Die Faszination Turbo ist ungebrochen

Iwan Pawlow (1849–1936) war Verhaltensforscher. Immer wenn er seinem Hund zu fressen gab, läutete er eine Glocke. Bereits nach kurzer Zeit aktivierte allein deren Klang den Speichelfluss des Tiers. Dieses Experiment ist auf den Menschen übertragbar: "Turbo" – die bloße Nennung dieses Begriffs weckt reflexartig Gedanken an Leistung, Fahrspaß und nachdrückliche Beschleunigung. Wem bei Turbo nur Diesel einfällt, dem sei ein Besuch beim Neurologen empfohlen. Die Faszination der Abgasturboaufladung ist ungebrochen – Kompressor-Boom hin oder her. Die Tatsache, dass der Lader in braven Vans zum Einsatz kommt, weckt unsere Neugier erst recht. Kleiner Motor in großem Auto – eine spannende Konstellation.

Der Zafira OPC hat zwar sieben Sitzplätze, aber nur zwei Liter Hubraum. Die sind für 200 PS gut – Wahnsinn! In Anbetracht der nüchternen Außenhülle des Opel erwartet man eher Solarzellen auf dem Dach als einen Spaßmotor unter der Haube. Das altbewährte Aggregat (bekannt aus Speedster und Astra) glänzt mit tadelloser Laufkultur. Der Turbo-Kick setzt früh ein und hört spät auf. Und alles, was dazwischen liegt, macht Spaß. Die starke Familienkutsche hat sich etabliert. Seit 2001 auf dem Markt, erfreut sie sich einer kleinen, aber treuen Fangemeinde.

Der nagelneue PT Cruiser Turbo bietet nur fünf Personen Platz, darf aber immerhin aus 2,4 Liter Hubraum schöpfen. Sein Motor folgt der ursprünglichen Turbo-Lehre: Erst passiert lange nichts. Ab 3000 Umdrehungen setzt dann unvermittelt der Lader ein. Mit einem riesigen Satz schießt das Auto nach vorn – ungestüm, ungehobelt und doch ungemein sympathisch. Überhaupt: Den Stil des PT Cruiser muss man einfach mögen. Das Retrodesign ist und bleibt ein Renner. Vor allem jetzt, nachdem Chrysler dem Gefährt endlich einen druckvollen Motor spendiert hat. Die bis dato verfügbaren Aggregate waren eher phlegmatische Gesellen.

Technische Daten

Nur Kenner identifizieren das Topmodell auf Anhieb: Die Leichtmetallräder in 17 Zoll und der Sportauspuff fallen erst bei genauem Hinsehen auf. Im Innenraum erspäht das Auge viel billiges Plastik und Sessel statt Sitze. Deren Lehnen links und rechts bieten müden Armen Halt und zeigen, wohin die Reise geht – in Richtung Kuschelecke. Sportlichkeit will Chrysler seinen Kunden offensichtlich nur in homöopathischen Dosen zumuten.

Die OPC-Abteilung aus Rüsselsheim agiert da skrupelloser – und das ist gut so. Schürze vorn, Schürze hinten, Seitenschweller und schicke Felgen – Biedermann war gestern. Nur der mickrige Auspuff will zum stämmigen Auftritt nicht so recht passen. Die sehr straffen Sportsitze stammen von Recaro, die Instrumente sind weiß unterlegt. Doch zugegeben: So ganz hochwertig kommt auch das Zafira-Cockpit nicht daher.

Testwerte

Das tut dem Fahrvergnügen keinen Abbruch. Die Opelaner geben sich alle Mühe, dem tollen Motor eine adäquate Abstimmung zur Seite zu stellen. Das straffe Fahrwerk lässt manches Schlagloch zwar zu ungefiltert passieren, kann dafür mit einer für Van-Verhältnisse hervorragenden Kurvenlage glänzen. Auch unmäßige Seitenneigung hat OPC dem Auto erfolgreich abgewöhnt. Die Lenkung dürfte zwar etwas gefühlvoller sein, dafür stimmt uns das Getriebe versöhnlich. Butterweiche Gangwechsel machen die Arbeit am Schaltknüppel zum Vergnügen. Erst bei imposanten 220 km/h stoppt der Vortrieb. Genug für einen klangvollen Superlativ: "Schnellster (Serien-)Van der Welt". Hohe Durchschnittsgeschwindigkeiten verhindert das mangelnde Überholprestige. Das tendiert trotz Spoiler gegen null.

Der Chrysler fährt sich annehmbar – mehr aber auch nicht. Massive Schlupfprobleme zehren an Reifen und Nerven. Ob beim Anfahren oder beim Herausbeschleunigen aus Kurven – der Fronttriebler neigt zum Durchdrehen. Die Traktionskontrolle vermag daran kaum etwas zu ändern. Auf Kurven fährt der PT ohnehin nicht wirklich ab. Das Fahrverhalten ist alles andere als agil, aber unkritisch und ausreichend komfortabel. Abgesehen von lauten Windgeräuschen steckt der PT Cruiser Tempo 200 locker weg.

Preise und Fazit

Das war's dann ohnehin. Die Elektronik regelt nämlich bei 200 km/h ab. Dabei könnte der PT lockerflockig 220. Den Fahrer plagen Hassattacken: Mit 223 PS unterm Hintern nascht einen jeder Heini mit 130 Diesel-PS weg. Zu allem Überfluss setzt der Begrenzer unvermittelt und äußerst brutal ein – ein Gefühl, als würden einem in vollem Lauf die Beine weggeschlagen. Dafür kann es nur ein Urteil geben: Ungenügend, setzen! Ach ja: Der 6000 Euro billigere PT Cruiser 2.0 rennt bereits 190 km/h.

Uns stört noch mehr. Das nervtötende Gepiepse zum Beispiel. Die PT-Cruiser-Jukebox erklingt, sobald der Fahrer es wagt, den Motor abzustellen und den Schlüssel im Zündschloss stecken zu lassen. Und noch zu vielen anderen Anlässen. Nicht immer, aber viel zu oft. Wenigstens eine schlechte Eigenschaft teilt sich der PT Cruiser mit dem Zafira: den hemmungslosen Durst. Bei Vollgas konsumieren beide gut 25 Liter und mehr. Das relativiert den günstigen Grundpreis der beiden Blaumänner. Dem von uns getesteten Zafira machte zudem ein Problem zu schaffen, das seine Reichweite auf unter 200 Kilometer beschränkt. Bereits bei drittelvollem Tank kam es unter Volllast zu Aussetzern, die Maschine nahm kurzzeitig kein Gas an. Nur Volltanken half. Opel kann sich das Problem nicht erklären: "Ein Einzelfall." Auch wenn der Turbo-Schuss in Sachen Spritkonsum nach hinten losgeht – hat da nicht jemand gebimmelt?

Fazit Ein Hoch auf den Turbo! Die Motoren von Zafira und PT Cruiser gefallen uns ausgezeichnet – obwohl sie saufen wie die Löcher. Dem Newcomer von Chrysler gelingt es trotzdem, sämtliche Sympathien zu verspielen – durch eine erstaunliche Anhäufung von Mängeln und Marotten. Vor allem die vermurkste Abregelung lässt uns fassungslos zurück. Der Opel gewinnt den Vergleich mit großem Vorsprung. Er ist nicht perfekt – aber gut.