Ein Schwächling war der Boxster noch nie. Dennoch haben ihn viele nicht so recht ernst genommen – und sich die Augen gerieben, wenn er ihnen locker davonfuhr. Spätestens im Kurvengeschlängel zeigte der Mittelmotor-Renner seinen Gegnern, wie man richtig angreift, ohne die Bodenhaftung zu verlieren. Seit der Boxster-Vorstellung 1996 wuchs dessen Leistung von anfangs 204 auf nun 310 PS – und damit auch der Fanklub des Roadsters. Und immer war es nicht nur die schiere Kraft, die überzeugte, sondern besonders das "Wie". Der Boxster war ein Porsche durch und durch – und jetzt ist er das mehr denn je. Zugegeben, man sieht ihm seine gesteigerte Potenz kaum an. Nur Kenner entdecken Änderungen: neue Schürzen, moderne LED-Leuchten und Kurvenlicht (1559 Euro extra) sowie die aufgeräumte Mittelkonsole mit verbesserter Bedienung (nur noch halb so viele Knöpfe und Touchscreen-Monitor).

Der neue Direkteinspritzer-Boxer macht dem Porsche mächtig Dampf

Der Knüller steckt im Verborgenen – vor der Hinterachse. Denn dort hat Porsche einen neuen Motor eingepflanzt, der mehr leistet und weniger verbraucht. 255 PS aus 2,9 Liter Hubraum leistet der Basis-Boxster, satte 310 aus 3,4 Litern sind es in der getesteten S-Version. Zum Verbrauch: Porsche gibt einen Mixwert von 9,4 Litern pro 100 Kilometer an (minus 16 Prozent), die in der Praxis aber kaum zu schaffen sind. Da werden es eher zwölf bis 14 Liter sein, die durch die Düsen jagen. Aber auch das sind Werte, die gut zu so einem Klasse-Kämpfer passen. Ab in den Ring. Wie fühlen sich die 310 PS an? Antwort: Wie ein Schlag in die Magengrube. Der Sechszylinder holt nicht aus, er schlägt ansatzlos zu und feuert ohne Unterbrechung, bis der Begrenzer bei 7400 Touren das Handtuch wirft. Großer Sport.

Das Doppelkupplungsgetriebe PDK ist ein technisches Meisterwerk

Porsche Boxster S
Damit die Vorstellung nicht in eine wilde Prügelei ausartet, hat Porsche dem neuen Boxster-Herz eine schlaue Kraftübertragung zur Seite gestellt: die "Porsche Doppel-Kupplung" (PDK). Wer die einmal zu spüren kriegt, will nie wieder anders schalten lassen. Blitzschnell wechselt die Automatik die sieben Gänge, ruckfrei und ohne jegliche Zugkraftunterbrechung. Das klappt vorzüglich vollautomatisch; wer es mag, kann die Fahrstufen aber auch am Lenkrad per Fingertipp reinschnalzen. Dieses technische Meisterwerk hat nur einen Fehler: Es kostet 2945 Euro Aufpreis. Schade, so ein fantastisches Getriebe gehört in jeden Porsche – ohne dafür extra zu kassieren! Es ist ja nicht nur beim Boxster so, dass für die schönen Dinge saftig extra gelöhnt werden muss. Aber Porsche kassiert halt – nett gesagt – Sportwagen-Aufschlag.
Der Basispreis von 55.781 Euro mag ja noch angehen, doch so ein Sportler will ja auch entsprechend rausgeputzt werden. Diesen Wunsch erfüllt die Marke mit schmerzhaft teuren Leckereien: Hinterachssperre 1131 Euro, PDK 2945 Euro, 19-Zoll-Räder 1886 Euro, Sport-Chrono-Paket 1095 Euro, Schalensitze 2523 Euro, Sportauspuff 1916 Euro, Distanzscheiben 345 Euro, Xenonlicht 1559 Euro. Unser Testwagen kostet mit allerlei Komfort-Schnickschnack 78.000 Euro – verdammt nahe am 911 Carrera. Ob zu Recht, das müssen die Kunden selbst entscheiden. Ich meine, er ist jeden Cent wert. Zum Trost sei angemerkt, dass ein Porsche zu den relativ zukunftssicheren Geldanlagen gehört. Und das zählt in schwierigen Zeiten mehr als je zuvor.

Weitere Details zum neuen Porsche Boxster S gibt es in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen Tabellen und technischen Daten finden Sie als Download im Heftarchiv .

Fazit

von

Jürgen von Gosen
Glückwunsch, Porsche. Das Facelift des Boxster ist rundum gelungen. Motor und Getriebe sind eine Wucht. In dieser Form kommt nicht der Wunsch nach einem Carrera auf. Der kleine Bruder wirkt jetzt moderner und athletischer, zudem sympathisch zurückhaltend. Das passt in die Zeit. Der hohe Testwagenpreis dagegen weniger – der lässt Luft für einen günstigen Basis-Porsche. Wo also bleibt der echte Einstiegs-Sportler?

Von

Jürgen von Gosen