Praktische Familienklasse schont die Kasse

Die Ikea-Frage einmal anders gestellt: Träumst du noch, oder fährst du schon? Ein teurer SUV, Van oder Luxuskombi vor der Tür, das wär's doch, oder? Also abwarten und erst mal lossparen. Sofort losfahren ginge dagegen mit Kangoo, Berlingo und Co. Diese praktische Familienklasse schont die Kasse, keine Last ist ihr zu lästig. Und vor allem: Sie pfeift auf Prestige. Das hat genau 40 Jahre nach Erscheinen des legendären VW 147 "Fridolin" endlich auch VW gemerkt und den Caddy als Life mit ins Rennen geschickt. Grund genug, ihn mit den französischen Stammvätern dieser neuen Klasse zu vergleichen.

Aufrecht parken sie mit ihrem 1,80-Meter-Gardemaß vor Carports, Kindergärten, Super- und Baumärkten. Familienautos eben. Die aber schon Kompromissbereitschaft verlangen. Beispiel Caddy: Nur in seiner ersten Reihe bietet er Pkw-Optik. Ab Reihe zwei (zwei Plätze in Reihe drei kosten 597 Euro und den kompletten Kofferraum) dominiert Lieferwagen-Look in Form von viel lackiertem Blech und gepresster Pappe. Der Berlingo sieht da trotz billig wirkender Materialien schon etwas eleganter aus, der Kangoo wirkt insgesamt am wohnlichsten.

Doch sobald man alle Türen und Klappen öffnet, fällt die Kinnlade runter: Staunend stehst du vor Staufächern für Klein- und Großkram. In die vorderen Ablage-Galerien unterm Dach passen Akten oder gar Taschen, dann gibt es Schubladen unter den Sitzen, Dosenhalter, Handschuhfächer im Dach mit Steckdosen (nur Berlingo); Berlingo und Caddy haben hinten sogar zwei Geheimfächer im Boden.

Fahrleistungen und Verbrauch

Mit wenigen Handgriffen lassen sich die Fünfsitzer zu Zweisitzern machen. Die asymmetrischen Rücksitzlehnen umgelegt, dann samt Sitzfläche hochgeklappt – Wickelsitz nennt man dieses einfache Patent. Aber nur die Franzosen haben daran gedacht, dass ein dritter Fahrgast lieber rechts sitzt und dort auch den breiteren Platz vorfinden möchte. Eine weitere lästige Kleinigkeit: Haltegriffe oberhalb der hinteren Schiebetüren fehlen bei allen drei Wagen. Der Caddy hat dafür Halteschlaufen an den B-Säulen (der Käfer lässt grüßen), Renault spendiert nur dem Beifahrer einen einsamen Griff an der A-Säule.

Fahr-Aktivisten interessiert nun, ob die drei Hochbauer auch einigermaßen vom Fleck kommen. Wieder eine Überraschung: Der Schwächste ist nicht nur subjektiv der Sportlichste. Die 70 kW (95 PS) haben dank des geringen Leergewichts von 1220 Kilogramm (Citroën 1330, VW 1585 kg) mit dem Kangoo leichtes Spiel. Das kurz übersetzte Getriebe macht ihn zum frechen Ampelflitzer. Dabei gibt's leicht was auf die Ohren: Der 1,6-Liter arbeitet recht brummig. Solch üppig umbaute Volumina wirken auch als "gute" Resonanzräume – da müssen empfindliche Ohren durch.

Auf der Piste behält Berlingo dann die Nase vorn; immerhin schafft er 170 km/h. Was zum Verbrauch schielen lässt: 8,4 (Citroën) bis neun Liter (VW) Super werden im Mittel verheizt, das ist nicht so richtig zum Lachen, gibt nur mittlere Punktwerte.

