Was wäre wenn? Die Frage raubt Citroën-Managern den Schlaf – speziell dann, wenn sie an ihren ersten Berlingo von 1996 denken. Denn was wäre er heute, wenn er schon vor zwölf Jahren eine hintere Schiebetür gehabt hätte? Klare Antwort: sehr wahrscheinlich Marktführer im Segment der Kastenwagen. Stattdessen hatte das Nutzfahrzeug-Derivat Berlingo anfangs einen entscheidenden Makel: Zweite-Reihe-Passagiere mussten umständlich durch die Vordertüren nach hinten klettern. Kurz darauf kam der Kangoo vom Rivalen Renault – mit praktischer Schiebetür. Die Folge: Der Kangoo, nicht der Berlingo, wurde als Pionier der neuen Wagenklasse wahrgenommen. Und Renault räumte über die Jahre richtig ab. Heute haben beide Franzosen Schiebetüren rechts wie links. Und sie konkurrieren heftiger denn je um automobile Nomaden, die auf Reisen ihren halben Hausstand dabeihaben wollen.

Der größte Gepäck-Schluckspecht ist der Citroën

Citroën Berlingo
Doch der Kastenwagen-Kuchen ist kleiner geworden. Auch Skoda schickt inzwischen seinen Roomster in den Ring. Anders als Kangoo und Co ist er kein aufgewerteter Handwerker-Hobel, sondern ein Fabia mit geräumigem Ladeabteil. Darum kann er beim Raumangebot auch nicht mithalten. Sein Kofferraum ist deutlich kleiner als die Abteile der Wettbewerber, fasst aber mit 450 bis 1780 Liter noch genug für den großen Familienurlaub. Platzprimus ist der Berlingo: Er ist mit 4,38 Meter 17 Zentimeter länger als der Kangoo – und er schluckt bei Bedarf bis zu drei Kubikmeter Ladegut. Bravo: Beim Packen macht der Citroën Freude, denn seine Ladekante ist nur 54 Zentimeter hoch und der stufenfreie Kofferraum leicht zugänglich. Der Testwagen war mit dem Modularitäts-Paket (490 Euro) ausgerüstet. Praktisch dabei sind die riesige Ablagebox zwischen den Vordersitzen und vor allem die drei herausnehmbaren Einzelsitze im Fond.

Im Skoda findet man mehr Fahrspaß als Transporttalent

Skoda Roomster
Einen anderen Weg geht Renault. Im Kangoo sind die Fondsitze nicht demontierbar, sondern falten sich per Einhandbedienung spielerisch in den Boden. Das geht blitzschnell, kostet aber Ladevolumen. Und trotzdem packt der Kangoo im besten Fall noch 2688 Liter ein. Die markant geschwungene A-Säule gibt ihm eine hohe Stirn, und da er breiter ist als die Rivalen, vermittelt er ein luftigeres Raumgefühl. Zumindest auf den vorderen Sitzen bietet er auch tatsächlich mehr Platz für Arme und Beine. Doch zwischen Renault und Citroën liegen hier nur Nuancen. Spürbar enger ist es im Skoda – aber nie unangenehm. Sein Cockpit ist für den Fahrer besser erreichbar, zudem bietet der Skoda die entspanntere Sitzposition. Im Roomster sind die Schenkelauflagen aller fünf Sitze länger, Passagiere werden nicht in die aufrechte Küchentisch-Position wie in den Franzosen gezwungen – das ist ein klares Plus auf Langstrecken. Genau genommen ist der Roomster ein Fabia Combi XXL. Er hat Klapp- statt Schiebetüren, sieht extravagant aus, ist jedoch nicht als Packesel geeignet. Hinter den Rücksitzen hat er über 200 Liter weniger Mindest-Stauvolumen sowie eine geringere Zuladung als die Kastenwagen-Konkurrenz. Zudem erschwert die 65 Zentimeter hohe Ladekante das Verstauen schwerer Gegenstände.
Alle drei Testkandidaten treten mit 1,6-Liter-16V-Motor und Fünfganggetriebe an. Erneut zeigen sich nur geringe Unterschiede zwischen Berlingo (109 PS) und Kangoo (106 PS). Beide enttäuschen mit schwammiger Lenkung und ungenauen Schaltwegen – als ob Fahrspaß bei preisgünstigen Familienautos keine Rolle spielen müsste. Immerhin, im unteren Drehzahlbereich hängt der Renault besser am Gas. 100 Kilogramm weniger Gewicht lassen ihn leichter auf Tempo kommen. Der wahre Tempomacher heißt aber Skoda: Er spurtet besser und ist schneller, obwohl er die geringste PS-Leistung aufbietet. Stattdessen ist er kürzer übersetzt, außerdem flacher, schmaler und leichter als seine wuchtigen Wettbewerber – auf der linken Spur hängt sie der Roomster mit 184 km/h Spitze ab. Aber nicht nur bei der Fahrdynamik kann der Tschechen-Transporter punkten. Wichtiger ist, dass der Roomster-Antrieb effizienter arbeitet. Der Vierzylinder verbraucht locker einen halben Liter weniger Sprit auf 100 Kilometer: Mit 7,7 Liter Testverbrauch verschafft er sich einen kleinen Kosten-Vorteil.

