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Video: Golf/ Octavia/ Focus/ Leon/ S3 (2017)

Wie schlägt sich der Golf?

Für viele beginnt hier der sportliche Fahrspaß: Kompaktsportler oder "Hot Hatches" im englischsprachigen Raum vereinen kompakte Abmessungen mit kräftigen Motoren und agil abgestimmten Fahrwerken – und das Ganze zu in der Regel nicht allzu ambitionierten Tarifen. Einer der Begründer dieses Segments ist der Golf GTI, der hier in der jüngst gelifteten Version als Performance-Modell antritt. Er trifft auf einen seiner Erzrivalen: den Ford Focus ST, der schon ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel hat.

Dem Ford ist seine Leistung auf den ersten Blick anzusehen

Ford Focus ST
Klare Kante: Der Ford Focus ST trägt seine Leistung   deutlich zur Schau – mit ausladendem Sport-Ornat.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD
Äußerlich unterscheiden sich beide stark: Während der Golf mit Sicken und Kanten geizt, seiner Urform und einem gewissen Understatement verpflichtet bleibt, zeigt der Focus ST eher extrovertierte Seiten: Angefangen beim markanten Kühlergrill über eine Vielzahl von Linien und Sicken bis hin zum auffälligen Diffusor und dem mächtigen Dachspoiler gibt der Focus ST den elaboriert gezeichneten Kompaktsportler, dem man auf den ersten Blick seine Kraft ansehen soll. Die beläuft sich auf 250 PS, die Ford aus seinem 2,0-Liter-Ecoboost-Aggregat herauskitzelt. Der Vierzylinder hängt an einer sehr präzisen Sechsgangschaltung und schickt seine 360 Newtonmeter an eine elektronisch über Bremseingriffe geregelte Vorderachse (Torque Vectoring Control – eTVC), was für ein neutrales Fahrverhalten sorgen soll.
Alle News und Tests zum Ford Focus ST

Die Elektronik nimmt den GTI ein wenig zu stark zurück

VW Golf GTI Performance
Gebremster Schaum: Die Antriebsschlupfregelung ist im GTI nicht ganz abstellbar – das kostet Zeit.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD
VWs Ikone GTI schöpft seine 245 PS und 370 Newtonmeter ebenfalls aus zwei Litern. Der intern EA888 genannte Motor wird uns in dieser Geschichte noch ein paar Mal begegnen – dann allerdings in höheren Leistungsstufen. Anstelle des Handschalters gibt es den Golf GTI auch mit Doppelkupplungsgetriebe, das zwar etwas schneller arbeitet, aber nicht ganz den Spaßfaktor des sehr leichtgängigen Handschalters vermittelt. Serienmäßig ist der Golf GTI mit einer aktiven Lamellensperre ausgerüstet, die die Vorderräder stufenlos von null bis annähernd 100 Prozent synchronisiert und so Traktionsvorteile verspricht. Die mag er haben, doch kann er sie nur eingeschränkt nutzen, da sich die Antriebsschlupfregelung nicht komplett deaktivieren lässt. Das führt beim Messen der Beschleunigung dazu, dass man sich immer etwas zurücknehmen muss, da bei zu schnellem Schalten die Elektronik den Hahn zudreht, obwohl noch was ginge.Am Ende gelingt es nicht ganz, die Werksangabe von 6,2 Sekunden auf 100 km/h zu erreichen – die zwei fehlenden Zehntel gehen ausschließlich auf das Konto des ASR. Was schade ist, denn der kräftige GTI- Motor ist dem ST-Aggregat in puncto Laufkultur und Kraftentfaltung klar überlegen. Das zeigt sich vor allem bei höherem Tempo, wo er den ST fast nach Belieben dominiert. Allerdings wirkt der GTI bei all seiner Dominanz auch weniger lebendig und spaßig als der bauschig antretende und herzhaft tönende Focus ST.

Mehr Fahrspaß kommt eindeutig im Focus ST auf

Ford Focus ST
Freude am Fahren: Der Focus ST bietet das bessere Erlebnis, er ist emotionaler als sein Gegner.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD
Der Ford klingt dumpfer, kerniger und schmutziger, womit er sich zumindest emotional deutlich vor dem Golf platzieren kann. Beim Fahrspaß punktet der Kölner ohnehin auf ganzer Linie – und das mit guten Werten. Etwa im 18-Meter-Slalom, den wir mangels Verfügbarkeit des Sachsenrings als Querdynamik-Messlatte in diesen Vergleich eingebaut haben. Wirkt die Lenkung des Focus ST zunächst etwas spitz, ändert sich das Bild beim Wedeln durch die Pylonen. Das erst eckig wirkende Fahrverhalten, das von den wechselnden Halte- und Rückstellkräften der Lenkung rührt, gewinnt bei höherem Tempo an Schwung und erlaubt eine effektive Hatz durch die Hütchen. Das steifere Fahrwerk des Focus zeigt schön nutzbare Lastwechselreaktionen, die kleineren Lenkwinkel bringen deutlich mehr Spaß als das zwar narrensichere, aber etwas sterile Fahrgefühl im Golf. Letztlich dominiert hier der Focus mit einem Vorsprung von 0,9 km/h und gewinnt mit seinem lebendigeren Auftritt auch beim Fahrspaß, den er bereitet.

Die Vorderachse des GTI kann man leicht überfahren

VW Golf GTI Performance
Hier ist Gefühl gefragt: Im 18-Meter-Slalom ist der GTI am schnellsten, wenn man ihn schön weich fährt.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD
Will man mit dem GTI schnell um die Pylonen kommen, ist auch hier Zurückhaltung und ein weicherer Fahrstil gefordert, denn vor allem die Vorderachse überfährt man – zumindest im Slalom – relativ schnell, was mitunter auch am lammfrommen Handling liegt, das im Gegensatz zum räuberischen Ford längst nicht so keck von hinten mithebelt. Dass die Bremswerte des Focus ST trotz größerer Bremsscheiben nicht besser ausfallen, ist den Reifen geschuldet, die nicht ganz das Gripniveau der Golf-Gummis erreichen. Der GTI indes leidet etwas unter seinem tauben Pedalgefühl. Dafür zeigt er keinerlei Antriebseinflüsse in der Lenkung. Ganz im Gegensatz zum Focus, der bei zu starkem Gaseinsatz spürbar in der Lenkung zerrt.
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Von

Guido Komp