Fahrwerk und Sicherheit

Die drei lustigen Laster sollen im Notfall aber auch schnell zum Stillstand kommen: Bremste der Berlingo als Erster, dann würde ihm der Caddy ins Heck krachen, der Kangoo dann die beiden noch ein Stückchen weiter schieben. Über 44 Meter Bremsweg aus Tempo 100 sind miserabel, sollten jeden Kangoo-Fahrer ermahnen, immer noch etwas mehr Abstand zu halten.

Aber noch eine Schwäche ließ unsere Tester staunen: Der Kangoo offenbart neuerdings einen kribbeligen Grenzbereich. Während Citroën und VW den VDA-Spurwechsel (vormals Elchtest) gut bis sehr gut absolvieren und prima die Kurven kriegen, kommt der Renault schnell auf zwei Rädern daher. Ein Rad hob er schon immer gerne – spektakulär, aber ungefährlich. Bei zweien hilft nur gefühlvolles Gegenlenken, um Außenspiegel und Türgriffe vorm Abrasieren zu bewahren. Zu abrupte Reaktion kann sogar einen Gegenschlag provozieren. Etwas Abhilfe schafft ein erhöhter Luftdruck, der kurvenäußere Vorderreifen krallt sich dann nicht mehr so am trockenen Boden fest. Ein zweiter (Michelin-bereifter) Testwagen zeigte sich etwas friedlicher als der mit Conti EcoContact ausgerüstete. Die Schleuderbremse ESP könnte hier hilfreich eingreifen, ist aber beim Kangoo nicht lieferbar. Citroën und VW haben sie – aber nur gegen Aufpreis.

Und wie sieht es mit den anderen Sicherheits-Details aus? Front- und Seitenairbags haben alle drei Testwagen, ebenso Gurtstraffer vorn mit Kraftbegrenzern. Zwei praktische Isofix-Haken für Kindersitze bieten auf der Rückbank Citroën (Mitte und rechts) sowie VW (auf den beiden äußeren Plätzen). Im Renault ist nur ein Isofix-Platz auf dem Mittelsitz, und das auch erst ab der Expression-Version. Nicht sehr kinderfreundlich in dieser Familienklasse.

Technische Daten und Testwerte

Der Renault gibt sich haltlos. 44 Meter sind vier Meter mehr als beim Citroën und eine volle Wagenlänge zu viel.

Kosten und Ausstattungen

Hinterm Lenkrad sind sich die zwei Franzosen sehr ähnlich: Der Fahrer sitzt recht hoch, hat das handliche Lenkrad etwas zu niedrig vor sich, dessen Servo-Unterstützung in beiden bei Ausweichmanövern leider zu schnell schlappmacht.

Der Caddy lässt die Verwandtschaft zur Golf-V-Plattform und zur Touran-Front spüren. Dass er hinten nur eine blattgefederte Starrachse mitschleppt, gerät ihm erstaunlicherweise nicht zum Nachteil. Und noch was ist neu für einen VW: Die Aufpreisliste ist verblüffend kompakt gehalten.

Fazit und Wertung

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Diether Rodatz Typisch Wolfsburg: Erst einen Trend lange verschlafen, dann gemächlich hinterhertrödeln – und urplötzlich an der Spitze stehen. Es gehört wenig Fantasie dazu, dieser anno 96 von PSA (Citroën Berlingo, Peugeot Partner) entdeckten Familienklasse eine große Zukunft zu prophezeien. Hoher Nutzwert, günstige Preise, wenig Prestige – Autos der Vernunft eben.

Wobei wir doch schon sehnlichst auf etwas Modellpflege warten. Die Franzosen sollten edlere Materialien verwenden, billige Klapper-Kunststoffe verleiden schon mal die Freude am Fahren. Renault braucht dringend ESP (oder eine Fahrwerk-Überarbeitung). Volkswagen sollte beim Caddy Life mal bessere Innenarchitekten ranlassen. Die Mittelkonsole stößt großen Fahrern ans Knie, ab Reihe zwei überwiegt Nutzfahrzeug-Optik, die hinteren Kopfstützen behindern die Rücksicht. Sonst aber ist diese Klasse einfach klasse.

Welcher Lastesel gefällt Ihnen besser?

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