Große IAA-Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Hören wir seit Jahren, stimmt nur manchmal. Aber in diesem Fall könnte der Satz nicht besser passen. Im hellen Rampenlicht strahlt der neue Audi A4 so intensiv und prägnant, dass er die deutsche Premium-Konkurrenz buchstäblich in den Schatten zu stellen droht. 3er-BMW und Mercedes C-Klasse dürfen sich schon mal warm anziehen. Denn hier kommt Germany's next Top-Model. Audi hat so große Erwartungen an sein Show-Talent, dass die Verantwortlichen sein Messe- debüt in Frankfurt kaum abwarten können. Applaus ist garantiert. Für die ehrgeizigen Bayern ist der A4 nicht irgendeine Neuheit. Auf der IAA präsentieren sie ihr wichtigstes Auto überhaupt. Er ist das Volumenmodell, der Umsatzbringer, der all die anderen Audi-Schönheiten erst finanzierbar macht. Exklusiv für AUTO BILD rollte der Stufenheck-Star vorab ins Fotostudio und präsentierte sich ausgiebig von allen Seiten. Ein rundum großer Auftritt. Auch das ist wörtlich gemeint: Der A4 ist über 4,70 Meter lang und überragt damit seine Gegner deutlich. Gleiches gilt für den gewachsenen Radstand. 2808 Millimeter sind ab sofort das Maximalmaß im Segment der edlen Mittelklasse.

Das Design

Limousine mit Star-Allüren: Der A4 legt einen souveränen Auftritt hin.
Limousine mit Star-Allüren: Der A4 legt einen souveränen Auftritt hin.
Unsere Autos werden immer größer, das muss kein Grund zur Freude sein. Doch der neue A4 gewinnt so viel Eleganz, dass sein Vorgänger im Vergleich dazu pummelig wirkt. Vorn und hinten ähnelt der A4 stark dem A5. Obwohl die Limousine in der Audi-Hierachie niedriger steht, hat sie den gleichen Gesichtsausdruck wie das teurere Coupé. "Um die Fronthaube möglichst flach nach vorn zu strecken, hat VW-Konzernboss Martin Winterkorn mit den Motorenbauern um jeden Millimeter gerungen", berichten Insider. Sogar Änderungen an den Zylinderköpfen soll es gegeben haben, damit Designchef Walter de'Silva seine Stilvorstellungen umsetzen konnte. Trotz erhöhter Anforderungen an den Fußgängerschutz ist der neue A4 eine sehr elegante Limousine geworden. De'Silva verzichtete auf Extreme, historische Zitate oder andere kurzlebige Effekte. Stattdessen trägt der A4 ein schnörkelloses Blechkleid. Zwei fein eingeprägte Sicken betonen die Seiten. Statt Griffschalen öffnen die Türen jetzt kräftige Bügel. Am Heck setzen zweiteilige, nach innen scharf zugeschnittene Rückleuchten die Akzente. Schade nur, dass Audi hier konventionelle Blinker-Glühlampen bevorzugt statt wie in den Seitenspiegeln LED-Technik zu verbauen – ein kleiner Schönheitsfehler.
Stimmige Erscheinung: Der neue A4 wirkt konservativ und modern zugleich.
Stimmige Erscheinung: Der neue A4 wirkt konservativ und modern zugleich.
Temperamentvoller und kontrastreicher wirkt die Front des neuen A4. Vor allem am Grill haben Audis Designer ihren Talenten freien Lauf gelassen. Als hätten sie die Kühlermaske mit Botox aufgespritzt, grinst aus dem A4-Gesicht die gestraffte Gittermimik mit den vier Ringen als zentralem Element. Die dekorative Behandlung betont die Wagenfront für manche Betrachter zu sehr, Freunden des feinsinnigen Stils mag sie daher aggressiv vorkommen. Unter den Raubtrier-Augen sitzen kräftige Wangenknochen. Was nach Lufteinlässen aussieht, sind Attrappen aus schwarzem Kunststoff. Kurz über der Fahrbahn schiebt der A4 zwei markante Spoilerlippen wie ein spitzes Kinn nach vorn. Verstärkt wird dieser angriffslustige Eindruck, wenn sich der A4-Käufer die optionalen Xenon-Plus-Scheinwerfer wünscht. Dann funkeln links und rechts je 14 Leuchtdioden – sie verleihen dem Audi einen derart stechenden Blick, dass sich A4-Fahrer über mangelndes Überholprestige nicht sorgen müssen. Aber Deutschlands neues Top-Model hat natürlich Manieren – und die beiden schwungvollen LED-Bänder dienen als Tagfahrlicht offiziell natürlich nur der Sicherheit.

