Ford Focus Turnier: Dauertest mit dem Diesel-Kombi
Ford Focus Turnier Diesel: Eine ganz solide Sache
Ford Focus Turnier im Dauertest
—
Der gute alte Kombi lebt. Im Dauertest über 100.000 Kilometer beweist der Ford Focus Turnier nicht nur viel Alltagstalent, sondern auch Durchhaltevermögen.
Bild: AUTO BILD
Nichts ist so beständig wie der Wandel. Und das ist auch gut so. Denn wo sich nichts ändert, gibt's keinen Fortschritt. Manchmal scheint eine neue Entwicklung allerdings nur besser als die alte, überstrahlen Image und Design der modernen Machart die Qualitäten der etablierten Lösung. Etwa bei den SUVs, die vor allem die kompakten Kombis in der Käufergunst längst überholt haben, ohne allzu viele Vorteile zu bieten. Zu den Leidtragenden dieser Entwicklung zählt der Ford Focus Turnier, der uns in den vergangenen zwei Jahren im Dauertest über 100.000 Kilometer begleitet hat – und manchen Hochsitz in unserem Fuhrpark zur zweiten Wahl degradierte. Doch der Reihe nach.
Als der Kölner Kompakt-Kombi am 17. November 2019 in die Tiefgarage des Axel-Springer-Verlags rollt, sind die Erwartungen zunächst gedämpft. Nervöse Vorfreude will so ein braves Brot-und-Butter-Auto einfach nicht auslösen. Völlig zu Unrecht, wie wir noch am selben Tag feststellen müssen. In Dynamic-Blau metallic für 800 Euro sieht der Turnier richtig lecker aus. Und ein Blick nach drinnen zeigt, dass uns hier keine karge Kassenkost erwartet, sondern eher solide und souverän verarbeitetes Wohlfühlambiente.

Der Titanium hat unter anderem Zweizonen-Klimaautomatik und Navigationssystem, Head-up-Display, B & O-Soundsystem sowie das Winterpaket an Bord.
Bild: Roman Raetzke / AUTO BILD
Verwöhnt unser Titanium ohnehin schon mit schlüssellosem Zugang, Lendenwirbelstütze auch für den Beifahrer, Zweizonen-Klimaautomatik und Navigationssystem, machen Anhängerkupplung (880 Euro), Head-up-Display (450 Euro), B & O-Soundsystem (700 Euro) sowie Winterpaket (400 Euro/ Vordersitze, Lenkrad, Frontscheibe beheizt) und Technologie-Paket II für teilautomatisiertes Fahren (500 Euro) die Sache richtig rund. Aber auch zu einem teuren Vergnügen. Fast 40.000 Euro kostet der Focus Turnier in voller Montur. Oder wie AUTO BILD KLASSIK-Redakteur Martin Puthz es ausdrückt: "Geht's noch?! Ungeachtet seiner Qualitäten steht das in keinem Verhältnis."
Technische Daten
Motor
Hubraum
Leistung
max. Drehmoment
Antrieb
Leergewicht
Zuladung
Kofferraum
Höchstgeschwindigkeit
Verbrauch*
Abgas*
Der Diesel arbeitet stets souverän
Reisen mit dem Focus bedeuteten ungeachtet der Preisfrage aber großen Genuss. Der kraftvolle Diesel erledigt alle Einsätze im Dienst der Redaktion souverän, die Lenkung gefällt mit ausgewogener Servounterstützung und präziser Rückmeldung, bis auf die teils schnarchige Fernlichtautomatik arbeiten die Assistenzsysteme unauffällig gut. Äußerst nützlich: die Warnung vor rückwärtigem Querverkehr beim Ausparken – wer hat schon immer einen Einweiser dabei. Ein Smartphone ist da wohl öfter an Bord. Und das sollten Sie nutzen.

Die Achtstufenautomatik verhält sich grundsätzlich nervenschonend, in kleinen Gängen ist sie aber etwas ruppig.
Bild: AUTO BILD
Stauwarnung und Ausweichrouten des werkseitigen Navis sind, sagen wir mal, nicht optimal. Das kann Google Maps besser. Wo wir gerade beim Meckern sind: Die grundsätzlich nervenschonende Achtstufenautomatik zeigt in den kleinen Gängen eine gewisse Ruppigkeit, besonders im Stadtverkehr setzt der Kraftschluss nach kurzer Unterbrechung beim Fahrstufenwechsel teils recht ruckartig wieder ein.
Anerkennung erfuhr der Focus vor allem bei Fernreisenden und Kilometerschrubbern. Handliches Format und trotzdem viel Platz, flotte Fahrleistungen und trotzdem kein Trinker – was will man mehr? Oder wie Holger Karkheck es ausdrückt: "Warum hat Ford eigentlich so ein Langweiler-Image? Dieses Auto macht Spaß, sieht gut aus, bietet Platz." Solche und ähnliche Einträge ziehen sich wie ein roter Faden durch das grüne Dauertest-Buch. Je nach Fahrerstatur und -vorlieben gab es dann aber auch noch ein bisschen Schelte.

