Feminin, hat Sasha Lakic gesagt. Sein Fétish sei feminin. Vielleicht am ehesten italienisch. Schön, damit kann ich etwas anfangen, dann fliegen Bilder hinreißender Alfa Romeo, Maserati oder Ferrari über meine geistige Leinwand. Aber feminin? Ausgerechnet weiblich, wo die Neuheiten sich gerade gegenseitig übertreffen, noch machohafter auszusehen? Die trauen sich was, die Franzosen. Dann wandert der Blick übers Heck des flachen blauen Sportwagens, dessen Heck mir entgegenquillt wie das Kleid der Bardot in "Mit den Waffen einer Frau" Mit einem senkrechten Blinkerstrich, als trage das Blech eine Strumpfnaht, die beim Abbiegen aufleuchtet.

Mit den Waffen einer Frau

Venturi Fétish
In sechs Sekunden soll der Fétish auf 100 sprinten, sein Fahrer kommt in diesem Interieur noch schneller auf Touren.
Stimmt, der ist feminin. Und mehr noch: französisch. In solchen Momenten nimmt die Vision langsam Formen an. Die Vision vom Sportwagen aus Frankreich, und hier kommt das erste Strumpfobjekt: der Venturi Fétish.Sein Designer Sasha Lakic hat für uns im Pariser Norden ein Auto ans Tageslicht gefahren, das zum Jahresbeginn eigentlich nur als Showstück geplant war und dann auf dem Genfer Salon die paar Benzinblütigen buchstäblich am Stand gefesselt hat. Liegt das nun am katzenhaften Blick, an dem tief dekolletierten V auf der Haube oder der kompromisslosen Kürze, die nur Platz für zwei Personen, aber viele sportliche Träume lässt? Jedenfalls ruht im Fétish auf nur 3,85 Metern eine seltene, sinnliche Eleganz. Oder wie Sasha sagt: "Ich wollte einen französischen Sportwagen bauen."

Rücklichter wie zwei Strumpfnähte

Damit ist es raus, das Unmögliche: Sportwagen aus Frankreich. Mit Sportwagen aus Frankreich verhält es sich etwa so wie mit Witzen aus Deutschland oder Fleischgerichten aus England: Außerhalb ihrer Heimat ernten sie bestenfalls gequälte Lacher. Die Franzosen können Pasteten, gemütliche Vans und Formel-1-Rennwagen. Aber Sportautos? Frankreich kennt Tausende verrückte Rennveranstaltungen – von der Eisrallye bis zum Sandstrand-Motocross –, aber kaum Sportwagen. Sicher, es gab Delahaye, Facel Vega, CG, später die Alpine. Oder seit 1987 Venturi, die auch in Deutschland bekannt wurden für ausgezeichnete Fahrwerke und, sagen wir mal, eine gewisse Lässigkeit bei der Abwicklung von Kundenproblemen.

Rund 700 Venturi, meist zu Porsche-Preisen, wurden bis 1999 gebaut, ehe der Monegasse Gildo Pallanca Pastor letztes Jahr die wieder einmal maroden Reste der Firma kaufte und befand: "Wir machen Schluss mit den Ferrari aus Frankreich. Am handwerklichen Anspruch können wir uns nicht messen." Richtig, aber seine neue Idee klingt noch abenteuerlicher: einen kleinen, erschwinglichen Sportwagen zu bauen, einen "GT light", der für rund 35.000 Euro reines, unverfälschtes Fahrerlebnis verspricht. Mit Alurahmen, Mittelmotor, erprobter Serientechnik. Nicht so hart und eng wie eine Lotus Elise, sondern komfortabler, alltagstauglicher, sogar mit einem Kofferraum vorn unter der Haube. Einen Sportwagen, den man aus lauter Hingabe am liebsten abends mit ins Bett nehmen möchte. Deshalb Fétish. Für 35.000 Euro!

Gibt's doch, würden wir sagen. Audi TT. "Zu glatt, zu wenig Erlebnis", meint der 35-Jährige. Und gewann für das Design des Fétish einen wirklich verrückten Hund. Sasha Lakic hat schon Roller, Betten und Besteck entworfen, außerdem für Italiens Motorrad-Freaks die Bimota Mantra: ein rollender Hai auf zwei Rädern, der mit seinem Scheinwerfer-Maul die Straße schon im Stand verschlingt. Lakics Urteil: "Venturi hatte bisher einen schönen Namen, aber kein Gesicht."

