Kann der VW Golf auch in achter Generation seine Fans begeistern?
Kaufberatung VW Golf 8
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Der Platzhirsch hat sich auch in achter Generation noch nicht die Hörner abgestoßen. Aber statt auf aggressives Äußeres setzt der VW Golf 8 vor allem auf moderne Elektronik.
Es ist nicht leicht, der Golf zu sein. Schon gar nicht, wenn ein Teil der starken Konkurrenz aus dem eigenen Hause kommt und bei gleichen Voraussetzungen entweder mehr Nutzwert bietet (Skoda Octavia), agiler fährt (und mutiger ausschaut – Seat Leon) oder als strauchelndes Elektromodell (VW ID.3) vielleicht zukunftsgewandter ist. Bei so mächtiger Konkurrenz helfen nur starke Alleinstellungsmerkmale – und die kommen im 21. Jahrhundert aus dem Elektronikbaukasten. Für den Golf VIII heißt das: volldigitalisiertes Cockpit mit zwei Bildschirmen – nett und aufgeräumt; moderne Sprachsteuerung – die nach dem Fahrzeugstart zeitlich einen Espresso braucht, ehe sie kommunikationsbereit ist; wer will, darf seine Fragen gern auch an Amazons Alexa stellen – aber brauchen wir den Datengeier wirklich auf dem Beifahrersitz?
Gebrauchtwagen mit Garantie
10.450 €
Volkswagen Golf Kombi 1,6 TDI *Garantie*118 mtl., Jahr 2015, Diesel
* Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist (www.dat.de).
Statt eines konventionellen Schlüssels ließe sich dafür auch das Mobiltelefon nutzen (230 Euro) – blöd nur, wenn im falschen Moment der Akku leer ist oder das Ding zu Boden geht. Dann gibt's noch die sogenannten Funktionen auf Abruf, damit lassen sich nach dem Kauf zum Beispiel Adaptivtempomat, Fernlichtassistent, Sprachsteuerung oder WLAN-Hotspot aktivieren – für Unentschlossene und attraktiv für Gebrauchtkäufer; außerdem kommuniziert der Golf mit seiner Umgebung, kurz: Car2X – so informiert er im 800-Meter-Umkreis andere Fahrzeuge mit gleicher Technik an Bord zum Beispiel über sein eventuelles Liegenbleiben, oder er erfährt, wenn weiter vorn eine Vollbremsung eingeleitet wurde.
Die ersten Achter werden schon wieder zurückgerufen
Das klingt bis hierher nach schöner neuer Autowelt, nicht kompliziert, aber umfangreich. Bei so viel elektronischer Aufladung kann es schon mal passieren, dass die Elektronen verrücktspielen – in diesem Fall beim gesetzlich vorgeschriebenen eCall, einem Notrufdienst, der beispielsweise nach Auslösen der Airbags selbstständig die Rettungsdienste informiert. Weil das System nicht einwandfrei funktioniert, ruft VW die ersten Achter schon wieder zurück. Und dann hat sich VW mit einem rassistischen Werbevideo auf Instagram auch noch bei der heiß begehrten jungen Käuferschaft so richtig in die Nesseln gesetzt. Fast könnte der Eindruck entstehen, der betagte Golf – immerhin gibt's den Typ schon seit 1974 – hätte Probleme, in der Moderne anzukommen. Und konservativ zeigt sich auch die gestalterische Weiterentwicklung: Mit wenig Fantasie ist hier noch der Golf 6 (2008 bis 2012) zu erkennen.
Dem 1,86-Meter-Redakteur bleibt im Fond noch ausreichend Luft überm Scheitel.
