Wieder ein Porsche mit VW-Motor

So manch einer der Kollegen hätte seine besten Schlamm-Gummistiefel darauf verwettet: Das macht Porsche nicht noch einmal. Und es ist doch passiert. Wieder gibt es ein Auto, an dem Porsche draufsteht, aber Volkswagen drin ist. Wieder, das heißt zum dritten Mal. 1969 erblickte zum ersten Mal ein Kind mit dem Doppelnamen VW-Porsche das Licht der Welt. Der Mittelmotor-Sportwagen 914 mit VW-Boxermotor wurde bis zum Produktionsende 1975 nie als echter Porsche anerkannt. Kaum besser erging es danach dem Porsche 924. Diesmal ohne VW-Emblem, aber mit einem Motor aus dem VW/Audi-Regal. Kein Image, dafür hatte er wirtschaftlichen Erfolg.

Und nun der dritte Versuch, diesmal auf Porsches jüngster Spielwiese, dem Geländewagen-Segment. VW Touareg und Porsche Cayenne teilen sich das gleiche Karosserie-Presswerk in Bratislava. Danach werden die Cayenne-Karossen nach Leipzig transportiert und dort endmontiert. Eigens für den Cayenne entwickelten die Stuttgarter einen neuen Achtzylindermotor. 340 oder 450 PS stark, macht dieser V8 auch den 2,5 Tonnen Leergewicht des Cayenne ordentlich Beine. Ist aber nicht unter 60.000 Euro zu haben.

Deshalb musste noch ein Einsteigermodell für die 50.000-Euro-Klasse her. Weil die Sechszylinder aus Carrera und Boxster nicht passen, blieb keine andere Möglichkeit als der Rückgriff auf die bewährte Liaison zwischen Stuttgart und Wolfsburg. Der V6 aus Golf und Touareg bildet die Basis. Im Touareg 220 PS stark, im Cayenne nach Porsche-Feinarbeit mit variabler Saugrohranlage 250 PS leistend. Ein neuer VW-Porsche ist geboren. Doch es bleibt die alte Frage: Wird er als Porsche akzeptiert?

Touareg mit weniger Temperament

Wir wissen es nicht, finden den Sound des Motors aber schon mal recht eindrucksvoll. Gegenüber dem praktisch gleichen Motor im VW Touareg hört sich dieser Basis-Cayenne aggressiver, temperamentvoller und tatendurstiger an. Also durchaus Porsche-like. Auch der Antritt in den unteren drei Gängen des Sechsgang-Getriebes kann sich sehen lassen. Lahm wirkt der Cayenne nie. Der VW Touareg tritt da spürbar verhaltener auf. 30 PS weniger, dazu eine längere und damit drehzahlsenkende Achsübersetzung kosten messbar Temperament. Dafür bedient sich der VW nicht ganz so zügellos aus dem Tank. Bei gleicher Fahrweise bleibt er praktisch immer gut einen halben Liter Super Plus pro 100 km sparsamer.

In Sachen Temperament findet der Porsche freilich im BMW X5 seinen Meister. Trotz 19 PS weniger hängt der ihn in jedem seiner sechs Gänge ab. 175 Kilo weniger Gewicht machen es möglich. Der BMW-Reihensechszylinder klingt dabei kaum weniger rasant als der aufgepeppte VW-V6 aus dem Porsche. Und der BMW erweist sich obendrein als der sparsamste der vier Einsteiger-Benziner der großen SUV-Klasse.

Der Volvo beschreitet einen anderen Weg. Gegenüber der Konkurrenz fehlt es seinem Motor an einem Zylinder und gut einem halben Liter Hubraum. Weil der heiser knurrende Fünfzylinder aber so zu wenig Kraft hätte, helfen die Schweden mit einem Turbolader nach. Dieses bei heutigen Dieselmotoren probate Mittel zur Leistungssteigerung nutzt Volvo bereits seit 24 Jahren auch bei Benzinern. Allerdings mit unterschiedlicher Auslegung.

Mal als typischer Turbo mit großem Turboloch und dann explosiver Leistungsentfaltung, mal wie beim XC90 als sanfter Rückenwind, der schon ab 1400 Touren spürbar anschiebt, aber nie zum Orkan mutiert. Gegenüber den größeren Saugmotoren hat der kleinere Turbomotor des Volvo theoretisch den Vorteil des geringeren Verbrauchs bei sehr sanfter Fahrweise. Das bestätigt der XC90 mit einer Ersparnis von mindestens einem halben Liter/100 km.

