Mode-Mobil gegen Vernunft-Vehikel

Er kam spät, sah und siegte gegen alle Gegner: Der VW Touran verkauft sich wie von selbst, steht unangefochten an der Spitze eines überaus erfolgreichen Fahrzeugsegments: der Vans. Krise hin, Sparwut her – diese Klasse wuchs allein im vorigen Jahr um satte 22 Prozent. In Zeiten von Hartz IV und Praxisgebühr parken Mode-Mobile eher auf dem Standstreifen, während Vernunft-Vehikel forsch beschleunigen.

Und nun macht VW sich selbst Konkurrenz. Holt den Caddy aus der Handwerker-Ecke und bürstet ihn mit dem Zusatz "Life" auf Trend-Van. Jetzt serienmäßig: zweite Sitzreihe mit eigenen Luftausströmern, elektrische Fensterheber vorn, Nebelscheinwerfer und Funk-Zentralverriegelung. So steht der Caddy Life 1.9 TDI (18.693,40 Euro) auf einmal als Auto beim Händler, das knapp 3300 Euro preiswerter ist als ein Touran (21.990 Euro; 1.9 TDI Conceptline). Für eine junge Familie sehr viel Geld. Gegen Aufpreis gibt es im Caddy sogar sieben Sitze, Tempomat, ESP, Klimaanlage und Sitzheizung.

Mit Klempners Kastenwagen hat das dann nicht mehr viel zu tun. Zudem sind beide technisch nahezu gleich (Basis Golf V) und zeigen bis zum mittleren Dachpfosten optisch keine großen Unterschiede. Ist da nun "Bruder Billig" etwa "Bruder Besser"?

Hartplastik contra Materialmix

Der erste Blick macht deutlich: Der Touran wirkt wertiger und glänzt mit lackierten Stoßfängern, wo der Caddy großflächig grauen Kunststoff trägt. Was ihn zwar deutlich in Richtung Kleinlaster rückt, aber nicht nur für die Einpark-Psychologie ein echter Vorteil ist. Zusammen mit dunkel getönten hinteren Scheiben (191 Euro Aufpreis) verleihen sie dem Caddy robust-jugendlichen Charme, der sparbewußte Käufer anspricht.

Selbst im dichten Berufsverkehr wirkt der Caddy immer ein wenig, als sei er gerade auf dem Weg zum Strand oder zur nächsten Mountainbike-Tour. Dazu passen die praktischen Schiebetüren. Nicht nur in Parklücken ein wahrer Segen: Da ist keine Lücke zu schmal, Aus- und Einsteigen gelingt immer spielend. Allerdings müssen sich Fondpassagiere mit hakeligen Schiebefensterchen begnügen, die sich zudem in unserem Testwagen als nicht ganz waschstraßendicht erwiesen.

Im Cockpit gleichen beide einander nur auf den ersten Blick wie Zwillinge. Den Caddy beherrscht schmutzfestes Hartplastik-Einerlei. Es wirkt so derb, als könne es notfalls auch einem Hochdruckreiniger standhalten. Reichlich unverkleidetes Blech und gepreßte Pappe erinnern an die Handwerker-Herkunft. Der Touran schmeichelt dagegen mit feinerem Materialmix, gediegenen Konsolen und Ausströmern und schützt mit zwei zusätzlichen Windowbags. Trotz gleicher Armaturen wirkt er hochwertiger und limousinenhafter – was allein die Materialanmutung nicht alles bewirken kann!

Variabilität oder Raumgewinn

Geht es um die Praxistauglichkeit, glänzen beide Autos mit Ablagen und Staufächern. Im Touran sind sie konsequent abgedeckt. Der Caddy gleicht eher einer Handwerkerhose, bietet großdimensionierte Fächer und Ablagen. Die Krönung: seine breite Dachgalerie über der Windschutzscheibe. Sie schluckt auch Aktentaschen und zeigt die Vorzüge des Caddy auf einen Blick: Der 20 Zentimeter höhere Kasten bietet 937 Liter mehr Kofferraum. Für Sperriges wie Möbel entscheidender Raumgewinn.

Dafür ist das Gestühl bei weitem nicht so variabel wie im Touran. Seine straffe Rückbank läßt sich klappen und nach vorn kippen, ist ansonsten aber nicht weiter verstellbar. Der Touran dagegen gleicht seine deutlichen Raumnachteile mit einem Feuerwerk an Variabilität aus: Drei komfortable Einzelsitze laden zum fröhlichen Stühlerücken, lassen sich verschieben, klappen, zum Tisch umbauen oder gar ganz entfernen (Mittelsitz).

Wer noch mehr Plätze braucht: Sitzreihe drei kostet in beiden Aufpreis. Im Touran (650 Euro) ist aber auch gleich ein kleiner Zaubertrick mit drin. Denn mit nur einem Griff verschwinden die hinteren Plätze spurlos im Wagenboden, so daß eine ebene Ladefläche entsteht. Die sperrige Sitzbank des Caddy (534 Euro) hingegen verbarrikadiert den Laderaum empfindlich und ist von einer Person allein kaum auszubauen. Dafür sitzt man auf ihr etwas besser.

Technische Daten und Testwerte

Doch trotz der dritten Sitzreihe sind beide keine vollwertigen Siebensitzer – eher 5+2-Sitzer. Erwachsenen jedenfalls sei ganz hinten höchstens Nahverkehr angeraten. Und bei stehender dritter Sitzreihe bleibt von den Kofferräumen nicht viel übrig. Allenfalls leichtes Gepäck läßt sich dann noch hinter die Heckklappen quetschen. Für den Caddy auch gut so. Denn bei höherer Beladung stößt die blattgefederte Starrachse hinten an ihre Grenzen: Das Heck bricht bei Lastwechseln leichter aus, spätestens bei Ausweichmanövern ist ESP (389 Euro Aufpreis) dringend geboten.

Im Alltag allerdings schlägt sich der Caddy gegen die moderne Vierlenker-Hinterachse des Touran überraschend gut. Zwar straff, aber nicht unkomfortabel abgestimmt, schluckt die Billig-Technik Unebenheiten kaum schlechter. Auch Fahrleistungen und Elastizität des höher bauenden Caddy bleiben nur wenig hinter denen des Touran zurück, beim Verbrauch liegen beide praktisch gleich auf.

Am Ende verliert der Caddy das Duell nach Punkten. Das liegt vor allem an den schlechteren Bremswerten, den fehlenden Windowbags und dem nur gegen Aufpreis erhältlichen ESP. Wer auf Perfektion und wohnliches Interieur in einem Raum-Riesen verzichten kann, sollte trotzdem den Caddy nehmen. Denn der hat ganz schön was auf dem Kasten.

Fazit und Wertung

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Henrik Fels Der Caddy macht nichts wirklich schlechter als der Touran. Neben dem Preisvorteil bietet er zwei praktische Schiebetüren und mehr Platz auf der Rückbank. Wer auf etwas Komfort und schönere Verpackung verzichten kann, fährt mit dem knuffigen Caddy genauso gut.

Sicher, bei höheren Drehzahlen dröhnt der spartanisch verkleidete Kasten, und die sperrige dritte Sitzreihe blockiert den Kofferraum. Wer nicht ständig sieben Plätze braucht, kann die Bank so lange in der Garage parken. Im teuren Bruder liegt die dritte Sitzreihe unten im lobenswerten Zauberversteck. Typisch Touran: Er wirkt eine Spur feiner, perfekter, hochwertiger. Limousinen-Flair steht gegen den rauhen Transporter-Charme. Nur, macht das alles 3830 Euro aus? Das muß jeder für sich entscheiden.

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