Nach all der Kritik, die ein Spross aus dem Autobauergeschlecht der VW jedoch ertragen können muss, haben wir aber auch Positives zu berichten. So fährt der Golf 8 vorzüglich. Im Inneren geht es diesseits der 200 km/h leise zu. Die Progressivlenkung (215 Euro) des Testwagens ist angenehm leichtgängig, ohne beliebig oder fühllos zu wirken; wahrscheinlich würde es aber auch mit der serienmäßigen elektromechanischen Servolenkung ganz gut gehen. Das Adaptivfahrwerk (1045 Euro) ist insgesamt komfortabel abgestimmt, ohne sich in schnellen Kurven allzu weit rauslehnen zu müssen, lediglich die ganz harten Stöße aus dem Untergrund verdaut es etwas zu unfein. Ein Wendekreis von knapp unter elf Metern (links 10,9; rechts 10,8 Meter) ist nicht überragend, geht aber in Ordnung. Aus 100 km/h kommt der Golf bei 1,5 Tonnen Leergewicht nach 34,8 Meter zum Stehen. Bei Normalnutzung fühlt sich das Pedal leider mehrstufig und teils eigenlebend an. Das Raumangebot ist für vier Erwachsene ausreichend, wenngleich nicht als üppig zu bezeichnen. Im Gepäckabteil fehlen lediglich ein paar Zentimeter in Breite und Tiefe, um einen zugegebenermaßen großen Kinderwagen komfortabel oder ein paar mehr Wasserkästen der Genossenschaft Deutscher Brunnen überhaupt einladen zu können.
Für Basiskäufer ist das Konfigurieren nicht sehr lustig
Der Verzicht auf zahlreiche Funktionstasten lässt Raum für billig wirkende Kunststoffe. Darüber hinaus ist die Ergonomie gut.
Auf den ersten Blick begeistert das tastenarme Cockpit, auf den zweiten Blick enttäuscht der massive Kunststoffeinsatz, insbesondere weil unser Testwagen in der Topausstattung Style vorfährt. Und wo es gerade um Linien geht – Basiskäufer werden nur wenig Freude am Konfigurieren haben. Die Verschachtelungspolitik orientiert sich anscheinend an den Gepflogenheiten der Importmarken. Zum Standardumfang gehört immerhin der aktive Spurhaltehelfer. Zunächst beeindruckt er, weil er auch auf unmarkierten Straßen die Spur erkennt. Aber der Kerl arbeitet so sensibel, dass er teils schon bei der Annäherung an die Fahrspurgrenze mit einem kleinen Impuls gegenlenkt. Auf schmalen Fahrspuren führt das dazu, dass das Lenkrad ein nerviges Zappelphilipp-Syndrom entwickelt und mit seinen Mikroeingriffen nervt. Also schnell ausschalten – das hilft dann bis zum nächsten Fahrzeugstart. Und die tief liegenden mittleren Luftausströmer kühlen dem Fahrer vor allem die Ellenbogen.
Bildergalerie
Kaufberatung VW Golf 8
Fazit von Attila Langhammer: Der Golf ist der Golf ist der Golf – und deshalb wird er trotz Startschwierigkeiten und ambitionierter Preisgestaltung seine Käufer finden. Aber hätten die Verantwortlichen an einigen Stellen fünf Minuten länger überlegt oder einfach zweimal hingeschaut, dann wäre er statt eines guten Kompakten vielleicht sogar ein richtig guter geworden.
Von
Attila Langhammer
Kaufberatung VW Golf 8
1/20
Der VW Golf 8 muss sich einer starken Konkurrenz stellen. Ein Teil davon kommt sogar aus dem eigenen Haus. Bei gleichen Voraussetzungen bieten die Brüder entweder mehr Nutzwert (Skoda Octavia), fahren agiler und sehen dazu noch mutiger aus (Seat Leon) oder sind als Elektromodell (VW ID.3) vielleicht zukunftsgewandter. Da helfen nur starke Alleinstellungsmerkmale.
2/20
Im 21. Jahrhundert kommen diese Skills aus dem Elektronikbaukasten. Für den Golf 8 heißt das: volldigitalisiertes Cockpit mit zwei Bildschirmen – nett, aufgeräumt ...
... und mit moderner Sprachsteuerung. Wer will, darf seine Fragen gern auch an Amazons Alexa stellen – aber brauchen wir den Datengeier wirklich auf dem Beifahrersitz?
Statt eines konventionellen Schlüssels ließe sich dafür auch das Mobiltelefon nutzen (230 Euro) – blöd nur, wenn im falschen Moment der Akku leer ist oder das Ding zu Boden geht.
Dann gibt's noch die sogenannten Funktionen auf Abruf, damit lassen sich nach dem Kauf zum Beispiel Adaptivtempomat, Fernlichtassistent, Sprachsteuerung oder WLAN-Hotspot aktivieren – für Unentschlossene und attraktiv für Gebrauchtkäufer.