Der Innenraum

Hinterm Lenkrad stellt sich sofort das modelltypische Gefühl von Geborgenheit ein, das auch der noch aktuelle A4 mit seiner hohen Schulterlinie bietet. Das Raumgefühl des Neuen ist luxuriös, die Übersicht ist gut. Sehr groß gewachsene Fahrer werden sich über den extrem großen Verstellbereich der Sitze freuen: Hier findet jeder zu einer bequemen Sitzposition. Wie bei der Karosseriegestaltung haben die Designer auch beim Interieurkonzept nicht auf radikale Brüche gesetzt. Im Gegenteil: Sitze, Instrumente und Bedienelemente unterzogen sie einer behutsamen Weiterentwicklung. Die kleinen Instrumente für Tankinhalt und Wassertemperatur sind nicht mehr kreisrund gestaltet, sitzen aber wie bisher neben Tachometer und Drehzahlmesser. Statt eines mechanischen Handbremshebels haben alle A4 eine elektrische Feststellbremse. Das schafft Platz für den MMI-Drehschalter, der nun griffgünstiger auf dem Mitteltunnel hinter dem Schaltknauf liegt, sofern das Auto mit Navigationsgerät bestellt wird. Flankiert wird der MMI-Knopf von einem satt klackenden Schalter-Ensemble. Die typischen Audi-Tasten tragen neuerdings eine leichte Außenwölbung, um das Auffinden im Dunkeln zu erleichtern.
Viel besser geht es nicht: Das Cockpit besticht mit nahezu perfekter Ergonomie.
Viel besser geht es nicht: Das Cockpit besticht mit nahezu perfekter Ergonomie.
Schon in Basisversion hat der A4 einen 6,5 Zoll großen Bildschirm, der gut im Blickfeld liegt und Radio-, Klima- sowie Fahrzeugeinstellungen anzeigt. Wer mehr will, kann aufrüsten bis hin zur DVD-Farbnavigation, TV- und sogar Digitalradioempfang. Bei den Audioanlagen reicht die Palette von serienmäßigem CD-Radio und gipfelt bei der 180-Watt-Bang & Olufsen-Anlage mit zehn Lautsprechern, die das bisherige Soundsystem von Bose ersetzt. Und hinten? Auch hier zeigt der A4 mehr Format als der Vorgänger. Selbst Basketballer dürften keine Probleme haben, ihre Schuhe in den üppigen Fußraum einzufädeln. Die erste Sitzprobe beweist: Beim Platzangebot im Fond liegt der A4 über C-Klasse-Niveau und ist mindestens dem 3er-BMW ebenbürtig. Beim Kofferraumvolumen setzt er mit 480 Liter Inhalt den neuen Bestwert. All das verschafft dem A4 schon im Stand beachtliche Vorteile. Die will Audi auch durch einen verbesserten Antrieb und ein optimiertes Fahrwerk unterstreichen. Darum trumpft der neue Volumentyp mit Komponenten auf, die ihm seinen Vorsprung durch Technik sichern sollen.

