Kann der VW Golf auch in achter Generation seine Fans begeistern?
Der Platzhirsch hat sich auch in achter Generation noch nicht die Hörner abgestoßen. Aber statt auf aggressives Äußeres setzt der VW Golf 8 vor allem auf moderne Elektronik.
Es ist nicht leicht, der Golf zu sein. Schon gar nicht, wenn ein Teil der starken Konkurrenz aus dem eigenen Hause kommt und bei gleichen Voraussetzungen entweder mehr Nutzwert bietet (Skoda Octavia), agiler fährt (und mutiger ausschaut – Seat Leon) oder als strauchelndes Elektromodell (VW ID.3) vielleicht zukunftsgewandter ist. Bei so mächtiger Konkurrenz helfen nur starke Alleinstellungsmerkmale – und die kommen im 21. Jahrhundert aus dem Elektronikbaukasten. Für den Golf VIII heißt das: volldigitalisiertes Cockpit mit zwei Bildschirmen – nett und aufgeräumt; moderne Sprachsteuerung – die nach dem Fahrzeugstart zeitlich einen Espresso braucht, ehe sie kommunikationsbereit ist; wer will, darf seine Fragen gern auch an Amazons Alexa stellen – aber brauchen wir den Datengeier wirklich auf dem Beifahrersitz?
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Volkswagen Golf 2.0 TSI VI GTI Cabriolet EPH, Benzin
Statt eines konventionellen Schlüssels ließe sich dafür auch das Mobiltelefon nutzen (230 Euro) – blöd nur, wenn im falschen Moment der Akku leer ist oder das Ding zu Boden geht. Dann gibt's noch die sogenannten Funktionen auf Abruf, damit lassen sich nach dem Kauf zum Beispiel Adaptivtempomat, Fernlichtassistent, Sprachsteuerung oder WLAN-Hotspot aktivieren – für Unentschlossene und attraktiv für Gebrauchtkäufer; außerdem kommuniziert der Golf mit seiner Umgebung, kurz: Car2X – so informiert er im 800-Meter-Umkreis andere Fahrzeuge mit gleicher Technik an Bord zum Beispiel über sein eventuelles Liegenbleiben, oder er erfährt, wenn weiter vorn eine Vollbremsung eingeleitet wurde.
Die ersten Achter werden schon wieder zurückgerufen
Das klingt bis hierher nach schöner neuer Autowelt, nicht kompliziert, aber umfangreich. Bei so viel elektronischer Aufladung kann es schon mal passieren, dass die Elektronen verrücktspielen – in diesem Fall beim gesetzlich vorgeschriebenen eCall, einem Notrufdienst, der beispielsweise nach Auslösen der Airbags selbstständig die Rettungsdienste informiert. Weil das System nicht einwandfrei funktioniert, ruft VW die ersten Achter schon wieder zurück. Und dann hat sich VW mit einem rassistischen Werbevideo auf Instagram auch noch bei der heiß begehrten jungen Käuferschaft so richtig in die Nesseln gesetzt. Fast könnte der Eindruck entstehen, der betagte Golf – immerhin gibt's den Typ schon seit 1974 – hätte Probleme, in der Moderne anzukommen. Und konservativ zeigt sich auch die gestalterische Weiterentwicklung: Mit wenig Fantasie ist hier noch der Golf 6 (2008 bis 2012) zu erkennen.
Dem 1,86-Meter-Redakteur bleibt im Fond noch ausreichend Luft überm Scheitel.
