kompensieren die weichen Sitze diese Komfortschwäche etwas. Die Schaltwege sind lang. Eine Automatik wäre ideal, ist aber nicht lieferbar. Anders bei Volvo: Für den S60 kostet eine Sechsstufen-Automatik 2000 Euro. Der Schaltknauf des Volvo mündet nicht im Schaltsack, sondern in einer silbernen Konsole. An der fehlenden Präzision des Getriebes ändert das nichts. Mit 185 PS und 400 Newtonmeter aus 2,4 Liter Hubraum verteilt auf fünf Zylinder ist der S60 in allen Belangen stärker als seine Konkurrenten. Es gehört zu den Eigenarten von Volvo-Dieseln, dass sie nicht sofort anspringen. Der Schwede will gebeten werden. Erst nach mehreren Anlasserumdrehungen meldet er sich knurrend zum Dienst.

Bei 2000/min packt der Fünfzylinder die Vorderachse mit lautem Dröhnen und zerrt den S60 brachial vorwärts. Ein Turbodiesel alter Schule: unten Flaute, oben Orkan. Durch sein Drehmoment- und PS-Plus erreicht er das höchste Tempo und die besten Durchzugswerte. Kein Wunder, dass er mit 7,7 Liter Durchschnittsverbrauch auch mehr schluckt als der Rest.

Von wegen schwedische Weite: Im S60-Fond geht's eng zu.
Von wegen schwedische Weite: Im S60-Fond geht's eng zu.
Ansonsten macht der Volvo auf skandinavischen Edelmann mit hübscher Karosserie, guter Verarbeitung und prima Sitzkomfort in der ersten Reihe. Die dynamischen Fondkopfstützen lassen sich in der Summum-Version sogar vom Fahrerplatz aus per Knopfdruck wegklappen. Nur ist zu bezweifeln, dass Fahrgäste auf den Rücksitzen gern Platz nehmen. Kopf- und Kniefreiheit sind für eine 4,60-Meter-Limousine knapp bemessen. Wie beim Peugeot ist der Kofferraum klein und die Zuladung für einen Fünfsitzer mit 400 Kilo zu gering. Und all das ist auch noch ziemlich teuer. Als einziger sprengt der Volvo die 30.000-Euro-Grenze und zielt vor allem auf zahlungskräftige Individualisten.

Den Gegenpol zu den extrovertiert gestylten S60 und 407 bildet der Toyota Avensis. Dem klassischen Verständnis einer Stufenhecklimousine kommt er am nächsten. Zwischen Motorhaube und Kofferraumklappe sitzt aufrecht eine rechteckige Fahrgastzelle. Das schafft Platz. Vor allem im Fond. Hier reisen Passagiere gemütlich mit viel Platz vor allem für die Beine. Auch der Avensis-Kofferraum kann sich sehen lassen. Zwar leidet die Variabilität darunter, dass die vorgeklappten Rücksitzlehnen wie im Volvo und VW keine ebene Ladefläche bilden, aber 520 Liter Stauvolumen sind ein Wert, der nur vom VW übertroffen wird.

Im Fahrbetrieb wirkt der 177-PS-Diesel leise und sanft. Zu sanft. Wer mit wenig Gas startet, spürt eine Anfahrschwäche. 2000/min dürfen es schon sein, damit der 2,2-Liter-Motor kraftvoll antritt. Bei 3000 Touren ist die Party schon wieder vorbei, und der Avensis 2.2 D-CAT wird zäher. Lob gibt es für Abrollkomfort und niedrigen Verbrauch. Als Einziger hat er einen wartungsfreien Partikelfilter mit NOx-Speicherkat (reinigt zusätzlich Stickoxide) – Toyota tut was für die Umwelt. Der Avensis sollte aber ausgerechnet bei der Qualität zulegen, wie ungleiche Spaltmaße sowie unser jüngst veröffentlichter Dauertest belegen.

Preise, Fazit, Wertung, Ihre Meinung

Eine saubere Vorstellung liefert auch der VW ab. Mit "nur" 170 PS und 350 Newtonmeter Drehmoment ist er der schwächste im Feld, zeigt jedoch sehr gute Fahrleistungen bei geringstem Verbrauch. Wenn die Pumpe-Düse-Technik (wird bei VW bald durch Common-Rail ersetzt) etwas gut kann, dann spurten und sparen. Erkauft werden diese Vorzüge mit rauem Motorlauf und ungleichmäßiger Kraftentwicklung. Der Vierventil-Turbo im Passat 2.0 TDI macht da keine Ausnahme.

Ähnlich ungehobelte Manieren legt das Fahrwerk an den Tag. Es ist übertrieben straff. Besonders bei langsamer Fahrt schüttelt es die Insassen kräftig durch. Das muß aber nicht sein, wie der Avensis beweist. Das war es dann schon mit der Kritik. Überzeugende Argumente wie viel Platz, hohe Zuladung, prima Sitze, sicheres Fahrverhalten sowie präzise Lenkung sichern dem VW einen überlegenen Sieg. Man muß ihn ja nicht lieben, den vermeintlichen Biedermann. Er ist mehr eine Vernunftentscheidung. Doch in der 170-PS-Plus-Klasse spielt Vernunft nicht unbedingt die wichtigste Rolle. Zum Glück.
Der feuerrote Passat sticht hervor – und gewinnt souverän.
Der feuerrote Passat sticht hervor – und gewinnt souverän.
Fazit von AUTO BILD-Testredakteur Jörg Maltzan Von null auf 100 in neun Sekunden und Tempo 220 – mindestens: Die braven Stufenheckmodelle laufen zu verblüffender Form auf. Mit dem jeweils stärksten Vierzylinder-Turbodiesel unter der Haube und Partikelfilter sind sie vorzügliche Reiselimousinen für Vielfahrer. Ihr Revier ist die Autobahn. Einzig der doppelt aufgeladene Peugeot-Motor liefert unter 2000/min genügend Kraft, um schaltfaul durch die Stadt zu gleiten. Trotzdem wird er nur Dritter. Ich höre die Anti-Wolfsburg-Fraktion schon protestieren: wieder ein VW vorn. Doch der Passat bietet einfach das beste Gesamtpaket. Niedrigster Verbrauch, dennoch beste Fahrleistungen, größtes Platzangebot – gegen diese überzeugenden Argumente ist die Konkurrenz machtlos.