Wer macht das Rennen?

Als der Golf 1974 auf den Markt kam, gab es den rechten Außenspiegel nur gegen Aufpreis. 19 Mark kostete er. Heute sind diese Spiegel selbstverständlich. Manche sind sogar kleine technische Wunderwerke. So beim neuen Peugeot 307. Sobald wir den Franzosen abschließen, machen sich die Spiegel klein, klappen automatisch an die Türen. Das schützt sie vor Beschädigung und schafft wertvollen Raum beim Engparken. Zum Start fahren die Spiegel wieder nach außen - nur eines von vielen Beispielen, wie sich die Kompaktwagen in 27 Jahren entwickelt haben. Rasanter und spannender als manch Krimi.

Hier in dieser Klasse wird wohl am härtesten gefochten; denn hier geht es darum, maximale Qualität zu möglichst kleinen Preisen herzustellen. Stets im Fadenkreuz: der Bestseller Golf. Nicht zuletzt er gab der Kompaktklasse (s)einen landläufigen Namen: Golfklasse.

Heute treten gleich drei harte Burschen gegen ihn an: der frisch herausgeputzte Ford Focus sowie die Herbst-Neuheiten Peugeot 307 und Fiat Stilo. Vom Charakter und Auftritt her höchst unterschiedliche Autos. Ihr gemeinsamer Nenner: Es sind alles Dreitürer, und alle fahren mit einem Spar-Diesel. Eine echte Nagelprobe also.

Fiat Stilo 1.9 JTD

Seinem Namen macht der Stilo alle Ehre. Ich finde: ein wahrlich stilvoller Italo-Golf. Frisch und modern, aber nicht so gewöhnungsbedürftig wie das New-Edge-Design, mit dem der Focus 1998 die Autowelt erschreckte. Mediterrane Leichtigkeit paarte Fiats deutscher Chefdesigner Peter Fassbender mit teutonischer Sachlichkeit. Die kantigen Kotflügel vorn erinnern mich ein wenig an Audis A6, was sicher kein Nachteil ist. Das Heck zeigt formale Eigenständigkeit und wirkt wuchtiger, als es ist.

Weniger gefällt, was wir auf den zweiten Blick sehen: Türen und Hauben unsauber eingepasst, Mitteltunnel und Verkleidungen der Dachholme bestehen aus einfachem Plastik. Dazu rutscht bei jedem Bremsmanöver ein Kabelbündel unter dem Fahrersitz hervor. Nachlässige Verarbeitung als Quittung für den Knallerpreis von 33.151 Mark?Ohne Kritik dagegen: das sachliche Cockpit mit gut ablesbaren Instrumenten und leicht erreichbaren Schaltern. Das Lenkrad lässt sich in Höhe und Reichweite, der Fahrersitz in der Höhe verstellen. So findet hier fast jeder Fahrer seine optimale Sitzposition.

Hinten geht es ungemütlicher zu. Man sitzt leicht gebeugt, es fehlt an Kopffreiheit, eine Polsterkante in der Sitzlehne drückt spürbar gegen die Schultern. Da rutschen wir doch lieber wieder auf die Vordersitze, zumal vorn keiner mehr Platz bietet als der Stilo. Hier hat dieser kompakte Fiat nahezu Mittelklasse-Format. Dennoch: Für Reisen im großen Stil eignet sich der Stilo weniger. Das Gepäckabteil fasst 305 Liter - na ja -, und die Zuladung darf 400 Kilo nicht überschreiten. Das ist der niedrigste Wert im Vergleich.

Für Begeisterung sorgt das gutmütige Fahrverhalten auch in heiklen Situationen. Das serienmäßige elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) setzt behutsam ein, erlaubt sanfte Lastwechsel. Für die indirekte, gefühllose Lenkung, die weiche, unharmonische Federung und die hakelige Schaltung kann ich mich jedoch nicht erwärmen. Für den Motor dagegen schon. Mit seinen 115 PS steht der Common-Rail-Diesel gut im Futter. Er reagiert prompt aufs Gas, klingt kernig, fast schon sportlich - und setzt ab 1600/min seine 115 PS effektiv um. Verbrauch: 6,3 Liter Diesel.

Ford Focus TDCi

Der frisch renovierte Focus vermittelt deutlich weniger zwiespältige Gefühle. Gesamteindruck: ein rundum ausgereiftes Auto. Das jetzt endlich auch einen modernen Common-Rail-Diesel unter der Haube hat. TDCi heißt die Eigenentwicklung, besitzt 1,8 Liter Hubraum und leistet ebenfalls 115 PS. Damit tritt der Focus jedoch viel munterer auf als alle Mitstreiter. Ab 1700 Touren gibt es kein Halten mehr. Bereitwillig dreht die Maschine hoch, fasziniert mit enormem Antritt aus mittleren Drehzahlen. Also genau da, wo Kraft gewünscht wird: beim Überholen, auf der Autobahn. Das Ganze stets leichtfüßig, fast schon spielerisch. Passend dazu das gut abgestimmte Getriebe und die exakte Schaltung. Keine zwei Meinungen: Der Focus ist der Sportlichste in diesem Quartett.