Nach all der Kritik, die ein Spross aus dem Autobauergeschlecht der VW jedoch ertragen können muss, haben wir aber auch Positives zu berichten. So fährt der Golf 8 vorzüglich. Im Inneren geht es diesseits der 200 km/h leise zu. Die Progressivlenkung (215 Euro) des Testwagens ist angenehm leichtgängig, ohne beliebig oder fühllos zu wirken; wahrscheinlich würde es aber auch mit der serienmäßigen elektromechanischen Servolenkung ganz gut gehen. Das Adaptivfahrwerk (1045 Euro) ist insgesamt komfortabel abgestimmt, ohne sich in schnellen Kurven allzu weit rauslehnen zu müssen, lediglich die ganz harten Stöße aus dem Untergrund verdaut es etwas zu unfein. Ein Wendekreis von knapp unter elf Metern (links 10,9; rechts 10,8 Meter) ist nicht überragend, geht aber in Ordnung. Aus 100 km/h kommt der Golf bei 1,5 Tonnen Leergewicht nach 34,8 Meter zum Stehen. Bei Normalnutzung fühlt sich das Pedal leider mehrstufig und teils eigenlebend an. Das Raumangebot ist für vier Erwachsene ausreichend, wenngleich nicht als üppig zu bezeichnen. Im Gepäckabteil fehlen lediglich ein paar Zentimeter in Breite und Tiefe, um einen zugegebenermaßen großen Kinderwagen komfortabel oder ein paar mehr Wasserkästen der Genossenschaft Deutscher Brunnen überhaupt einladen zu können.
Für Basiskäufer ist das Konfigurieren nicht sehr lustig
Der Verzicht auf zahlreiche Funktionstasten lässt Raum für billig wirkende Kunststoffe. Darüber hinaus ist die Ergonomie gut.
Auf den ersten Blick begeistert das tastenarme Cockpit, auf den zweiten Blick enttäuscht der massive Kunststoffeinsatz, insbesondere weil unser Testwagen in der Topausstattung Style vorfährt. Und wo es gerade um Linien geht – Basiskäufer werden nur wenig Freude am Konfigurieren haben. Die Verschachtelungspolitik orientiert sich anscheinend an den Gepflogenheiten der Importmarken. Zum Standardumfang gehört immerhin der aktive Spurhaltehelfer. Zunächst beeindruckt er, weil er auch auf unmarkierten Straßen die Spur erkennt. Aber der Kerl arbeitet so sensibel, dass er teils schon bei der Annäherung an die Fahrspurgrenze mit einem kleinen Impuls gegenlenkt. Auf schmalen Fahrspuren führt das dazu, dass das Lenkrad ein nerviges Zappelphilipp-Syndrom entwickelt und mit seinen Mikroeingriffen nervt. Also schnell ausschalten – das hilft dann bis zum nächsten Fahrzeugstart. Und die tief liegenden mittleren Luftausströmer kühlen dem Fahrer vor allem die Ellenbogen.
Fazit von Attila Langhammer: Der Golf ist der Golf ist der Golf – und deshalb wird er trotz Startschwierigkeiten und ambitionierter Preisgestaltung seine Käufer finden. Aber hätten die Verantwortlichen an einigen Stellen fünf Minuten länger überlegt oder einfach zweimal hingeschaut, dann wäre er statt eines guten Kompakten vielleicht sogar ein richtig guter geworden.
Modelle
1.5 TSI (130 PS)
2.0 TDI (115 PS)
Motor / Hubraum
R4-Turbo / 1498 cm3
R4-Turbo / 1968 cm3
Getriebe
6-Gang manuell
6-Gang manuell
kW (PS) bei 1/min
96 (130) / 5000-6000
85 (116) / 2750-4400
Nm bei 1/min
200 / 1400-4000
300 / 1600-2500
Höchstgeschwindigkeit
214 km/h
202 km/h
0–100 km/h
9,2 s
10,2 s
Normverbrauch (WLTP)
5,5 l S
4,9 l D
Abgas CO2 • EU-Norm
124 g/km • Euro 6d-Temp
107 g/km • Euro 6d-Temp
OPF / SCR-Kat.1) (AdBlue-Tank)
ja / –
– / ja (12 l)
Grundpreis
26.460 Euro
25.630 Euro
Wertung
Die gedrosselte 130-PS-Version des 1,5-Liters genügt. Auch er verfügt über Zylinderabschaltung im Teillastbereich. Dazu leise, akzeptabler Verbrauch.
Der Basisdiesel ist nun ein Zweiliter, viel attraktiver als der alte 1.6er. Mit der feinen Handschaltung kombiniert er Fahr- und Spartalent.
Ökotrend-Wertung
2-
3+
*Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist (www.dat.de).