ESP ist eine dringende Empfehlung für den Renault Kangoo

Renault Kangoo
Franzosen mögen es komfortabel. Das ist ein Vorurteil aus Opas Zeiten, aber Berlingo und Kangoo bestätigen es noch heute. Schlechte Straßen verarbeiten ihre Fahrwerke elegant, nur tiefe Schlaglöcher verursachen hier und da ein Poltern von der Hinterachse. Lange Bodenwellen mögen sie nicht. Hier tauchen beide tief ein und federn nach. Ihr hoher Aufbau wird schaukelig. Keine gute Angewohnheit. Besonders dann nicht, wenn auch noch ein schnelles Ausweichmanöver nötig werden sollte. Der Citroën bekämpft die Instabilität mit seinem Serien-ESP. Der elektronische Rettungsring sollte in dieser Wagenklasse selbstverständlich sein. Ist er aber nicht, wie uns Renault zeigt. Renault verweigert uns ein Serien-ESP für den Kangoo und verlangt unverständlicherweise 300 Euro Aufpreis. Um es klar zu sagen: Dieses Auto sollte ESP haben. Und zwar aufpreisfrei und in jeder Ausführung. Skoda lässt hier keine Irritationen aufkommen und zeigt sich spendabel. Obwohl der Roomster stabil auf der Straße liegt, gehört ESP zur Grundausstattung des 105-PS-Modells – sicher ist sicher. Der Ost-Wagen federt straffer, lenkt viel direkter ein und fährt sich deshalb besser als die beiden Franzosen.
Der Kangoo kostet am wenigsten, verspielt seinen Vorsprung aber durch den höheren Verbrauch und verliert diesen Vergleich unterm Strich deutlich. Berlingo-Kunden zahlen bei der Anschaffung am meisten, bekommen dafür den größten und variabelsten Transporter. Sieger wird der Skoda. Für einen fairen Preis gibt es das fahraktivste und qualitativ ausgereifteste Auto mit der besten Sicherheitsausstattung. Nur wenn es darum geht, Kühlschränke oder umfangreiches Sportgepäck an Bord zu nehmen, hat er gegen die Maxi-Packesel aus Frankreich keine Chance.

Das Fazit von AUTO BILD-Redakteur Jörg Maltzan

Drei tolle Kisten: Was früher der R4 war, gibt es heute von nahezu jedem Hersteller. Die Kastenwagen von Citroën, Renault und Skoda erledigen die Herausforderungen des Alltags perfekt und ohne großes Brimborium. Der Berlingo schleppt am meisten weg, der Kangoo versprüht den Charme der Studentenbude, der Roomster macht auf Lifestyle. Dass der Tscheche am besten fährt, lässt ihn nur sympathischer wirken.