Ein Spiel dauert 90 Minuten, und am Ende gewinnen immer die Bayern. Ja, dafür werfen wir drei Euro ins Phrasenschwein, und ja, das finden wir Fußball-Fans sooo laaangweilig! Aber mal unter uns Auto-Ästheten: Immer nur Audi und BMW, also immer nur die Bayern – das kann doch auch nicht euer Ernst sein! Wie gut, dass es Überraschungen gibt. Der Kia Stinger ist so eine. Ein Auto wie Eintracht Frankfurt, da fragt sich auch jeder: Wo kommen die denn auf einmal her? Jetzt sind sie da, Kia und die Eintracht. Und wir klären: Reicht es auch für ganz oben?

Mit dem Stinger bringt Kia einen ernstzunehmenden Gegner

Kia Stinger
Will den Deutschen ans Blech fahren: Der Kia Stinger sieht nicht nur gut aus – er hat auch viel Qualität.
Wer regelmäßig die AUTO BILD-Sportschau verfolgt, der weiß: Der Kia Stinger hat bei uns schon mal das Tor des Monats reingehämmert, besiegte als 370 PS starker V6 einen Jaguar XE und unterlag nur knapp dem Audi S5 Sportback. Hier probiert es der Kerl mal eine Nummer kleiner, in der 250-PS-Liga: Kia Stinger mit Zweiliter-Vierzylinder, 255 PS und Hinterradantrieb gegen BMW 430i Gran Coupé, ebenfalls Zwoliter und vier Pötte, ebenfalls Freude von hinten, aber drei PS weniger. Dritter im Feld: Audi A5 Sportback, 252 PS, vier Zylinder, zwei Liter Hubraum, Allrad. Bevor wir losfahren, müssen wir alle drei loben: sooo praktisch! Die Hersteller sagen Coupé-Limo, wir sagen: Fließheck mit rieeesiger Heckklappe. Die beiden Deutschen packen 480 Liter rein, der Koreaner ist mit 406 Litern kleiner. Bei allen ist die Rückbank umlegbar, dann passen bei BMW und Audi je 1300 Liter rein, der Kia schluckt 1114. Und da ist noch ein Unterschied: Die Deutschen haben selbst im Ladeabteil Teppich wie im Wohnzimmer, Kia verbaut hier Filzbelag wie im Büro. Okay, Kabine ist egal, entscheidend ist auf’m Platz. Und der ist weiter vorn.

Nur im Audi reisen mehr als zwei Personen wirklich gut

Audi A5 Sportback
Platz satt: Der Audi A5 Sportback ist auch in Reihe zwei bequem – das sieht bei der Konkurrenz anders aus.
Reinsetzen, zuerst in den Audi. Und La-Ola-Welle: beste Qualität, beste Verarbeitung, bestes Raumgefühl vorn, bestes Platzangebot. Allein für die Sitzposition hinten gibt's Szenenapplaus. Da steigen selbst 1,90-Meter-Männer gut ein und sitzen menschenwürdig. Wenn wir das Haar in der Suppe suchen, dann höchstens hinterm Lenkrad. Schön und gut, dieses virtuelle Cockpit, bei dem du die Navikarte ganz groß ziehen und die digitalen Rundinstrumente auf Tankanzeigen-Format schrumpfen kannst. Aber dann steigst du um in den BMW, guckst auf das grandiose, dicke Dreispeichen-Sportlenkrad, auf die zwei klassischen Rundinstrumente, und du sagst: Hey, Audi, früher, so ohne Videobeweis und den ganzen digitalen Schnickschnack, war doch nicht alles schlecht. Alles so durchdacht, so vertraut und einfach gut im BMW. Sportsitze mit dem besten Seitenhalt, iDrive-Controller in der Mittelkonsole, als wäre er mit der Hand verwachsen. Aber dann zwängst du dich in diesen engen Fond, freust dich, dass du nur 1,80 Meter bist und keine 1,90 und auch noch nicht hüftsteif, denn du musst dich um die C-Säule herumschälen, um reinzukommen. Und du sagst: Hey, Audi, darf ich bei dir mitfahren?
Denn auch im Stinger macht das nicht wirklich Spaß. Liegt daran, dass du hinten die Füße nicht unter den Vordersitz kriegst. Schade, denn sonst wäre der Längste auch der Beste. Einsteigen, Platzangebot, Raumgefühl – der Korea- Kracher riecht aus jeder Fuge, aus jedem Lüftungsschlitz nach seinem Erfinder, nach Design-Gott Peter Schreyer, dem wir Kult-Autos wie den Audi TT oder zeitlose Schönheiten wie den Golf IV verdanken. Allein die Sitzposition vorn: gaaanz tief, der Fahrer verschmilzt mit dem Fahrzeug, denn das hier ist eine Spaßmaschine, ein Pulsbeschleuniger, ein Glücklichmacher. Anschnallen. Denn jetzt geht’s loo-ooos!