Sportliches Treibhaus mit Flügeltüren

Venturi, dieser Name schlüpft so beiläufig ins Ohr, als gäbe es ihn seit Jahrhunderten. Stimmt auch, denn Giovanni Battista Venturi, geboren 1746, war der italienische Physiker, der den gleichnamigen Venturi-Effekt entdeckt hat, den Lotus später beim "Flügelboden" nutzte: Die Luft, die unterm Auto durchströmt, wird vom gebogenen Boden wie in einer Düse zusammengepresst – und das Auto an die Straße gesaugt. Venturi – was für ein Name für französische Sportwagen. Klingt so toll und selbstverständlich, dass niemand sich traute, es zuzugeben, wenn er ihn nicht kannte. Trotzdem ging "Voohntüriihh" pleite.

Beim Neustart bekam Sasha Lakic freie Hand. Nach nur 13 Wochen Bauzeit fährt der Fétish nun ein Gesicht spazieren, das für ganze Nachfolge-Generationen als Markenzeichen taugt. Die überdimensionale V-Nase schwebt wie ein rollendes Werbeposter über den Asphalt im Pariser Norden. Das Targadach aus Glas haben wir gleich abgenommen, die Hitze in dem sportlichen Treibhaus klettert nämlich atemberaubend die Hosenbeine hoch. Die Seitenfester reichen bis ins Dach, hinter uns röhrt der 180 PS starke Zweiliter aus dem Clio Williams durch ein Nichts von einer Rückwand.

Alles sehr echt, im Gegensatz zum Minimal-Tacho oder den Schmetterlings-Türen, die aufschwingen wie im Lamborghini Diablo. "Wir arbeiten an der Serienversion, die dann normal öffnet." Und vermutlich ein Blechdach bekommt. Und andere Leuchten und eine Haube aus Kunststoff statt aus Karbon. Zum Pariser Salon im September, bis zum Auto-Heimspiel der Franzosen, soll das Auto fertig sein, gemeinsam mit einer Sportversion für den geplanten Markenpokal.

Fahrgefühl und Technische Daten

Venturi Fétish
Hinter dem breiten Targabügel sitz der Zweiliter von Renault, der mit dem 850 Kilo leichtes Spiel hat.
Und wie fühlt sich ein französischer Sportwagen nun an? Zunächst einmal sehr englisch, denn die kleine Kanzel und das straffe Fahrwerk erinnern doch gewaltig an die Elise. Bis Sasha Lakic, der bei diesem Projekt weit mehr darstellt als nur den Designer, die Entwicklungs-Ziele skizziert: "Französisch wird der Sound des Motors, wird auch der Material-Mix aus Neopren, Alu und Leder. Und französisch wird unsere Fahrwerkabstimmung: eine Mischung aus dem Handling eines BMW M3 und dem motorradähnlichen Erlebnis eines Honda S 2000." Gibt es das, ein französisches Set-up? Ich dachte bislang, Asphalt sei international.

Am verlockendsten klingen jedenfalls die 35.000 Euro. "Wir verhandeln mit einer großen europäischen Marke, die möglichst weitgehend die Technik zuliefern soll", so Gildo Pastor. Kein Geheimnis, dass der Firmenchef zu Renault schielt, die gerade Pläne beerdigt haben, ihre Alpine wiederzubeleben. "Alpine ist ein alter, verbrauchter Name", meint er. "Venturi ist gerade 15 Jahre jung." Werbung à la France.

Wenn die Produktion steht, soll der Fétish in Kleinserie etwa 500-mal pro Jahr gebaut werden. Pastor: "Leistung und Qualität müssen stimmen, sonst fangen wir gar nicht erst an." Ist das nun Realitätssinn, mangelnder Fétishismus oder die Kunst, uns den Mund wässrig zu machen? Wie dem auch sei: Die trauen sich was, die Franzosen.

Technische Daten Reihen-Vierzylinder-Mittelmotor • vier Ventile pro Zylinder • Hubraum 1998 cm3 • Leistung 133 kW (180 PS) bei 6100/min • Hinterradantrieb • Fünfganggetriebe • Alu-Chassis • Einzelradaufhängung • innenbelüftete Scheibenbremsen • Länge/Breite/Höhe 3852/1793/1140 mm • Reifen 205/45 R 17 vorn, 225/40 R 18 hinten • Leergewicht 850 kg • Kofferraumvolumen 150 Liter • 0–100 km/h in 6,0 s • Spitze 225 km/h • Verbrauch 8,3 l Super • Preis 35.000 Euro