Außerdem kommuniziert der Golf mit seiner Umgebung, kurz: Car2X – so informiert er im 800-Meter-Umkreis andere Fahrzeuge mit gleicher Technik an Bord zum Beispiel über sein eventuelles Liegenbleiben, oder er erfährt, wenn weiter vorn eine Vollbremsung eingeleitet wurde.
7/20
Bei so viel elektronischer Aufladung kann es schon mal passieren, dass die Elektronen verrücktspielen – in diesem Fall beim gesetzlich vorgeschriebenen eCall, einem Notrufdienst, der beispielsweise nach Auslösen der Airbags selbstständig die Rettungsdienste informiert. Weil das System nicht einwandfrei funktioniert, ruft VW die ersten Achter schon wieder zurück.
8/20
Konservativ zeigt sich die gestalterische Weiterentwicklung: Mit wenig Fantasie ist hier noch der Golf 6I (2008 bis 2012) zu erkennen. Fast könnte der Eindruck entstehen, der betagte Golf – immerhin gibt's den Typ schon seit 1974 – hätte Probleme, in der Moderne anzukommen.
9/20
Nach all der Kritik, die ein Spross aus dem Autobauergeschlecht der VW jedoch ertragen können muss, haben wir aber auch Positives zu berichten. So fährt der Golf 8 vorzüglich. Im Inneren geht es diesseits der 200 km/h leise zu.
Die Progressivlenkung (215 Euro) ist leichtgängig, ohne beliebig zu wirken; mit der serienmäßigen elektromechanischen Servolenkung würde es aber wohl auch gut gehen. Das Adaptivfahrwerk (1045 Euro) ist komfortabel abgestimmt, ohne sich in schnellen Kurven allzu weit rauslehnen zu müssen, lediglich ganz harte Stöße verdaut es etwas unfein.
11/20
Ein Wendekreis von knapp unter elf Metern (links 10,9; rechts 10,8 Meter) ist nicht überragend, geht aber in Ordnung. Aus 100 km/h kommt der Golf bei 1,5 Tonnen Leergewicht nach 34,8 Meter zum Stehen. Bei Normalnutzung fühlt sich das Pedal leider mehrstufig und teils eigenlebend an.
12/20
Das Raumangebot ist für vier Erwachsene ausreichend, wenngleich nicht als üppig zu bezeichnen. Im Gepäckabteil fehlen lediglich ein paar Zentimeter in Breite und Tiefe, um einen zugegebenermaßen großen Kinderwagen komfortabel oder ein paar mehr Wasserkästen der Genossenschaft Deutscher Brunnen überhaupt einladen zu können.
13/20
Dem 1,86-Meter-Redakteur bleibt auch im Fond noch ausreichend Luft überm Scheitel.
Auf den ersten Blick begeistert das tastenarme Cockpit, auf den zweiten Blick enttäuscht der massive Kunststoffeinsatz, insbesondere weil unser Testwagen in der Topausstattung Style vorfährt. Und wo es gerade um Linien geht – Basiskäufer werden nur wenig Freude am Konfigurieren haben. Zum Standardumfang gehört immerhin ...
16/20
... der aktive Spurhaltehelfer. Zunächst beeindruckt er, weil er auch auf unmarkierten Straßen die Spur erkennt. Aber der Kerl arbeitet so sensibel, dass er teils schon bei der Annäherung an die Fahrspurgrenze gegenlenkt. Auf schmalen Fahrspuren führt das dazu, dass das Lenkrad ein Zappelphilipp-Syndrom entwickelt. Also schnell ausschalten – das hilft bis zum nächsten Start.
17/20
Den Totwinkelwarner gibt's nur im Paket (ab 1050 Euro) und erst ab der zweiten Ausstattungslinie - schade.
Fazit: Der Golf ist der Golf ist der Golf – und deshalb wird er trotz Startschwierigkeiten und ambitionierter Preisgestaltung seine Käufer finden. Aber hätten die Verantwortlichen an einigen Stellen fünf Minuten länger überlegt oder einfach zweimal hingeschaut, dann wäre er statt eines guten Kompakten vielleicht sogar ein richtig guter geworden.