War ja klar, dass Dacia mal wieder den großen Pokal im Preis-Boxen heimschleppt. Schließlich gibt es den Dokker mit Benziner schon ab 8990 Euro. Unsere beiden Testwagen – beides Diesel – trennt beim Grundpreis der Gegenwert eines vollgetankten Dacia Sandero in Basis-Ausstattung. So etwas sorgt auch in der AUTO BILD-Testredaktion für heiße Diskussionen. Kann der VW Caddy überhaupt so viel besser sein? Und lassen sich die beiden Raumwagen tatsächlich sinnvoll vergleichen? Wir meinen: Ja. Auch wenn die subjektive Sicht nicht außen vor bleiben kann. Schließlich geht es letztlich um eine Frage: Wie perfekt muss ein sachliches Auto für sachliche Leute sein? Genügt es nicht, wenn die Kiste einfach groß und praktisch ist?
Noch mehr Autos für die Familie mit Schiebetür

Überblick: Alle News und Tests zum VW Caddy

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Video: VW Caddy vs. Dacia Dokker

Billiger, aber genauso gut?

Klar, wichtigstes Familien-Thema bleibt der Platz. Weder Caddy noch Dokker geben sich hier Blößen. Und auch beim Ein- und Aussteigen spielt das Geld keine Rolle: Je zwei hintere Schiebetüren machen es den Mitfahrern bequem. Doch wenn sie sitzen, dann loben sie den VW: Er bietet etwas mehr Beinfreiheit und Sitzauflagefläche. Mess- und spürbar, aber nicht so üppig, dass sich die Passagiere im Dokker wie arme Hunde fühlen würden. Die Sessel des VW bieten außerdem mehr Halt und eine rückenfreundliche, straffe Polsterung. Die fluffigen Dacia-Sitze wirken nur beim ersten Räkeln kurz bequem, zudem fühlt sich der Fahrer hinterm Lenkrad mehr wie ein Kutscher: Er sitzt schlicht zu hoch. Gemütlichkeit nach Wohnzimmer-Art ist keine Tugend des Dacia, selbst dann nicht, wenn sein Käufer zur getesteten Lauréate-Version greift. Kühl glänzt sogar beim teuersten Dokker der lackierte Rumänenstahl, so viel Nutzfahrzeug-Optik muss man als Privatmensch mögen. Das gilt jedoch auch für die Basisversion des Caddy. VW weiß, warum der Testwagen in der besseren Trendline-Version kommt: In deren gediegenem Innenraum fühlen sich auch Menschen wohl, die den Caddy nicht als Pizzataxi oder Klempnershuttle nutzen.

Überblick: Alle News und Tests zum Dacia Dokker

Dacia Dokker
Spürbarer Rotstift: Der Dokker ist zwar günstig, zeigt im Detail aber mitunter, wo gespart wurde.
Der Dacia zeigt auch sonst in vielen Details, wo der Renault-Konzern den Rotstift gespitzt hat. Hier ein Kunststoffteil mit spürbarem Guss-Grat, da eine scharfe Metallkante, an der sich der entdeckungsfreudige Nachwuchs wehtun kann, überall simpel zusammengestecktes Hartplastik – wer sparen will, muss solche Grobheiten einfach übersehen. Und außerdem lernen, mit der unübersichtlichen Karosserie des Dacia zu leben. Mit seiner Flügel-Hecktür, den dicken Dachpfosten und dem Aufwärtsknick in den hinteren Seitenfenstern macht der Dokker das Rangieren für Fahrer ohne Röntgenbrille zur reinen Glückssache. Der Caddy dagegen ist dank seiner größeren Glasflächen viel besser zu überblicken. Noch wichtiger ist für reisefreudige Familien ein Blick in die Gepäckabteile – und da sehen beide Kontrahenten gleichermaßen gut aus: So nimmt der VW Caddy mit ausgebauter Rückbank 3030 Liter mit. In den Dokker passen maximal 3000 Liter, was in beiden Fällen etwa einer Europalette Rindenmulch entspricht. Doch Vorsicht, liebe Extremgärtner: Die maximale Zuladung von 706 (VW) und 584 Kilogramm (Dacia) wäre damit deutlich überschritten.
Dass Geld nicht alles ist, zeigt der hauchdünne Vorsprung des VW im Antriebskapitel. Bei Dacia dürfen sie neuerdings taufrische Technik aus dem Renault-Regal holen, statt museale Mechanik weiterverwenden zu müssen – dem Dokker tut es gut: Sein 90-PS-Dieselmotor läuft kultiviert, ist sparsam (Testverbrauch 5,5 Liter/100 km) und hat genug Mumm, um den rund 4,4 Meter langen Fünfsitzer über 160 rennen zu lassen. Der TDI-Motor des VW rumort etwas leiser, ist aber nicht sparsamer: 5,9 Liter pro100 Kilometer. Doch er hat den größeren Tank und beeindruckt auf dem Weg zum Ferienhaus mit über 1000 km Reichweite.
Dacia Dokker VW Caddy
Fahrsichere Vans: Dacia und Caddy kommen serienmäßig mit einem gut abgestimmten ESP.
Auf der langen Reise behandelt der Caddy seine Passagiere sanfter als sein günstiger Widersacher. Das Fahrwerk des Dokker überrascht mit straffer Abstimmung und wirkt auf der Landstraße beinahe sportlich, was ihm auf Anhieb niemand zutrauen würde. Der weicher abgestimmte Caddy spielt dagegen gekonnt die Komfort-Karte, wirkt auf welligen Fahrbahnbelägen aber schaukelig, solange er leer ist – in beladenem Zustand federt der VW deutlich souveräner. Fahrsicher sind sie beide: Auch der Dacia kommt inzwischen mit serienmäßigem und gut abgestimmtem ESP. Eine feinfühlige Lenkung liefern die Rumänen aber weder für Geld noch gute Worte: Träge setzt der Dokker jeden Dreh am Lenkrad um, es fehlt an Rückmeldung, ein Pinsel in einem Eimer mit Kleister fühlt sich ganz ähnlich an. Die Lenkung des VW reagiert williger und wacher – gut, wenn es Papa auf dem Weg zum Baumarkt doch mal eilig hat. Doch am Ende ist es ein anderes Hindernis, das dem Durchmarsch des Dacia im Weg steht. Wer bei 100 km/h voll in die Eisen steigt, steht erst nach über 42 Metern – völlig indiskutabel, selbst in der Knauser-Klasse. Der VW braucht nur 37,7 Meter, stoppt also eine volle Wagenlänge früher. Liebe Dacia-Entwickler, so kann das nicht bleiben – hier bremst sich der große Billigheimer ohne Not aus.
Denn sonst spricht nicht viel dagegen, sich einen Dokker unter den Carport zu stellen. Außer vielleicht, der Käufer ist so detailverliebt, wie auch der VW Caddy selbst wirkt. Für das viele Geld bietet der Volkswagen zwar nicht mehr Platz oder Dampf, aber eben spürbar mehr Perfektion. Groß und praktisch sind sie beide – ohne Diskussion.

Fazit

von

Lukas Hambrecht
Wer das Thema Auto ganz und gar sachlich sieht, dem ist es egal, ob die lieben Kleinen nun die Sitze eines Premium- Transporters vollkleckern oder die eines simplen, gut gemachten Nice-Price-Vans. Der Dacia ist ein interessantes Auto für Käufer, die viel Platz brauchen und wenig Geld ausgeben wollen. Größtes Manko des Dokker: Auch ein billiges Auto muss heute besser bremsen können.

Von

Lukas Hambrecht