BMW bricht reihenweise Tabus – und hat Erfolg. Ob Van, Frontantrieb oder Dreizylinder: Was eingefleischte Markenfans erschüttert, kaufen die Kunden den Bayern ab. Allein der 2er Active Tourer fand seit September 2014 über 55.000 Erstbesitzer. Mit weitgehend ähnlicher Technik folgt nun der nächste "Geht-doch-nicht": Der neue X1 verwendet viele Gleichteile und will trotzdem als Kleinster der X-Familie vom Glanz der größeren SUV profitieren. Ist das überhaupt noch ein X? Und wie viel BMW-Geist steckt im neuen X1?

Die Designer haben dem X1 viel SUV ins Blech geschneidert

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Video: BMW X1 (IAA 2015)

Erste Fahrt im neuen X1

Für die erste Ausfahrt gibt es deshalb keinen besseren Sparringspartner als den Audi Q3, den sportlichen Springinsfeld bei den kleinen, noblen Hochsitzen. Den Optik-Check absolviert der X1 anstandslos: Steil reckt er die breite Niere in den Fahrtwind, leicht eckige Radausschnitte und stämmige Schultern senden das Signal: SUV, SUV, SUV. Das kastige Heck und hohe Blechflanken kämpfen gegen die Beliebigkeit, unterscheiden sich klar vom coupéhaften Audi Q3. Der BMW meldet überdeutlich: Da will einer Praktiker sein, nicht nur Poser. Das bestätigt der Innenraum, der den engen, mageren Vorgänger vergessen lässt. Klavierlack und mattes Aludekor – beides ziert sogar den 3er-BMW erst zum Facelift – bemühen sich um Premium-Look. Erst bei Fugen und soliderer Verarbeitung zeigt der Audi, was noch geht.
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Hinten wird es im Audi Q3 schneller eng

Audi Q3
Etwas eng: Für die Passagiere in Reihe zwei bietet der Audi Q3 deutlich weniger Platz als der BMW X1.
In der Schalterwelt, traditionell wieder dem Fahrer zugewandt, hat BMW die Nase vorne, speziell der iDrive-Knubbel zwischen den Sitzen liegt besser zur Hand. Und siehe da: In der Mittelkonsole sitzen die Klimaregler praktischerweise höher als im Active Tourer, eine zusätzliche Ablage mit Rollo bietet sogar mehr Platz. Ab der zweiten Reihe unterscheiden sich X1 und Q3 wie Baumarkt und Boutique. Während Große sich im Audi durch eine schmale Tür auf die enge Rückbank quetschen, schlägt man im BMW dank längs verschiebbarer Rückbank (250 Euro extra) die Beine locker übereinander. Auch im Kofferraum haben die Entwickler alle guten Ideen (doppelter Boden, keine Ladekante, Rücksitzlehnen fallen per Hebel von hinten) reingepackt. Mit maximal 1550 Litern (gegen Aufpreis legt sich zusätzlich die Beifahrerlehne flach) taugt der X1 sogar als Umzugshelfer.
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Moment mal: Umzüge, Nutzwert, reden wir noch von einem BMW? Startknopf drücken, vorn erwachen die 231 PS des 25i, der als Sportline serienmäßig mit Achtstufenautomatik und Allrad antritt. Ein exotisches Luxus-Duo, das weder Müdigkeit noch Antriebszerren kennt, an der Ampel alle verblüfft und den Fahrtwind mit echten 235 Spitze um die Außenspiegel rauschen lässt.

Auf der Autobahn folgt der X1 gehorsam der Spur

BMW X1
Absolut spurtreu: Der X1 überrascht mit seinem guten Geradeauslauf – der 3er hatte da noch ein Problem.

BMW-Umsteiger werden staunen, dass ein altes 3er-Problem, der schlechte Geradeauslauf, im X1 endlich verschwunden ist. Das SUV hält stur die Spur, verwöhnt zudem mit der schluckfreudigen Abstimmung des adaptiven Fahrwerks, das selbst in "Sport"-Stellung mit 18-Zoll-Rädern noch mehr Reserven hat als der immer noch straffe Q3 mit seinen kurzen Federwegen. Der gibt wieder das Adrenalin-SUV, wenn er zum Gasgeben und Kolonnenspringen animiert. Sein Zweiliter-Turbo schickt in jeder Lebenslage ein paar anregende Good Vibrations Richtung Fahrer, die Karosserie neigt sich weniger und fühlt sich an, als könnte sie Pirouetten drehen. Zugegeben, der Fahrer hockt noch immer zu hoch, und im größten Stress kommt das Doppelkupplungs-Getriebe mit den sieben Stufen ins Springen – das kann die famose Wandlerautomatik des BMW besser.
Bei uns wird sicher der 150-PS-Diesel mit Handschaltung und Frontantrieb als 18d (ab 32.900 Euro) beliebter. BMW erlaubt sich, bis zu fünf Prozent mehr zu verlangen als Audi für vergleichbare Q3. Bei den Vergleichs- Benzinern sind das 1650 Euro Differenz, dafür hat der X1 auch Klimaautomatik und Parkpiepser hinten an Bord. Doch dieser Neuling dürfte auch hausintern räubern: Nur 1500 Euro teurer als der Active Tourer, bietet das SUV 16 Millimeter höhere Sitze, mehr Allrad-Versionen und den Image-Vorteil, das angeblich sportlichere Auto zu fahren. Deshalb wird so mancher Kunde, der sich für den 5100 Euro teureren X3 interessiert, zum kleinen SUV herüberschielen – Tabu hin oder her.
Technische Daten Audi Q3 2.0 TFSI quattro • Hubraum: 1984 cm³ • Leistung: 162 kW (220 PS) bei 4500/min • max. Drehmoment: 350 Nm bei 1500/min • Vmax: 233 km/h • 0–100 km/h: 6,4 s • L/B/H: 4388/1831/1590 mm • Kofferraum: 460–1365 l • Verbrauch: 6,6 l S/100 km • Abgas: CO2 152 g/km • Preis ab 41.100 Euro.
Technische Daten BMW X1 25i xDrive • Hubraum: 1998 cm³ • Leistung: 170 kW (231 PS) bei 5000/min • max. Drehmoment: 350 Nm bei1250/min • Vmax: 235 km/h • 0–100: km/h 6,5 s • L/B/H: 4439/1821/1598 mm • Kofferraum: 505–1550 l • Verbrauch: 6,4 l S/100 km • Abgas CO2: 149 g/km • Preis ab 42.500 Euro.

Fazit

von

Joachim Staat
Der X1 ist überraschend alltagsfit: geräumig, variabel, ausgewogene Federung. Der kann alles besser als der Vorgänger und lässt auch den sportlicheren Audi Q3 alt aussehen. Mit diesem SUV zielt BMW so sehr in die Mitte, dass hier ein Gegner für den nächsten VW Tiguan heranwüchse – wären da nicht die saftigen Preise.

Von

Joachim Staat