Astroboy ist klein, aber kess und ziemlich clever. So hat es die japanische Comicfigur zum Idol des jungen David Terai gebracht. Mittlerweile ist der Japaner fast 60 und Chefingenieur bei Toyota. Doch den kleinen Roboter in Menschengestalt, den Kinder in Tokio verehren wie Kinder in aller Welt Mickey Maus, hat er nicht vergessen. Im Gegenteil: Als Terai vor sechs Jahren zum Projektleiter für die Neuauflage des Toyota Aygo ernannt wurde, hat er die alten Hefte wieder hervorgekramt. Denn genau wie seinerzeit Astroboy muss auch die zweite Generation des Kleinwagens, an der Terai seit sechs Jahren arbeitet, seinen ganzen Charme und alle Cleverness einsetzen, um sich als Zwerg im Autodschungel zu behaupten.
So fährt der neue Aygo
Das neue Marken-X prägt die Front des Aygo.

Das liegt vor allem an der immer schärferen Konkurrenz: Als der erste Aygo 2005 kam, hatte er gerade einmal neun Wettbewerber, heute sind es 20. Und der kleine Japaner steht nicht nur im Wettrennen mit den baugleichen Schwestermodelle Peugeot 108 und Citroen C1, mittlerweile muss sich der Aygo auch noch eines brandneuen Twingo und eines viertürigen Smart erwehren, wenn er im Juli 2014 in den Handel kommt. Da kann Terai schon die Hilfe eines Superhelden brauchen – selbst wenn es nur eine Comicfigur ist.

Bunte Karrosserieteile zum Austausch

So fährt der neue Aygo
Die Aygo-Neuauflage verspricht bunte Vielfalt.
"Aus der Masse herausstechen", so lautete deshalb Terais Leitmotiv beim Generationswechsel und dafür ließ er den Designern alle Freiheiten. Wo andere Toyota eher graue Maus sind, treibt es der Aygo ganz schön bunt. Schon das riesige X, das sich durch die Frontpartie zieht und bis zur C-Säule verläuft, ist eine Kampfansage an die Langeweile. Und als wäre das noch nicht genug, sieht mancher Aygo aus, als wäre er in den Farbtopf gefallen. Denn allein außen gibt es zehn speziell eingefärbte Kunststoffteile, die in jeder Werkstatt ausgetauscht werden können. Das passt in die Zeit – und hilft zugleich bei der Abgrenzung zu den Schwestermodellen, die von Haus aus diesmal deutlich anders aussehen und obendrein auch stark individualisiert werden können.

Spiel mit bunten Konsolen

Während man für die Individualisierung außen die Hilfe eines Mechanikers braucht, kann man den Aygo innen selbst dem individuellen Geschmack anpassen: Denn auch im Cockpit gibt es ein halbes Dutzend farbige Konsolen, die in paar Minuten ohne Werkzeug getauscht werden können. In acht poppigen Farben lackiert, bringen sie ein bisschen Glanz in eine Hütte, die ansonsten ziemlich trist ist. Hartes Plastik, scharfe Kanten, dünne Stoffe auf den schmalen Sitzen und eine labbrige Gepäckraumabdeckung – irgendwie muss der Grundpreis ja auf 9950 Euro für den Drei- und auf 10.300 Euro für den Fünftürer gedrückt werden.Dass der Aygo damit beim Generationswechsel kaum teurer wird, ist auf der einen Seite ungewöhnlich, weil er viel fescher daher kommt, besser ausgestattet ist und pfiffige Extras wie den großen Touchscreen bietet, mit dem man online navigieren, seine Facebookseite pflegen, Internet-Radio hören oder das Bild der Rückfahrkamera empfangen kann.

So fährt der neue Aygo
Ein Flitzer für die Stadt gebaut.
Aber auf der anderen Seite ist Preisstabilität auch beinahe selbstverständlich, weil der neue Aygo eben nicht mehr Auto bietet als sein Vorgänger. Bei 3,46 Metern Länge ist er außen nur ein paar Millimeter gewachsen, der Radstand misst unverändert 2,34 Meter und wenn man die sieben Millimeter mehr Kopffreiheit prüfen will, muss man schon das Maßband zücken. Nach wie vor sitzt man im kleinen Japaner in der ersten Reihe ganz ordentlich, muss im Fond des Fünftürers dagegen ziemlich die Knie anziehen und beim Blick in den Kofferraum zweimal schlucken. Zwar hat Chefingenieur Terai noch einmal knapp 30 Liter Platz geschunden. Doch auch mit jetzt 168 Liter Fassungsvermögen ist die schmale Luke hinter der hohen Kante schon von einem normalen Einkaufsbummel schnell überfordert – von einem Kurzurlaub ganz zu schweigen.
So bunt und unkonventionell der Aygo aussieht, so gewöhnlich fährt er sich. Der Einliter-Dreizylinder schnattert wie es dieser Bauart eigen ist und erlaubt mit seinen 69 PS keinen Geschwindigkeitsrausch. Doch weil das schmale Drehmoment von 95 Nm gerade einmal 840 Kilo zu wuchten haben, wirkt der Aygo zumindest im Stadtverkehr viel flotter, als es ein Sprintwert von 14,2 Sekunden auf Tempo 100 vermuten lässt. Und dass bei 160 km/h schon wieder Schluss ist, kann man im Aygo halbwegs verschmerzen. Denn mit so einem Zwerg möchte man sich – Astroboy hin und Superhelden-Image her – ohnehin nicht unter die rasenden Kombis der Kilometerfresser auf der linken Spur mischen. Außerdem kann man dann auch den moderaten Verbrauch vergessen, der mit einem Normwert von 4,1 Litern ohnehin schon gehobener Durchschnitt ist. Immerhin gibt es eine Eco-Variante. Die hat zwar keine Start-Stopp-Automatik, kommt aber mit Feinschliff im Windkanal auf einen besseren cw-Wert als der Normal-Aygo, hat ein länger übersetztes Getriebe und gibt sich deshalb mit gerade einmal 3,8 Litern zufrieden.
Aber der Aygo ist nicht nur auf der Autobahn fremd, selbst auf der Landstraße ist der kleine, kurze Japaner kaum zu Hause. Sein Revier ist der Dschungel der Großstadt, in dem er sich umso wackerer schlägt: Ungeheuer wendig, leichtfüßig und übersichtlich wird er so zum City-Champion und zeigt all den großen Geländewagen, Kombis und Crossover spätestens im nächsten Parkhaus, wer in der Stadt das Sagen hat. Da zeigt sich der Aygo dann als Astroboy – und braucht keinen großen Gegner zu fürchten.

Von

Thomas Geiger