Antrieb und Fahrwerk

Basis: Einstiegs-Benziner ist der 1.8 TFSI mit 160 PS.
Basis: Einstiegs-Benziner ist der 1.8 TFSI mit 160 PS.
Im November startet der A4 mit fünf Motoren. Fast alle Aggregate werden von Turbos aufgeladen. Neu ist der Basismotor 1.8 TFSI mit 160 PS. Stärker und zugleich sparsamer wird der 3.2 FSI. Er hat jetzt 265 PS (plus zehn PS), verbraucht aber gut einen Liter weniger als im bisherigen A4. Grund dafür ist auch die variable Einlasssteuerung namens Valvelift. Top-Diesel bleibt der 3.0-V6-TDI, der von 232 auf 240 PS erstarkt. Ebenso gewinnt der 2,7-Liter-V6-Selbstzünder an Leistung (190 statt 180 PS). Völlig neu ist der 2.0 TDI. Statt der rauen Pumpedüse-Technik kommt ein Common-Rail-System mit 1800 Bar Einspritzdruck und Piezo-Injektoren zum Einsatz. Beim angestrebten Durchschnittsverbrauch von 5,5 Liter pro 100 Kilometer soll der A4 mit einer Tankfüllung von Hamburg nach Mailand kommen. Aber ob das heute reicht? Ein einziges Sparmodel in der A4-Palette, das zudem weder beim Verbrauch noch beim CO2-Ausstoß Maßstäbe setzt? Zwar erfüllt der 2.0 TDI wie die anderen A4 die künftige Euro-5-Norm, doch wegweisende Umwelt-und-Spartechniken hat er nicht zu bieten. Kein Start-Stopp-System wie BMW. Keinen Stickoxid-Speicherkat wie Toyota und Mercedes. Und auch keinen Hybridantrieb wie bei den Japanern. Dafür gleich drei dicke Sechszylinder, die in der Praxis eher über als unter der Zehn-Liter-Grenze liegen werden.
Immerhin: 2008 schiebt Audi einen 3.0 TDI nach, der als "sauberster Diesel der Welt" mit Harnstoff-Beigabe schon die künftige EU-6-Norm erfüllen soll. Dringend nötig ist es allemal. Denn größtmögliche Sportlichkeit kann heute nicht mehr das alleinige Verkaufsargument sein. Doch bei Audi liegen die Prioritäten offenbar woanders – vorerst. Nicht als Sparmeister soll der A4 zunächst prunken, sondern vor allem als Sportkanone. In der 26-seitigen Pressemappe taucht die Vokabel "Sportlich" gleich 34-mal auf, gefolgt von "Dynamisch" mit 24 Nennungen. "Der A4 ist die sportlichste Limousine der Mittelklasse", behauptet Audi selbstbewusst. Tatsächlich bringt er konstruktive Änderungen mit, die seine Fahrdynamik verbessern dürften. So wurde die Vorderachse um 15,4 Zentimeter nach vorn verlegt und die Batterie wanderte in den Kofferraum. Außerdem tauschte das Differenzial seinen Platz mit der Kupplung, und das Lenkgetriebe sitzt tiefer als vorher. Dadurch sinkt der Schwerpunkt, und die Spurpräzision wird besser. Besonders auf die neue Lenkung sind die Audi-Ingenieure stolz. Denn neben adaptiver Dämpferregelung gibt es eine Dynamiklenkung mit Korrektureingriff übers ESP.
Auf Wunsch offeriert Audi eine umfangreiche Vernetzung der Komponenten. Das System nennt sich "Audi Drive Select" und bietet per Tastendruck in der Mittelkonsole drei Grundeinstellungen: comfort, auto und dynamic. Je nach gewähltem Modus beeinflusst die Elektronik Gasannahme, Tiptronic-Schaltpunkte, Lenkübersetzung, Servounterstützung sowie die elektronisch gesteuerten Dämpfer. Damit nicht genug: Denn zu den drei Basisfunktionen gibt es den ans MMI gekoppelten Individual-Modus. Über diesen sind bis zu 24 Einstellkombinationen für die Fahrdynamik wählbar. Da wird die persönliche Feinabstimmung zur Wissenschaft – hoffentlich steigt der Normalverbraucher da noch durch. Zunächst wird "Drive Select" nur komplett angeboten. Kostenpunkt: etwa 2500 Euro. Später sollen auch einzelne Komponenten wie die Dämpferregelung erhältlich sein. Sofort bestellbar sind gleich mehrere Assistenzsysteme, die der A4 von A8 und Q7 übernimmt. Neben kameragestützter Spurüberwachung (Lane Assist), dem Toter-Winkel-Radarwarner (Side Assist) und adaptivem Tempomat (Adaptive Cruise Control) gibt es auch eine Rückfahrkamera als Einparkhilfe. Aber zuerst wird der A4 selbst im Fokus der Kameras stehen – auf der IAA. Dass er zu einem Messehit wird, steht auch deshalb fest, weil der Neue billiger sein soll als C-Klasse und 3er. Mit einem Einstiegspreis von 26.000 Euro liegt er mindestens 1000 Euro unter der Konkurrenz. Kein Zweifel: Seine Karriere startet vielversprechend.

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Jörg Maltzan

Da kommt Großes auf uns zu. Der neue A4 ist vor allem im Fond spürbar geräumiger als sein Vorgänger. Hinterm Lenkrad gewinnt er an technischer Finesse und Qualität. Und auch beim Antrieb kündigt Audi Fortschritte an – vor allem in puncto Verbrauch und Fahrdynamik. Wenn der A4 in Bewegung hält, was er im Stand verspricht, werden es BMW und Mercedes schwer haben. Sehr schwer.