Zugegeben, Luxus und Diesel passen auf den ersten Blick nicht zusammen. Sich ein 70.000-Euro-Gefährt leisten, aber beim Tanken die Cent zählen – das ist so, als würde jemand einen Palast kaufen und dann in ein Waschbrett statt in eine Waschmaschine investieren. Macht eigentlich keinen Sinn, oder? Sicher, bei diesem Kaliber ans Sparen zu denken wäre absurd. Aber so ein Ölbrenner unter der Haube hat ja noch andere Vorzüge. Er schont dank seiner geringeren CO2-Produktion Umwelt und Gewissen, zwingt seltener zu Tankpausen und eignet sich kraft seiner bulligen Charakteristik vortrefflich dazu, ohne Hektik zügig Boden zu gewinnen. Und wer daran zweifelt, den dürften spätestens diese beiden Prachtexemplare bekehren: der neue BMW 730d und der Altmeister im Luxussegment, der Mercedes S 320 CDI. Als Benziner hat AUTO BILD beide Spitzenmodelle bereits verglichen, und dank seiner geballten Hightech-Ladung ging der 7er (knapp) in Führung. Aber wie schlägt sich der Diesel?

Der BMW-Diesel zieht das Zweitonnen-Dickschiff kraftvoll voran

7er BMW 730d
Viel Kraft, wenig Verbrauch: Der Diesel steht dem neuen BMW 7er blendend.
Bild: Uli Sonntag
Der Prospekt verspricht 245 PS und 540 Nm Drehmoment, da backt der Mercedes schon mal etwas kleinere Brötchen (235 PS, 540 Nm). Aber dafür prangt an dessen Flanken neuerdings der Schriftzug "BlueEfficiency". Dahinter steckt eine bedarfsgeregelte Servolenkung, eine Automatik, die sich im Stand abkoppelt, und Leichtlaufreifen – verbrauchsmindernde Maßnahmen allesamt. Der BMW besitzt dergleichen freilich auch ohne "BlueEfficency". Beim Anlassen wird die Vorfreude erst mal gedämpft: Es rumort vernehmlich, vor allem beim BMW. Das legt sich zwar bei warmem Motor, aber dennoch bleibt der Diesel im BMW akustisch präsenter, und im Leerlauf registriert der Fahrer leichte Vibrationen. Keine Frage: Leiser fährt es sich in der S-Klasse, wozu auch die geringeren Abroll- und Windgeräusche beitragen. Dass dies in unserer Phonmessung nicht erscheint, ist übrigens kein Widerspruch: Auf gewisse Frequenzbereiche reagiert das Ohr sensibler als das Messgerät, da entscheidet letztlich der subjektive Eindruck. Kritik auf höchstem Niveau, völlig klar. Und so, wie der Dreiliter-Diesel des BMW dieses Zweitonnenschiff wegzieht, steht seine Eignung als Luxusantrieb außer Zweifel. Die Sechsstufenautomatik harmoniert bestens, und beim Gasgeben fetzt es gehörig – Leistungsmangel ist wahrlich kein Thema. Dass er außerdem höchst sparsam mit dem Tankinhalt (80 Liter) umgeht, macht die Sache noch erfreulicher. 8,4 Liter auf 100 km Testverbrauch sind sensationell wenig für eine Kingsize-Limousine, die 245 km/h schafft und in 7,4 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt.

Bei der luftgefederten S-Klasse ist ganz eindeutig Komfort Trumpf

Mercedes S-Klasse S 320 CDI
Großer Gleiter: Im Mercedes kommt Fahrkomfort vor Fahrdynamik.
Bild: Uli Sonntag
Der Mercedes S 320 CDI lässt es nicht nur im Geräusch etwas ruhiger angehen. Sein Diesel ist kein Reißer, eher ein Cruiser – das passt zu einem Auto, das von seinem gelassenen Charakter her nicht zu Beschleunigungsduellen einlädt. Er genehmigt sich auch einen Schluck mehr (8,8 l/100 km), trotz Effizienzpakets. Da kommt der größere Tank (90 Liter) gelegen. Störend dagegen die vor allem beim Anfahren zögerliche Reaktion der Automatik. Ansonsten ist Komfort bei der S-Klasse Trumpf, wozu die Luftfederung maßgeblich beiträgt. Das Schluckvermögen der Anlage lässt selbst unter erschwerten Bedingungen nichts zu wünschen übrig, nur bei hohem Tempo wird sie etwas straffer. Im stahlgefederten BMW bekommen die Insassen mehr von den Unvollkommenheiten der Straße zu spüren, selbst wenn die serienmäßige Dämpferverstellung auf Komfort steht. Seine Paradedisziplin ist das Handling. Er ist ein Auto, das dem Fahrer gute Laune verspricht, wechselt die Richtung, als wäre er eine Nummer kleiner, mag Kurven und lädt zu beherzter Fahrweise ein – ein echter BMW. Die aufpreispflichtige Integral-Aktivlenkung, die auch die Hinterräder mitlenken lässt, würden wir uns übrigens unbedingt gönnen. Sie ist das fahrdynamische Sahnehäubchen des neuen 7ers. Ob mit oder ohne Diesel.
Fazit Drei Liter Hubraum sind nicht viel für so viel Auto. Aber was diese beiden Diesel daraus machen, verblüfft und ist über jeden Zweifel erhaben. Mehr Motor braucht keiner, um echten Antriebsluxus zu erleben. Das gilt auch für den BMW, dessen fahrdynamisches Talent unter dem Ölverbrenner keineswegs leidet. Er hat den knappen Vorsprung in den Punkten verdient, denn er kann in den objektiven Kriterien mehr. Wer dagegen vor allem eines will, nämlich entspannt reisen, der liegt bei der S-Klasse richtig.

Von

Wolfgang König