Verzögerte Gasannahme beim Volvo

Der Turbo hat aber auch den theoretischen Nachteil des höheren Verbrauchs bei sehr schneller Fahrweise. Auch dies bestätigt der Schwede, denn bei Vollgas säuft er fast so viel wie der Porsche, ohne ihm aber im Höchsttempo folgen zu können. Bleibt als entscheidender Nachteil des Volvo-Motors die gegenüber den Konkurrenzmaschinen verzögerte Gasannahme. Es dauert zwar nicht einmal eine Sekunde, bis der Turbo anschiebt, aber gerade die stört zuweilen doch. Die Schweden haben einen guten Turbomotor gemacht, zweifellos. Aber die weniger komplex aufgebauten Saugmotoren mit schlicht und einfach mehr Hubraum ziehen nicht schlechter und reagieren nun mal wesentlich spontaner auf Gaspedalbewegungen.

Seien wir also froh, dass wenigstens bei den Benzinern noch die Wahl zwischen kleinem Turbo und großem Sauger bleibt. Bei den in dieser Fahrzeugklasse populären Dieseln mussten wir uns dagegen längst dem Dopingmittel Turbolader geschlagen geben und das lästige Turboloch zunächst einmal als gegeben akzeptieren.

Der etwas weniger sportliche Antritt des Volvo-Motors passt gut zum Charakter des XC90. Der wuchtige Wikinger verleitet nie zum Rasen, obwohl er keineswegs lahm ist. Perfekt durchgeschaltet, hängt er bei der Beschleunigung sogar den Porsche ab. Aber sein mit stoischem Geradeauslauf gesegnetes Fahrwerk und die kühl-wohnliche Innenausstattung leben dem Fahrer eine lässige Großzügigkeit vor, der er sich gern anschließt.

Im Porsche Cayenne herrscht dagegen mehr Action. Die direkte Lenkung wirkt im Vergleich zum Volvo schon fast nervös. Der Porsche fordert seinen Fahrer mehr. Er erwartet mehr Konzentration von ihm, mehr Zuwendung. Der dezent röhrende Motor reizt zu Schaltmanövern, auf die der Volvo-Fahrer nie kommen würde. Die trockenere Federung und die üppige Instrumentenansammlung verdeutlichen dem Porsche-Besitzer in jeder Sekunde, worauf es hier ankommt: auf das Fahren.

X5 ist der wahre Porsche unter den SUV

Von ganz ähnlichem Naturell ist der BMW X5. Auch sein Motor will nicht nur der bloßen Fortbewegung dienen. Er sucht die Beschäftigung mit dem Fahrer. Das Rühren im Sechsgang-Getriebe soll hier eine Lust sein, keine Last. Zum Glück trat der X5 3.0i nicht mit dem Sportpaket, sondern mit der normalen Fahrwerksabstimmung zum Test an. Das erspart unnötige Ruppigkeit und zeigt, dass der BMW auch so der wahre Porsche unter den SUV ist. Auch durch den zum neuen Modelljahr überarbeiteten Allradantrieb mit blitzartig reagierender Lamellenkupplung nimmt er Kurven schon fast unverschämt rasant. Dabei helfen ihm das gegenüber dem Porsche deutlich geringere Gewicht und eine gekonnte Fahrwerksabstimmung. Mit diesem Normalfahrwerk ist der X5 weit davon entfernt, eine Sänfte zu sein, aber dennoch ein überaus angenehmer und agiler Reisewagen.

Federungskomfort ist auch die starke Seite des VW Touareg, selbst mit dem Normal-Fahrwerk, also ohne höhenverstellbare Luftfederung. Sein sachlich eingerichtetes Interieur wirkt fast noch nordischer als das des Volvo. Der VW umschmeichelt mit großzügigen Sesseln und überspielt auf dieser Weise sein geringeres Temperament. Man glaubt kaum, dass Porsche und VW sich bei Cayenne und Touareg die gleiche Rohkarosserie teilen, das gleiche Fahrwerk, den gleichen Allradantrieb, die gleiche Lenkung. Und hier sogar den gleichen Motor.

Der VW wirkt gesetzter, ruhiger, zurückhaltender. Er zwingt seinem Fahrer keinen Fahrstil auf. Er will nur, dass sich sein Fahrer wohl fühlt. Dass er in Sachen Tempo mit den anderen nicht wirklich Schritt halten kann, vor allem nicht in den oberen Gängen, was soll's? Ausreichend flott, sich nicht zu blamieren, ist er.

Im VW schnorchelt der V-Sechszylinder sanft vor sich hin. Ausbrüche von zügellosem Temperament sind ihm fremd. Lenkung und Fahrwerk sind befreit von der Direktheit des Porsche. Der Touareg betrachtet sich als Diener seines Fahrers, will ihm einen angenehmen Tag ermöglichen, kein pulsierendes Erlebnis. Ein VW-Fahrer steigt womöglich mit Herzrhythmusstörungen ein. Aber nach einer Stunde Fahrt fühlt er sich schon so entspannt wie nach einem Tag Wellness in Oberammergau. Da nimmt man es gern in Kauf, an der Ampel oder auf der Autobahn auch mal den Kürzeren zu ziehen.

