VW-Probleme: Steuerkette, Ölverbrauch, DSG-Ärger, Stephan Gangnus
Die fünf größten Baustellen bei Audi und VW

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Er hilft, wo andere aufgeben: Stephan Gangnus' Spezialgebiet sind Motor- und Getriebeprobleme im Volkswagen-Konzern. Ein weites Feld!
Bild: Olaf Tamm
Das schwarze Audi A5 Cabrio auf der Hebebühne hat einen weiten Weg hinter sich. 370 Kilometer ist sein Besitzer aus Braunschweig gefahren, um es im fernen Husum behandeln zu lassen. Der Kuraufenthalt an der Nordsee ist dringend nötig, zuletzt hatte der Motor 1,9 Liter Öl auf 1000 Kilometer geschluckt. Es ist ein 1.8 TFSI, 160 PS stark und 115.000 Kilometer gelaufen. Der berüchtigte Ölsäufer von Audi.
"Durch Verkokung setzen sich die Rücklaufbohrungen der Ölabstreifringe zu", sagt Stephan Gangnus, dessen Firma KTC Motoren und Getriebe von VW-Konzernmodellen instand setzt. "Ich habe das sogar bei Autos gesehen, die erst 40.000 Kilometer auf der Uhr hatten." AUTO BILD hatte den Mangel im Jahr 2015 aufgedeckt. Audi experimentierte mit verschiedenen Abstreifringen, doch die Kundenklagen blieben – auch weil Kulanzversprechen nicht eingehalten wurden.

Trockenlegung: Julia und Stephan Gangnus an einem TFSI.
Bild: Olaf Tamm
Von solchen Versäumnissen leben Spezialbetriebe wie KTC. Hilfesuchende pilgern zu Gangnus, weil er einer ist, der nicht bloß austauscht und wegschmeißt. Gangnus repariert – solange es geht. Oft erspart das dem Kunden Kosten, manchmal ist es die einzige Möglichkeit zur Rettung eines Autolebens, nämlich wenn der Hersteller keine Reparaturlösung anbietet.
Steuergerät reparieren statt austauschen
Beispiel: Ein defektes Steuergerät fürs stufenlose Multitronic-Getriebe, das Audi-Werkstätten einfach austauschen würden, als Ersatzteil aber nicht mehr bekommen, wird bei Gangnus aufgefräst, um die defekten Lötstellen zu erneuern.
Nicht immer verlässt sich der Audi- und VW-Heiler bei seinen Eingriffen auf Originalersatzteile. Die TFSI-Ölsäufer etwa bestückt Gangnus mit Kolben des fränkischen Spezialisten Scheuerlein. "Damit der Kunde dauerhaft Ruhe hat."
Wenn der Motor wieder läuft, kullern schon mal Tränen
Sein Wissen um die markentypischen Schwachstellen schöpft der Chef aus 29 Dienstjahren in einem Hamburger Audi-Betrieb sowie diversen Fortbildungen. Als er sich vor ein paar Jahren selbstständig machte, war die Richtung klar: Statt Alltagsreparaturen sollte es ans Eingemachte gehen, an Operationen am offenen Herzen bei scheinbar hoffnungslosen Fällen. Manchmal kommt ein Auto auf dem Hänger, an dem schon zwei Werkstätten verzweifelt sind. Wenn dann am Ende der Motor wieder läuft und dem Besitzer die Tränen kullern – das mache ihn glücklich, sagt der 49-Jährige.
Die 5 größten Baustellen des Audi- und VW-Heilers
TFSI (Audi)
Ölverbrauch; Steuerkettenriss/Geräusche Kettenspanner; Verkokung von Ansaugrohr und Einspritzdüsen.
Multitronic (Audi)
Anfahrruckeln/Umrüstung von 6 auf 7 Lamellen (nur Diesel); Nachschieben beim Bremsen; Steuergerät defekt/original nicht lieferbar; Zahnradschäden Differenzial; Schäden am Antriebsrad für Schieberkasten bzw. Ölpumpe; Lagerschäden.
S tronic (Audi)
Elektrischer Fehler am Sensormodul.
TSI (VW)
Steuerkette gelängt/Kettenspanner/Motorschaden; Kolbensteg gebrochen/Motorschaden; Verkokung Ventile und Ventilführung.
DSG (VW)
Elektrischer Fehler am Steuergerät; Aufnahmeplatte für Druckspeicher gerissen; Verschleiß der Doppelkupplung; Lagerschäden.
Besonders ärgert ihn, "wie die Kunden mit Fehlern ab Werk alleingelassen werden". Mancher Audi-Betrieb beschwichtigte besorgte TFSI-Besitzer mit einer Öl-Nachfüllgarantie: Blinkte die Warnleuchte, konnten sie in die Werkstatt fahren und gratis Motoröl nachkippen lassen. Ein Spiel auf Zeit – bis die Kulanzansprüche verjährt waren.
Dauerthema bei VW: gelängte Steuerketten
Ein weiteres Dauerthema im VW-Konzern sind die Steuerketten beim TSI-Motor, die sich längen und schlimmstenfalls überspringen können. AUTO BILD berichtete ab 2009 immer wieder und wurde sogar vom damaligen Konzernchef Martin Winterkorn zum Qualitätsgipfel nach Wolfsburg geladen. Den Serienfehler zugeben wollte VW indes nicht. Es handele sich um Schäden "im Zehntel-Promillebereich".

Thema Steuerkette: oben das Original, unten Ersatz von Febi.
Bild: Olaf Tamm
Für Stephan Gangnus sind solche Aussagen schwer nachvollziehbar. So steht in VWs digitalen Werkstattanweisungen zu jedem TSI-Typ detailliert, was Reparateure zu tun haben: Nockenwellenversteller tauschen, Kettenrad erneuern, Steuerkette einbauen und so weiter. Bei KTC-Operationen kommen die Steuerketten nicht aus dem VW-Regal, sondern vom Traditionshersteller Febi.
VW Touran: Metallspäne im 7-Gang-DSG
Auf der Werkbank liegt ein zerlegtes DSG-Getriebe aus einem VW Touran. Stephan Gangnus greift sich die Mechatronik, ein handtellergroßes Teil, dessen Ölkanäle an Gehirnwindungen erinnern.

Späne im DSG-Öl: Kegelrollenlager (vorn), Zahnradsätze, Wellen.
Bild: Olaf Tamm
"Hier sind Metallspäne aus kaputten Lagern eingedrungen und haben zwei Ventile außer Gefecht gesetzt", sagt er. Nur eines von mehreren Problemen an diesem 7-Gang-DSG – eine Reparatur wäre unwirtschaftlich.

Schnell geschaltet: Die Prüfung der DSG-Mechatronik ergibt, dass die Magnetventile kaputt sind.
Bild: Olaf Tamm
Also hat Gangnus ein gebrauchtes Getriebe besorgt, das er geprüft hat und mit einem Jahr Garantie versehen in den Touran verpflanzen wird.
In der Vertragswerkstatt wären solche Patienten wohl aufgegeben worden. Hier bekommen sie ein neues Leben.
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