Schon in der Grundschule wurde mir klar: Leistung ist etwas erstaunlich Relatives. Mein Lehrer und ich hatten über meine schulische Performance jedenfalls sehr oft sehr unterschiedliche Auffassungen. Und selbst bei Autos, wo sich die Leistung ja exakt messen und in Kilowatt oder PS angeben lässt, handelt es sich keineswegs um eine absolute Angabe. Auch hier spielen viele Faktoren eine Rolle. So waren die 105 PS des Manta GT/E 1974 richtig rasant, doch heute gilt eine gerade so eben dreistellige PS-Zahl vielen schon als unterer Grenzbereich der Mobilität. Eine klare Fehleinschätzung – das legen jedenfalls unsere drei kompakten Test-Kandidaten nahe.

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Video: Ford Focus, BMW 114i, VW Golf

Bärenstarke 100 PS-Klasse

BMW 114i, Ford Focus 1.0 EcoBoost und Golf 1.2 TSI bieten zwischen 100 und 105 PS – und alle drei kommen damit bestens aus. Wer in der 100-PS-Klasse der wahre Leistungsträger ist, klärt dieser Vergleich. Wirklich sportlich geht keiner der drei Kompakten diesen Test an. Doch wozu auch? Junge Familien mit begrenztem Budget schätzen ganz andere Dinge. Zum Beispiel den erstaunlich geschmeidigen und für einen Dreizylinder bemerkenswert laufruhigen Einliter-Turbomotor des Focus. Okay, in der kleinsten Ausbaustufe müssen 100 PS reichen. Und damit lassen sich ganz sicher keine Rekorde aufstellen – im Sprint sieht der Ford von seinen Mitstreitern nur die Rücklichter und braucht 12,7 Sekunden bis Tempo 100. Doch dafür gefallen die gleichmäßige, nur im Drehzahlkeller etwas verzögerte Leistungsabgabe sowie das feine Turbinen-Summen des Einliter-Motörchens. Natürlich hätte Papi lieber die Variante mit 125 PS – doch die kostet auch einen Tausender mehr. Und den investiert Mama lieber ins Business-Paket (Navi, Parkpiepser hinten, Handyvorbereitung inklusive Bluetooth, Sprachsteuerung, USB-/Aux-Anschluss, Notrufassistent für 1130 Euro).

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BMW 1er
Bayerisches Schwergewicht: Der kleinste BMW 1er schleppt satte 1386 Kilo mit sich herum.
Außerdem empfiehlt sich der Focus, dem hier als Einzigem fünf Gänge reichen müssen, mit 6,3 l/100 km als bester Kostverwerter – der Golf braucht 0,2 Liter, der 1er 0,4 Liter mehr. Was Mutti dann schon wieder vielsagend nicken lässt. Im kleinsten 1er herrscht dann interfamiliäre Einigkeit: Viel BMW lässt sich hier nicht spüren. Mit 102 PS aus immerhin 1,6 Liter Hubraum schafft es der Bayer zwar eine volle Sekunde vor dem Focus auf 100 km/h, die lange Getriebeübersetzung erfordert beim Überholen von Lkw aber schon eine gewissenhafte Planung. Auf der Autobahn entpuppt sich der 114i dann endgültig als unwilliger Beinahe-BMW. Zwar steht im Fahrzeugschein mit 195 km/h Höchstgeschwindigkeit der Bestwert für dieses Trio, allerdings verschweigt das amtliche Dokument, dass diesen Wert nur sehr geduldige Menschen auf sehr freier Strecke je erreichen werden. Und wer jetzt meint, eben einfach im fünften Gang zur Spitze stürmen zu können, der sollte die Tanknadel im Auge behalten und die Ohren zuklappen. Bei höheren Drehzahlen wird der 1,6-Liter-Turbo nämlich ungemütlich knurrig und laut.
Als sei das noch nicht genug, schleppt der 114i auch noch satte 1386 Kilo mit sich herum. Macht ein Leistungsgewicht von 13,6 Kilo pro PS. Weit weg von irgendeinem Idealmaß und auch schlechter als bei Focus (13,2 Kilo) und vor allem Golf (11,8 Kilo). Der schlanke Wolfsburger, der mit 1240 Kilo fast 150 Kilo weniger auf die Waage bringt als der 114i, glänzt in diesem Vergleich denn auch als Chefdynamiker. Mit 105 PS aus einem 1,2-Liter-Motor sprintet der Golf seinen kompakten Kameraden in fast jeder Lebenslage auf und davon, schüttelt entspannt eine 10,8 bis Tempo 100 aus den vier Zylindern und rennt ausreichende 192 km/h.

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VW Golf
Gut abgestimmt: Der Golf leistet sich auch mit der Verbundlenkerachse keine ernsthaften Schwächen.
Dabei hinterlässt der kleine TSI einen aufgeweckten und jederzeit leistungsbereiten Eindruck, zieht auch nach bummeliger Fahrweise am Ortsendeschild sauber durch und hält sich akustisch angenehm zurück. Ein feines Stück Motorentechnik, dem nach der Umstellung auf Zahnriemen auch keine defekte Steuerkette mehr in die Quere kommen kann. In Sachen Fahrdynamik geht hier ohnehin nichts quer – bei keinem der drei Testteilnehmer. Harmonisch abgestimmte Fahrwerke und aufmerksame Elektronikwächter halten die Kompakten jederzeit sicher auf Kurs. Der Golf leistet sich auch mit der einfachen Verbundlenkerachse keine ernsthaften Schwächen, der hinterradgetriebene 1er hat einfach nicht genug Schmalz für Quertreiberei, und der Focus bleibt auch im Spartrimm ein agiler, aber unkritischer Hausfrauenfreund. Der fahraktive Bayer wendet sich an Kleinfamilien – wenn überhaupt. Fond und Gepäckabteil lassen spürbar weniger Platz für Kind und Koffer als in Focus und Golf.

Weitere Details zu den drei Kompakten gibt es in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen gibt es als Download im Online-Heftarchiv.

Fazit

Erstaunlich, was heute in der 100-PS-Klasse geboten wird. Ein handlicher 1er mit Hinterradantrieb, der für Familien innen aber zu knapp geschnitten ist. Ein Ford Focus mit Einliter-Dreizylinder, der trotz schwachen Wiederverkaufswerts Platz zwei erobert. Und ein grundsolider Golf, der auch ohne Verstellfahrwerk und aufwendige Mehrlenkerachse hinten nichts anbrennen lässt. Klasse, dass es solche Autos gibt.