Fiat 500: Dauertest
Schrottreif nach sechs Jahren

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Seit sechs Jahren und über 200.000 Kilometern ist "Luigi", ein Fiat 500 1.4, im Dauereinsatz der Redaktion. Im Moment gönnt er sich eine Pause – auf der Hebebühne. Das Getriebe ist kaputt. Seit dem Motorschaden vor vier Jahren das zweite Desaster.
Bild: Thomas Ruddies
AUTO BILD-Testwagen kommen und fahren wieder. Wenn sie länger bleiben, dann als Dauertestwagen, die 100.000 Kilometer abspulen und danach komplett zerlegt werden. Ein gewöhnliches Auto war Luigi nie. Luigi? Ja, zum ersten Mal gaben wir einem Dauertester einen Namen. Weil Luigi ganz besonders ist, die gesamte AUTO BILD-Redaktion hat ihn mit offenen Armen empfangen, damals. Rückblende: Im September 2007 importierten wir den brandneuen Fiat 500 auf eigene Faust aus Mailand, denn in Deutschland startete der 500er-Verkauf erst am 27. Oktober. Wir wollten zu den Ersten gehören, die mit dem italienischen Charmeur flirten durften. Doch keine Liebe ohne Leid: Bei Kilometerstand 55.226 bleibt Luigis Herz ohne Vorwarnung, aber mit dunkler Rauchfahne stehen. Diagnose: Kolbenfresser im zweiten Zylinder aufgrund fehlerhafter Einspritzung.
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Fiat-Pressechef Claus Witzeck sagt: "Ihr Fiat 500 ist extrem früh gebaut, früher als unsere eigenen ersten 500-Testwagen. Ihr Dauertest stellt außerdem keinen typischen Nutzungsverlauf eines Kleinwagens dar, der Motorschaden ist ein Einzelfall." Luigi kam trotz Motorschaden so gut in der Redaktion an, dass wir ihm eine zweite Chance gaben. Neuer Motor, neues Glück. Luigi fuhr nicht nur 100.000, sondern 160.000 Kilometer, damit sich das Ersatz-Herz auch über die volle Dauertest-Distanz bewähren konnte. Die endoskopische Untersuchung bewies: kaum Verschleiß, keine Ablagerungen. Allerdings war Luigi nicht immer ein Leisetreter. Beim schnellen Schalten kratzte das Getriebe, und bis zum heutigen Tag stört immer wieder ein mit der Geschwindigkeit zunehmendes Wummern. Ursache waren immer wieder verschlissene Radlager. Sie mussten achtmal (!) getauscht werden. Sechsmal hinten, zweimal vorn.Und weitere Ärgernisse knabberten an Luigis Sympathiebonus: Einmal blieb er wegen einer entladenen Batterie liegen, permanent nerven die unbequemen Sitze und der für die Fahrzeuggröße viel zu große Wendekreis. Peanuts zu dem, was uns Luigi kurz nach Erreichen der magischen 200.000-Kilometer-Marke einbrockte. Wieder sang er sein leidvolles Lied vom Radlager-Tod. Dachten wir. Bis wir ihn auf die Hebebühne von Kfz-Meister Andreas Boje in Hamburg hievten. "Die Mahlgeräusche kommen eindeutig aus dem Getriebe, das sich auch sehr hakelig schaltet. Überholen oder Austauschgetriebe einbauen", sagt Meister Boje. Und wo wir schon dabei sind: Auch die Auspuffanlage mit Flexrohr, Mittel- und Endschalldämpfer, der Kondensator der Klimaanlage, die Lambda-Sonde, das angerostete Abschirmblech der Kupplungsglocke und die Ausrückgabel der Kupplung müssen erneuert werden. Vernichtendes Urteil: wirtschaftlicher Totalschaden nach sechs Jahren und 204.000 Kilometern.
Rangliste: Wer sind die Tops und Flops im Dauertest?
Mit günstigen Teilen aus dem Zubehör, einer Getriebeüberholung und Montage in der freien Werkstatt von Kfz-Meister Boje reduzieren wir die Reparaturkosten auf 3500 Euro. Luigi ist jedoch aufgrund der hohen Laufleistung nur noch 2700 Euro wert. Aber wer kann es schon mitansehen, wenn Luigis runde Kulleraugen von der Hebebühne herab traurig und leblos ins Leere blicken? Eben. Wir machen Luigi wieder fit! Um es klar zu sagen: Die allerwenigsten Kleinwagen spulen in nur sechs Jahren 200.000 Kilometer und mehr ab. Wäre Luigi artgerecht gehalten worden, stünden jetzt statt 204.000 nur rund 60.000 Kilometer auf dem Zählwerk. Zudem hatte unser Luigi kein behütetes Zuhause bei einer vertrauten Familie, die ihn schonend behandelte. Nein, Luigi ist ein Redaktionsauto, das von über 50 AUTO BILD-Mitarbeitern gefahren wird. Mal eben zur Post um die Ecke, dann zum Fototermin nach Berlin, und schon wartet der nächste Fahrer, um mit dem kleinen Fiat auf große Tour zu gehen.
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Luigi schrubbt Kilometer an der Küste wie in den Alpen, Sommer wie Winter, kurze Stadt-Strecken wie Marathon-Etappen auf der Autobahn. "Autos, die von vielen Menschen gefahren werden, sind meist viel stärker verschlissen als vergleichbare Autos, die nur von einem Fahrer genutzt werden, sagt Jürgen Bay vom Getriebedienst Altona, wo wir das Fiat-Getriebe überholen ließen. Scusi, Luigi! Bald bist du wieder gesund, und wir versprechen, dich rücksichtsvoll zu behandeln. Denn wir haben dich lieb, trotz allem.
Was beim Fiat 500 im Detail Ärger machte, zeigen wir in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen Daten und Tabellen gibt es im Online-Artikelarchiv als PDF-Download.
Fazit
Der italienische Charme und die süßen Kulleraugen können nicht über die mangelhafte Langzeitqualität hinwegtäuschen. Motor- und Getriebeschaden sowie zahlreiche weitere Defekte haben nur teilweise mit der hohen Laufleistung zu tun. Fast 10.000 Euro hat der Fiat in sechs Jahren nur an Reparaturen gekostet – eindeutig zu viel!
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