BMW kann sich warm anziehen

Was für ein Auto! Ein Schwarm älterer Ring-Touristen tippelt im Fahrerlager um den Nuvolari herum wie Siebenjährige. Hier ein Foto, da eine Frage. "Was kostet der?" Ehrliche Antwort: "Drei Millionen." Wie bitte? Na ja, dies ist das Messe-Highlight vom Genfer Salon, das jetzt auf Werbetour geht. Gestern zur Hauptversammlung, heute am Nürburgring, ein silberner Design-Botschafter mit der unübersehbaren Nachricht: "Seht her, so sportlich sehen die Audi von morgen aus." BMW kann sich warm anziehen.

Was für ein Auto! Der gewaltige Grill des Sportcoupés könnte ganze Porsche verschlucken, die wuchtige Nase scheint wie direkt aus den Dreißigern herangebeamt. Auf der Suche nach seinem neuen Sportgeist taucht Audi bis in die Zeit der Silberpfeile hinab. Nicht zufällig taufte Audi das Showcar nach Tazio Nuvolari, dem italienischen Rennfahrer, der vor dem Krieg den letzten Grand-Prix-Sieg der Marke mit den vier Ringen errang.

"Die Studie Nuvolari ist unser Design-Statement", sagt Walter De’Silva. Audis neuer Chef-Künstler präsentiert seine rollende Regierungserklärung, die alle optischen Schlüsselreize der Audi von morgen festlegt. Kneifen wir die Augen zusammen, dann treten sie klarer hervor: Den großen Grill sehen wir schon 2004 am nächsten A6, vermutlich auch die Leuchten mit dem sanften Knick im Unterlid. Kurze Überhänge, starke Schultern, der Dachschwung – daran soll das Auge künftig intuitiv festmachen: "Audi." Die kreisrunden Radhäuser kennen wir schon vom TT, aber wer sagt denn, dass Maestro De’Silva alles neu erfinden muss? Nur bei der hinteren Dachsäule sollte sein Bleistift nochmals antreten, der dünne Holm müffelt doch zu stark nach Mercedes-Benz CL.

Designer-Interieur vom Feinsten

In dessen Liga würde der Nuvolari zumindest technisch antreten: Imposante 4,80 Meter weisen ihn als echten Gran Turismo aus, 1,92 Meter Breite und die ellenlangen Türen verbieten eine Unterbringung in der Normgarage. Mit (fast zu) dicken Strichen will Audi hier andeuten, wie viel Potenzial in der Marke steckt. Etwa der 5,0 Liter große Zehnzylinder, den die Ingenieure für den Lamborghini Gallardo (kommt im Juni 2003) auf 500 PS gebracht haben und der mit einem Biturbo und der Direkteinspritzung FSI aus Audis Le-Mans-Siegerwagen noch zulegen kann. "Unser Ziel von 600 PS erreichen wir mit Sicherheit", so Jens Courtin, Projektleiter am Nuvolari.

Drinnen haben sich wieder einmal die Designer ausgetobt – es sieht aus wie auf der Möbelmesse von 2010: weißes und dunkelbraunes Leder, scheinbar schwebende Schalter, kein Holz. Man staunt, schüttelt den Kopf und kapiert, dass hier eine Frage wohnt: "Was wollt ihr?" Okay, vielleicht das Lenkrad in der Form des Kühlergrills. Oder den Mini-Schaltknüppel. Der gibt Befehle drahtlos weiter, deshalb kann die ganze Mittelkonsole hochklappen und darunter ein großes Bürofach öffnen. Hübscher Fortschritt.

Nach einem Druck auf den Starterknopf, der meinen Fingerabdruck erkennt, bollert der Zehnzylinder mit tiefem Grollen aus den Endtöpfen (stammen vom Audi S4). Klingen vielversprechend, aber – ehrlich gesagt – damit endet die Show. Messe-Autos sind rohe Eier auf Rädern, die Vorschriften und begleitenden Ingenieure entsprechend empfindlich. Die Felgen sind von Hand gegossen und begrenzen das Tempo auf 80 km/h, um Kurven sollen wir das Auto am besten tragen. Kräftig Gas geben? Jens Courtin guckt böse. Verstanden, also fabulieren wir auch nicht von irgendwelchen Fahreindrücken.

Stahl-Coupé ab 35.000 Euro

Wäre vielleicht auch zu schmerzhaft. Denn der Nuvolari wird in dieser Form niemals kommen. Schon auf dem Genfer Salon hat Audi-Chef Martin Winterkorn das große Coupé klammheimlich beerdigt. "Es würde zu teuer." Die angedachte Alu-Bauweise (auf einer um 54 Millimeter gekürzten Plattform des A8) wäre zu aufwändig, der Preis zu hoch, die Marktlücke zu klein. Ein Vorzeigeobjekt, das geliebt, aber so wenig gekauft wird wie ein Z8, will sich Audi bei seiner Aufholjagd zu BMW nicht ans Bein binden.

Denn Winterkorn hat nicht nur die Münchener und Audis neue Sportlichkeit im Visier, sondern auch die Kosten. Statt in Aluminium entsteht das künftige Coupé aus Stahl. Und damit auf der Plattform des nächsten A6 mit Sechs- und Achtzylindern, mit Front und quattro-Antrieb und vor allem mit Preisen ab 35.000 Euro, die diesen Traum zumindest in Reichweite rücken. In drei Jahren könnte das Coupé da sein – als Konkurrent zum BMW Sechser.

Bei unserem Termin am Ring treffen sich erstmals – und fast unbemerkt – die Gegner von morgen. Während der Nuvolari für Fotos posiert, dreht der schwarz getarnte BMW letzte Testrunden. Im Dezember startet sein Verkauf. Diesen Vorsprung kann Audi nicht mehr aufholen. Was ihnen bleibt, ist die Chance, das schönere Auto zu bauen.