Seine beim Rangieren eher schwergängige Lenkung ist direkt und zielgenau. Rückmeldungen von der Straße kommen prompt und präzise. So wieselt der Focus behände durch jede Kurve. ESP? Nicht lieferbar, aber ich vermisse es auch nicht.

Kleinigkeiten sind es, die stören: das geringe Platzangebot vorn, die eingeschränkte Kopffreiheit hinten, der kleine Kofferraum. Kleinigkeiten auch nur beim Facelift: neue Sitzbezüge, dezent modifizierter Bug, andere Blinker. Kaum der Rede wert, doch es reicht, den Focus jünger wirken zu lassen.

VW Golf TDI, Peugeot 307 HDi

Solch ein Facelift würde auch dem Golf gut zu Gesicht stehen. Oder haben wir uns an ihm einfach nur satt gesehen? Die Karosserie? Okay, klassisch. Der Armaturenträger: Willkommen zu Hause! Die Bedienung beherrschen wir im Schlaf. Dem Fahrwerk mit ESP vertrauen wir wie unserem besten Freund. Das können wir auch. Ein Golf meistert die meisten Kurven, als ob es sie gar nicht gäbe. Die unspektakulären Dinge sind es, die die Klasse des Golf ausmachen: Platz, bequeme Sitze, hochwertiges Material, gute Verarbeitung, ein elastischer, sparsamer (6,0 Liter) TDI. Alles schön und gut, aber der Kick, die Emotionen fehlen.

Der 307 von Peugeot hat reichlich davon. Er besitzt dieses gewisse Etwas. Leuchten und Lufteinlass am Bug scheinen ein Lächeln auf die Karosserie zu zaubern. Eine üppige Ausstattung und pfiffige Ideen wie Schubladen unter den Vordersitzen oder das Brillenfach unterm Dach erzeugen Sympathie und schaffen Wohlfühlatmosphäre. Ebenso die erstklassigen Sportsitze (Peugeot konnte uns nur die teure Sport-Version liefern).

Die leicht erhöhte Sitzposition vermittelt ein Fahrgefühl fast wie in einem Van. Im Vergleich zur Konkurrenz hat der 307 auch nahezu Van-Ausmaße. Vom Platz profitieren vor allem die Fond-Passagiere. Hinterm Steuer beeindruckt mich das Top-Fahrwerk, das die Franzosen ihrem 307 verpasst haben. Die beste Lenkung, sicheres Fahrverhalten, hoher Komfort trotz straffer Federung: Voilà, das gefällt. Der HDi-Diesel ist mit seinen nominellen 107 PS allerdings etwas müde und hat mit sieben Litern den größten Durst. Dafür ist er der Leisetreter in diesem Test, und nur bei ihm wird das Abgas durch einen Rußfilter geschickt.

Peugeot, der flüsternde Riese, ist am Ende die neue Größe unter den kompakten Dieseln. Ein super Einstand und eine Überraschung. Das einzig wirklich große Manko unseres Testwagens, 307 HDi mit Sport-Ausstattung, ist sein Preis: 41.855 Mark. Plus 117 Mark für die klappbaren Außenspiegel.

Fazit und Zeugnis

Fazit Ein Vergleich, der Gänsehaut verursacht. So eng und spannend geht es bei den Kompakten zu. Da können sich schnell Rangfolgen ändern. Hatte beim AUTO BILD-Supertest der Ford Focus noch die Nase vorn, werden die Plätze beim Vergleich der kompakten Diesel neu verteilt. Der neue 307 HDi ist ein rundum gelungenes Auto. Ein flüsternder Riese, der auf Anhieb an die Spitze fährt. Trotz des hohen Preises der getesten Sport-Version. Der Golf TDI kann fast alles genauso gut, ist eben ein verlässlicher Partner. Nur hat er jetzt löwenstarke Konkurrenz bekommen. Und auch der Focus fährt ihm mit seinem famosen Diesel gefährlich dicht ans Blech. Und der Newcomer Stilo? In diesem starken Feld bleibt ihm nur der vierte Platz. Was über seine Qualitäten hinwegtäuscht. Denn er ist der beste Fiat aller Zeiten und in puncto Preiswürdigkeit absolut unschlagbar.

Preise Fiat Silo JTD 16.950 Euro, VW Golf 1.9 TDI 17.725 Euro, Ford Focus TDCi 18.900 Euro, Peugeot 307 HDI 21.400 Euro.

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