Im Gelände prescht der Touareg vor

Das beruhigende Wesen des Touareg hat zweifellos auch etwas damit zu tun, dass VW ihn am konsequentesten für nicht alltägliche Aufgaben vorbereitet hat. Egal ob es darum geht, Nachbars Limousine aus dem verschneiten Straßengraben zu bergen, den Zweimaster eines Freundes sicher nach Italien zu bringen oder einfach nur einen verschlammten Parkplatz auf dem Frühlingsfest zu nutzen, der Touareg ist solchen Aufgaben in dieser Klasse stets am besten gewachsen. Die auch ohne Luftfederung beträchtliche Bodenfreiheit und der wirksame Allradantrieb mit Untersetzung und manuellen Sperren helfen ihm dabei. Davon können Volvo- oder BMW-Fahrer nur träumen. Oder sich ihr teures Auto ruinieren.

Schon manche Kupplung ist beim Versuch verraucht, einen schweren Wohnanhänger auf einem bergigen Campingplatz in die zugewiesene Parzelle zu bugsieren. Jedenfalls dann, wenn das Auto kein Untersetzungsgetriebe mit Geländegang hat. So etwas Praktisches haben VW und Porsche, bei Volvo und BMW fehlt eine Reduktionsstufe. Kein Wunder, dass die zulässigen Anhängelasten bei ihnen wesentlich niedriger ausfallen. Den typischen Winterbetrieb dagegen meistern alle vier Kandidaten souverän, trotz ungleicher Allradtechnik. Permanenten Allradantrieb haben sie alle, aber auf zwei Arten realisiert.

Porsche und VW nutzen ein klassisches Zentraldifferenzial zur Verteilung der Antriebskräfte. VW entschied sich für die klassische 50:50-Aufteilung zu Vorder- und Hinterachse, Porsche für ein sportlicheres 38:62-Verhältnis für mehr Kraft am Heck und damit mehr Kurvenwilligkeit. Den Unterschied spürt man vor allem in engen Kurven, in denen der VW mehr als der Porsche über die eingeschlagenen Vorderräder geradeaus schiebt.

BMW und Volvo dagegen treiben eine Achse direkt an (BMW hinten, Volvo vorn), die zweite vermehrt dann, wenn die primär angetriebene Achse zum Durchdrehen neigt. Das BMW-System xDrive ist dabei deutlich schlauer und schneller als die simplere Volvo-Haldex-Kupplung. Denn der BMW kann in Zweifelsfällen schon Kraft zur zweiten Achse leiten, wenn nur die Gefahr zum Durchdrehen besteht, beim Anfahren beispielsweise. Der Volvo-Allradantrieb wird erst aktiv, wenn die Vorderachse schon durchdreht.

Kosten und Ausstattungen

Bei den Kosten muss einem eines klar sein: Die Fahrkultur eines Benzinmotors kostet Geld, jedenfalls an der Tankstelle. An weniger als 13 Liter pro 100 km braucht man im Alltag nicht zu denken. Wer hier in Ohnmacht fällt, muss in der großen Klasse doch zum Diesel greifen. Den gibt es bei BMW, Volvo und VW, nicht aber bei Porsche. Noch nicht. Denn ein Auto von Porsche mit Diesel – auch auf diesen Tabubruch laufen bereits erste Gummistiefel-Wetten bei uns.

Technische Daten und Testwerte

Mit den hervorragenden Michelin-Serienreifen und einer wirksamen Bremsanlage erreicht der BMWfabelhaft kurze Bremswege, die denen von guten Sportwagen kaum nachstehen. Auch der Volvo verzögert sehr gut. Nachlassende Bremswirkung bei heißen Bremsen ist bei keinem der vier Kandidaten ein Thema. Im Gegenteil: Porsche und VW bremsen mit heißen Bremsen sogar noch besser als mit kalten. Alle vier sind überdies serienmäßig mit der elektronischen Fahrund Schleuderhilfe ESP ausgerüstet.

Fazit und Endwertung

Fazit Vierter Vergleichstest mit dem Touareg – und zum vierten Mal gewinnt er. Zufall? Nein, denn stets verschafft er sich in der Karosserie- und Geländewertung den Vorsprung. Und den kann hier auch der vergleichsweise müde V6-Motor nicht zunichte machen. Der flottere, aber teurere Porsche folgt auf Platz zwei. Dahinter: der besonders geräumige Volvo und der besonders sportliche, aber unpraktischere BMW.

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