Hat der Diesel eine Zukunft? Darauf gibt die Automobilbranche viele Antworten: Während VW und Mercedes den Selbstzünder immer sauberer machen, werfen andere Hersteller große Diesel aus dem Motorraum.
Vor knapp fünf Jahren sorgte der Dieselskandal für ein Erdbeben in der Automobilbranche. Die Folge war ein Elektrifizierungsprogamm für ganze Modellreihen, das reichte von Mild- und Voll-Hybriden bis zu batterielektrischen Autos. Hier folgen Details zu den Diesel-Plänen der Hersteller.
VW-Pläne mit dem Diesel
Rund 70 Prozent der Passat-Kunden kaufen einen Diesel.
Trotz allem, der Diesel ist noch nicht tot: Volkswagen setzt beispielsweise in der technischen Entwicklung auf die Zauberformel: Twindosing – zwei SCR Katalysatoren, die gemeinsam das Temperaturfenster der Abgasnachbehandlung weiter öffnen und der Motor dann so im Vergleich zum Vorgänger bis zu 80 Prozent weniger Stickoxide ausstößt. Die Idee: Ein SCR-Kat mit Harnstoffeinspritzung beginnt mit seiner Reinigungsarbeit nahe am Motor, der andere ist am Unterboden des Fahrzeugs tätig. Aufgrund des größeren Abstands zum Aggregat ist die Abgastemperatur vor dem zweiten Katalysator um bis zu 100 Grad Celsius niedriger. Zusätzlicher Effekt: Sowohl beim Kaltstart als auch bei der Reinigung des Dieselpartikelfilters werden weniger Schadstoffe emittiert.
70 Prozent der Passat-Neuwagen sind Diesel
"Der Dieselmotor ist die Volkswagen-DNA. Er leistet einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der CO2-Flottenverbrauchsziele und der EU-Klimaziele", sagt Markus Köhne, Leiter der Dieselentwicklung beim Wolfsburger Autobauer und fügt hinzu, dass "die Langstreckentauglichkeit das Alleinstellungsmerkmal des Diesels bleiben wird." Das sehen die Autofahrer ähnlich und ordern 70 Prozent der Passat mit diesem Motor. Wolfsburg merkt offenbar, dass die Elektromobilität nicht die alleinige Zukunft des Konzerns ist. Allerdings hat diese Sache einen Haken. So gut diese Reinigungstechnologie, die im Motor EA288 evo beim Passat und dem Golf 8 zum Einsatz kommt, auch sein mag, ist sie nicht für jedes Segment gedacht beziehungsweise lohnend. Unterhalb der Golf-Klasse wird es sie nicht geben. Allerdings kann sie durchaus bei leistungsstärkeren Motoren zum Einsatz kommen und so SUVs zu wahren Saubermännern machen. In Ingolstadt machen sie Nägel mit Köpfen und haben europaweit alle sportlichen S-Modelle auf Dieselantrieb umgestellt. Nicht nur für Kilometerfresser sind die 347 PS starken Dreiliter-Diesel eine perfekte Symbiose aus Fahrleistungen und Effizienz – perfekt für Modelle wieAudi S4, S5/SQ6 oder S6/S7.
BMW stampft Quadturbo-Diesel ein
BMW stampft in diesem Jahr die 50d Quadturbo-Diesel ein.
Auch wenn die Hexenjagd vorbei zu sein scheint, wird dem Dieselmotor aber nicht mehr die Liebe früherer Tage zuteil. Beispiel BMW. Der Münchner Autobauer verbaute noch im April weiterentwickelte Sechszylinder-Selbstzünder mit einer weiterentwickelten Abgasnachbehandlung und einer Mildhybridisierung (MHEV) in der 3er Reihe, aber bei den leistungsstarken Modellen ist von der propagierten Strategie "Power of Choice", also dass der Kunde sich den Antriebsstrang aussuchen kann, aktuell nicht mehr viel übrig. BMW stampft die bärenstarken Quadturbo-Diesel der 50d Modelle mit ihren 400 PS ein. Ein Nachfolger ist hier nicht in Sicht und somit müssen als Topversion in Modellen wie demBMW 7er, X5/X6/X7 oder dem 5erzukünftig rund 350 PS reichen.
Achtzylinder-Diesel ohne Zukunft
Mercedes bietet als einziger Premiumhersteller einen Diesel-Plug-in-Hybrid an.
Aber die Münchner stehen nicht allein da, wenn es um die abgewürgte Topleistung geht. Die Power hört beim Diesel bei Jaguar bei sechs Zylindern und 221 kW/300 PS auf, beim Range Rover sind es noch zwei Töpfe und 37 kW/50 PS mehr, aber die 294 kW/400 PS-Marke wird nicht geknackt. Der Achtzylinder-Diesel hat keine Zukunft und so soll auch beim neuen Range Rover, der 2021 seine Premiere feiert, ein rund 350 PS starker Dreiliter-Diesel zum europäischen Volumenaggregat werden. Ähnliches gibt es bei Mercedes zu beobachten: Das Top-SUV GLS hat als 400 d 4Matic einen Sechszylinder-Diesel mit 243 kW/330 PS. Die Schwaben haben immerhin einen Diesel mit Plug-in-Hybridisierung im Angebot. "Unsere neue Motorenfamilie 'FAME' mit innovativen Benzin- und Dieselmotoren haben wir in den letzten Jahren erfolgreich flächendeckend in unser Portfolio eingeführt. Diese Motorengeneration wird noch in diesem Jahr durch weitere, innovative und hocheffiziente Varianten wie beispielsweise einer Weiterentwicklung unseres beliebten Dieselmotors OM654 in Verbindung mit 48V-Technologie erweitert. Zudem bereiten wir unser aktuelles Motorenportfolio entwicklungsseitig aktuell intensiv auf die zukünftigen Emissionsklassen vor", so Dr. Torsten Eder, Leiter Produktgruppe Antriebe bei Mercedes.
Diesel-Renaissance in den USA?
Auch bei Opel ist die Dieselpalette ausgedünnt.
Auch bei Opel hat Carlos Tavares hartes Zahlenmanagement die Reihen der Selbstzünder zuletzt deutlich ausgedünnt. Schließlich lautet die Maßgabe des portugiesischen Konzernlenkers, dass nur solche Modelle gebaut werden, die auch Geld bringen. Und im Volumen sollen das bei den betont kleinen Modellen in erster Linie Benziner mit drei und vier Zylindern sowie Plug-in-Hybriden und Elektromodelle sein. Ganz leicht wird es der Dieselmotor daher in Zukunft speziell in Europa nicht haben. Anders sieht es in den USA aus, wo im einstigen Land der Dieselhasser immer mehr Full-Size-Pick-ups mit einem ebenso drehmomentstarken wie sparsamen Selbstzünder geordert werden. Vielleicht haben dort hochmoderne Dieselmotoren eine neue Zukunft?