An der Tankstelle macht der Koreaner keine Freude

Audi A5 Sportback BMW 4er Gran Coupé Kia Stinger
Der Kia genehmigte sich im Schnitt über zehn Liter auf 100 Kilometer. Audi und BMW sind deutlich sparsamer.
Den ersten Pokal legen wir dem Kia schon nach wenigen Metern ins Handschuhfach: dieser Sound! Da können BMW und Audi selbst im Sportprogramm nicht mithalten. Der Stinger hat den Motor aus dem Hyundai i30 N, dieser Rennstrecken-Rakete. Und genau wie bei Hyundai hat auch hier Albert Biermann Hand angelegt, der Mann, der früher die M-Modelle von BMW auf Herzrasen getrimmt hat. Teilweise hat er’s übertrieben. Der Stinger ist in der Stadt, also bei Frostaufbrüchen, zu hart; dann poltert die Vorderachse. Über Land musst du ihn so nehmen, wie er ist – als Sportler. Also häufiger das Lenkrad nachjustieren, du musst ihm zugestehen, dass er mit Hinterradantrieb und Sperrdifferenzial etwas nervöser liegt, öfter mit dem Hintern wackelt. Du musst das lieben oder Jetta TDI fahren. Wir lieben diese ungehobelte Art, sagen aber auch: 10,3 Liter Super im Schnitt und mehr als 15, wenn der Gasfuß juckt – puh! Das ist so, als würde die Eintracht in jedem Spiel fünf Gelbe und eine Rote Karte kassieren. BMW und Audi haben bessere Manieren. Der 430i liegt mit 8,4 Litern auf der Testrunde knapp zwei Liter unter Kia-Niveau, der A5 begnügt sich mit 8,7 Litern. Und beide machen uns nicht minder an.

Auch das 4er Gran Coupé zelebriert die Freude am Fahren

BMW 4er Gran Coupé
Das gibt es so fast nur bei BMW: Auf kurvigen Straßen macht das 4er Gran Coupé besonders viel Freude.
Zum Beispiel der BMW in der zumindest diskutablen Kombo "Snapper Rocks Blue" mit Leder blau. Okay, die Vorderachse grätscht auch hier Gullideckel ab wie Dr. Eisenfuß, aber dann, wenn du auf der kurvigen Landstraße Vollgas gibst, dann ist sie da: die Freude am Fahren, die es so nur bei BMW gibt. Das ESP ist weltklasse abgestimmt, greift ganz, ganz spät ein, die Achtstufen-Wandlerautomatik von ZF hämmert die Gänge blitzschnell rein, ist das harmonischste Getriebe in diesem Vergleich. Dass der BMW zwar sehr, sehr gut fährt, aber doch noch Luft nach oben ist, merkst du erst, wenn du in den Audi umsteigst. Um es kurz zu machen: ein Auto wie Bayern München, nah an der Perfektion. Nur hier ist das Fahrprogramm frei konfigurierbar, lassen sich Lenkung, Gasannahme, Dämpfer und Sound separat anwählen. Nur hier gibt es den besten Kompromiss aus Sport und Komfort. Nur hier kannst du dank Allradantrieb wilde Wutz spielen, um ein paar Sekunden später ganz elegant zu segeln. Nur hier arbeitet die Lenkung exakt, selbst BMW hat Probleme in der Mittellage.
Bei den bewerteten Testwagen-Preisen liegen die drei Traum-Limos 7000 Euro auseinander. Der Stinger kostet 49.290 Euro, der A5 liegt bei 55.430, der 430i bei 55.950 Euro. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn mit Super-Ausstattung wie auf den Fotos kostet der BMW 67.430, der Audi sogar 72.215 Euro – und dann sind die Vordersitze nicht mal elektrisch! Dass der Kia seinen Preisvorteil nicht besser ausspielt, liegt an der Wartung: Jedes Jahr oder alle 10.000 Kilometer geht's zum Service. Und das kostet jedes Mal, wenn der Händler beim Kauf nicht das dreijährige Gratis- Paket von Kia Deutschland draufpackt. Tipp: Das sollten Kunden beim Kauf schriftlich fixieren. Wir halten fest: Kia kann mithalten, denn die spielen jetzt Bundesliga. Und zwar ganz oben mit!
Andreas May

Fazit

Glückwunsch, Audi! Verdienter Sieg für den A5 Sportback. Modernste Technik plus tolles Fahrwerk ergeben die beste Coupé-Limo. Hut ab vorm BMW, der nach vier Jahren Bauzeit noch taufrisch ist. Und alle Achtung, Kia: Ihr spielt mit bei den Etablierten. Und ihr haltet mit!