"Naja, wir fahren jedes Jahr einmal zusammen in den Urlaub. Diesmal wollten wir halt sowas machen", schreit mich Panos "Joe" Meyer an, um den blechern dröhnenden Technolärm zu übertönen. Vielleicht war es keine so gute Idee, die Frage, warum zwei Neulinge bei der "härtesten Rallye der Welt" antreten, ausgerechnet in dieser Stranddisco im sibirischen Omsk zu stellen. Aber jetzt sitzen wir halt mal zusammen, da muss ich die beiden schon noch ein wenig löchern. Nachdem der Entschluss feststand, bei der "Transsyberia Rallye 2008 powered by Sony Ericsson" – so heißt die Tour offiziell – mitzufahren, gingen die beiden Kaufleute die Planung berufstypisch systematisch an. Erst einmal musste wohl ein Auto her: Weder der Touareg von Joe noch der Smart von Vito schienen ideal.

Die fehlenden Tausender wurden einfach erpokert

Transsyberia Rallye 2008
Nicht alle "Flüge" während der schnellen Etappen endeten sanft.
Nach eifrigem Studium diverser Internetforen und Verkaufsanzeigen stand fest: Es wird ein Defender. 17.000 Euro für die Anschaffung, dazu nochmal 3000 für den Umbau, kalkulierten die beiden. "Es war ja schon ein bisschen was dran gemacht." Doch das Geld war vor den Umbauarbeiten zu Ende. Woher neues nehmen? – Birger "Vito" Veit setzte alles auf eine Karte – wortwörtlich: Er erpokerte die fehlenden Tausender. Auf die beiden originellen Neulinge aufmerksam geworden, fanden sich nun sogar einige Sponsoren, die das kuriose Vorhaben unterstützten. Den Weg zum Start in Moskau legte der Defender nicht im verschlossenen (und dennoch am Zoll ausgeraubten) Container zurück wie die Porsche-Werkswagen, sondern auf eigener Achse.
Transsyberia Rallye 2008
Mangelware Schlaf: Die Mechaniker reparierten Nacht für Nacht die Schäden.
Dass bereits in Deutschland die erste Panne in Form eines verlorenen Vorderrades auftrat, dämpfte den Optimismus der beiden nicht im Mindesten. Joe und Vito sahen sich weiterhin als Sieger in spe. Und hatten von Beginn an vor, in ihrem Blog joevito.com täglich live von der Tour zu berichten. Weniger klar war ihnen allerdings, wie so eine Rallye eigentlich gewertet wird. "Wir haben uns zuerst echt gewundert, warum die anderen ausgerechnet in der Wertungsetappe immer so Gas geben", brüllt mich Joe an. Doch dann hätte ihnen netterweise jemand gesagt, dass nur die Zeit innerhalb der Special Stages zählt, die bis zu 900 km pro Tag langen Verbindungsetappen dagegen nicht.
Bei manchen anderen Teams hätte man allerdings auch den umgekehrten Eindruck gewinnen können. Viele fuhren auf den überwiegend schnurgeraden, aber fast durchgängig stark befahrenen sibirischen Hauptstraßen einen recht "heißen Reifen", bremsten allenfalls bei Polizeikontrollen. Dafür waren einige Autos in den Sonderprüfungen scheinbar nur mit gebremstem Schaum unterwegs. Grund: Fast alle kämpften mit thermischen Problemen – nicht nur wegen der drückenden Hitze in Sibirien, sondern weil sich bei der extrem schlammigen Sonderprüfung der ersten Etappe so gut wie alle Teilnehmer die Lamellen ihrer Kühler regelrecht zubetoniert hatten. Der lehmige Schlamm war an den heißen Kühlern festgetrocknet. "Das wird richtig hart, das kriegt man kaum mehr raus", erklärt Porsche-Teamchef Jürgen Kern.

Nur 21 von 34 Teams erreichen bei der Transsyberia Rallye das Ziel

Die groben Totalschaden-Unfälle des Vorjahres blieben diesmal aus. Ein Cayenne ging allerdings bei einem rätselhaften Brand während der fünften Sonderprüfung verloren. Das britische Team wurde dabei jedoch nicht verletzt – Martin Rowe und Richard Tuthill konnten sogar noch ihr Gepäck bergen. Die beiden werksunterstützten Suzuki Grand Vitara kamen auch 2008 wieder unfallfrei ohne ernste Schäden – abgesehen von den erwähnten Kühlerproblemen und angeknacksten Radaufhängungen – ins Ziel. Weil Lars Kern, Vorjahresvierter auf Suzuki, aber nun zu Porsche gewechselt war, fehlte in den tapferen 4x4-Zwergen für eine Top-Ten-Platzierung ein herausragender Fahrer.
Das Team Kramer/Ettenberger fuhr zwar routiniert und flott, konnte sich aber anfangs wegen der Hitzeprobleme nicht recht in Szene setzen – und den Rückstand trotz guter Platzierungen in der Mongolei nicht mehr aufholen: Platz 12. Dass es für Joe Meyer und Vito Veit doch nicht der "geplante" Start-Ziel-Sieg wurde, sondern nur Platz 18, stört die beiden gar nicht. "Unser Auto hat durchgehalten, wir haben durchgehalten." Und das ist nicht selbstverständlich: Schließlich erreichten von 34 gestarteten Teams nur 21 überhaupt das Ziel in Ulan Bator …

Gesamtergebnis 2008

Von

Thomas Rönnberg