Ein gehöriger Spagat, den die E-Klasse da hinlegen muss. Sie soll den Abteilungsleiter ebenso verführen wie den Taxifahrer, sie muss Nutztier sein, aber auch Prestigeobjekt, sie will die Gutbetuchten reiferen Alters nicht verschrecken, aber kein Seniorenbeweger sein. Ziemlich viel auf einmal. Was das Aussehen betrifft: Das Auto ist kein sexy Pinup-Girl, aber in realo kommt es anregend daher. Nein, die hinteren Flanken erinnern nicht an Gesäßbacken, sondern geben ihm Charakter. Und das zugespitzte Gesicht verschont uns vor modischem Fratzengewitter und begnügt sich mit einer entschlossenen Miene. Das Ganze wirkt straffer, weniger korpulent als bisher, obwohl sich die Maße kaum geändert haben.

Der neue V6-Direkteinspritzer setzt die E-Klasse geschmeidig in Bewegung

Wir fangen mit dem E 350 CGI an, Ausstattungslinie "Avantgarde" plus AMG-Sportpaket. Mindestens 55.871 Euro kostet so was, aber es zeigt uns, was die E-Klasse in Sachen Dynamik draufhat. Erster Eindruck beim Einsteigen: erfreulich gediegen, das Cockpit, bequeme Sportsitze, reichlich Ablagen. Das Design wirkt etwas eckig und kleinteilig, Geschmacksache. Platz gibt es reichlich, gefühlt wie beim Vorgänger, auch hinten. Gleiches gilt fürs Gepäck: Ladevolumen unverändert 540 Liter. Umklappbare Rücksitzlehnen kosten extra (518 Euro), ebenso die hier eingebauten Einzelsitze im Fond im Stil des CLS (3719 Euro inklusive Leder). Der Automatik-Wählhebel sitzt bei den V6- und V8-Modellen am Lenkrad, manuell geschaltet wird per Paddel. Mit dem neuen Direkteinspritzer-V6 setzt sich die E-Klasse sehr geschmeidig in Bewegung, untenherum ist er praktisch unhörbar.

Die Neuauflage der Stuttgarter Oberklasse legt Wert auf Laufkultur

Mercedes-Benz E-Klasse
Auch der Abrollkomfort beeindruckt, trotz 18-Zoll-Rädern, Tieferlegung (15 Millimeter) und Sportfahrwerk. Laufkultur wird hier offensichtlich großgeschrieben, ein Eindruck, der sich auch bei schnellerer Gangart nicht verflüchtigt. Erst ab 5000 Touren rumort es etwas unter der Haube. Das Fahrwerk mit neuer Vorderachse und adaptiven Dämpfern steckt auch große Verwerfungen souverän weg – beeindruckend, zumal in Anbetracht der reduzierten Federwege. Was den sportlichen Part betrifft: Besonders die neue "Direktlenkung", beim 350 Serie, verleiht der E-Klasse ungeahnte Handlingqualitäten. Zusammen mit dem gestrafften Fahrwerk wirkt sie nun besonders kurvenwillig für ihr Format und verkneift sich unsportliches Wanken. Das passt zu den 292 PS des drehfreudigen 3,5-Liter-Benziners, der auch gehobene Leistungswünsche erfüllt.

E 200 CGI Der Basisbenziner kommt erst im Juni 2009, aber wir haben ihn schon mal bewegt. Wie der 250 CGI mit 1,8 Liter Hubraum, aber auf 184 Turbo-PS gedrosselt – das macht bei den Fahrleistungen in der Praxis keinen großen Unterschied. Und im Normverbrauch ist der 200er einen halben Liter sparsamer. So gesehen spricht alles für die billigere Alternative bei den Vierzylinder-Benzinern, auch wenn der genaue Preis noch nicht feststeht.

E 250 CGI
Der Kompressor ist bei den neuen Direkteinspritzer-Benzinern out. So auch beim 250-CGI-Vierzylinder, der eigentlich ein 1,8-Liter ist. Mit Turbolader schafft er 204 PS – genug, um trotz knapp 1,7 Tonnen Gewicht flott unterwegs zu sein. Nur bei niedrigen Drehzahlen lässt er sich Zeit, was bisweilen auch auf die Arbeit der serienmäßigen Fünfstufenautomatik (mit konventionellem Wählhebel) zutrifft. Er läuft hörbar kerniger als der V6, wenngleich keineswegs laut. Für Dieselverächter eine akzeptable Alternative zum Preis des 250 CDI mit Schaltgetriebe (44.506 Euro).

E 500 Die Luxus-E-Klasse – V8, 388 PS, Luftfederung. Teuer (67.533 Euro), aber perfekt. Wie der 5,5-Liter-Motor (noch ohne Direkteinspritzung) loshämmert, sogar sportwagenverdächtig, auch dank der Fortschritte im Handling. Aber zugleich taugt der 500 als Wellnesslimousine, denn er steckt große Unebenheiten im Komfortmodus noch gelassener weg als die stahlgefederte E-Klasse. Ein selten gelungener Kompromiss. Interessant am Rande: Zumindest bei niedrigen Drehzahlen wirkt der 250 CDI ebenso stark.

E 200 CDI Erst ab Juni 2009 erhältlich und mit Einfach-Turbolader nur 136 PS stark. Das Angebot für Fuhrparkmanager und E-Klasse-Fahrer, die es nicht eilig haben, denn die 1,7 Tonnen drücken hier schon deutlich aufs Temperament. Einmal in Schwung, kommt der 200er-Diesel dank seiner 360 Nm aber überraschend gut voran – von einer Wanderdüne kann nicht die Rede sein. Der genaue Preis steht noch aus, aber gegenüber dem 220 CDI ist er rund 1600 Euro günstiger.

E 220 CDI Auf 170 PS reduzierter Ableger des 250 CDI und mit 400 Nm auch kein Schwächling (aber ohne Verbrauchsvorteil). Das bestätigt sich beim Fahren, wo der Drossel-Diesel immer noch bestens mit der E-Klasse harmoniert. Ganz klar die Wahl der Vernunft, denn der Preisvorteil liegt bei 3000 Euro.

E 250 CDI Der Star im E-Klasse-Programm: 204 PS und 500 Nm bei nur 5,5 l/100 km Normverbrauch, zwei Liter weniger als der 250 CGI. Und das dank Doppelturbo mit nur 2,1 Liter Hubraum. Wir haben ihn mit der Fünfstufenautomatik gefahren, die ausgezeichnet mit dem bulligen Diesel harmoniert. Vor allem bei niedrigen Drehzahlen ist die Kraftentfaltung gewaltig. Vorherrschender Eindruck: Mehr Motor braucht man nicht. Die Laufkultur passt ins Bild: Er ist hörbar, der Diesel, aber er stört nicht. Der Antriebskomfort findet im Serienfahrwerk eine ideale Ergänzung: Noch deutlich schluckfreudiger als die Federung der Avantgarde-Version, aber agil genug, zumal wenn er mit Direktlenkung ausgestattet ist, die hier 315 Euro kostet.

Fazit

von

Wolfgang König
Schwer zu tadeln, die neue E-Klasse. Beim Fahren ist das Plus an Agilität zweifellos der größte Fortschritt. Und dass der Komfort dabei nicht unter die Räder kam, verdient ein Extra-Lob. Mit dem Serienfahrwerk federt sie sogar noch eine Idee geschmeidiger als bisher. Der Star der Modellpalette ist zweifellos der E 250 CDI – so viel Kraft, Raum und Komfort bei so wenig Verbrauch, das ist in dieser Klasse vorerst einmalig.

Von

Wolfgang König