Der Turnier streckt sich auf 4,56 Meter, überragt den Fünftürer bei gleichem Radstand (2,65 Meter) um 20 Zentimeter.
Bild: Roman Raetzke / AUTO BILD
Die Genießer- und Gemütlichkeitsfraktion störte das insbesondere auf Querfugen zu steif ansprechende Fahrwerk. "Zu hart für einen Familienlaster. Ist doch kein ST!", monierte der damalige Dauertest-Chef Manfred Klangwald. Auch die Sitze fanden nicht überall Anklang, besonders kräftig gebaute Redaktionsmitglieder wünschten sich mehr Format und mehr Halt. Dazu AUTO BILD KLASSIK-Redakteur Martin Puthz: "Die Sitze sind zu weich gepolstert, kräftigen Staturen drückt der Rahmen seitlich auf die Oberschenkel." Und das, obwohl für 400 Euro extra der Ergonomiesitz verbaut war.
Kosten
Betriebskosten/Garantien (Fixkosten pro Jahr)
Haftpflicht (100 %, SF 5)
Vollkasko (300 € SB, SF 5)*
Teilkasko (150 € SB, SF 5)*
Kfz-Steuer (Euro 6d-TEMP)
Kraftstoffkosten für 101.762 km
6639,29 Liter Diesel (= 6,5 l/100 km)
Motoröl-Nachfüllbedarf 3,5 Liter
Inspektionskosten (inklusive Ölwechsel)
30.000 km
60.000 km
90.000 km
Reifenkosten (inklusive Montage)
1 Satz Sommerreifen 215/50 R17 V Conti SportContact 5
1 Satz Winterreifen 205/60 R 16 H Conti WinterContact TS 850P
Preise/Wertverlust
Testwagenpreis 07/19 (inkl. Extras)
aktueller Neupreis (inkl. Extras)*
Schätzpreis 12/21
Wertverlust des Testwagens
Gesamtkosten für drei Jahre
auf 101.762 km
Kosten pro km
Kosten pro km mit Wertverlust
Praktische Details machen den Ford zum echten Familienfreund
Wiedergutmachung leistete der Turnier dann mit seinem betont praktischen Wesen. Tanken, ohne einen Deckel abzuschrauben, automatisch ausklappende Rammschutzleisten beim Türöffnen oder eine Heizung für die Frontscheibe sorgten im Alltag immer wieder für glückliche Gesichter und zufriedenes Kopfnicken. Transportaufgaben erledigte das Kastenheck ebenfalls gern und gut. Die nur 63 Zentimeter hohe Ladekante und die topfebene Ladefläche schätzten nicht nur Fotografen mit schwerem Equipment.
Die vom Heck aus zu entriegelnden Rücksitzlehnen, Taschenhaken sowie die weitgehend fummelfreie Befestigung von Isofix-Kindersitzen im Fond machen den Ford zum echten Familienfreund. Und 12-Volt-Dose, das leicht ein- und auszubauende Heckrollo sowie Zurrösen erfreuen das Herz des Hobbyspediteurs.
Messwerte
Beschleunigung
0–50 km/h
0–100/-130 km/h
0–160 km/h
Zwischenspurt
60–100 km/h
80–120 km/h
Bremsweg
aus 100 km/h kalt
aus 100 km/h warm
Innengeräusch
bei 50 km/h
bei 100 km/h
bei 130 km/h
Testverbrauch – CO2
Bei der Abschlussuntersuchung herrscht dann ebenfalls gute Laune. Ja, die Tankklappe sitzt etwas zu tief, die Radhausabdeckung vorne rechts zeigt deutliche Kontaktspuren vom Reifen, am Kurbelwellendichtring schwitzt Motoröl aus, und es gibt vereinzelt dezenten Oberflächenrost. Ansonsten steht der Focus aber topfit und erstaunlich frisch da. Der Innenraum wie auch die Technik zeigen sich von den 100.000 Kilometern weitgehend unbeeindruckt. Was uns beeindruckt.
Wertung
Zuverlässigkeit
Liegenbleiber
Motor-/Getriebeschaden
defekte Antriebs-/Funktionsteile
zusätzlicher kurzer Werkstattbesuch
zusätzlicher mehrtägiger Werkstattaufenthalt
Defekte und Sonderarbeiten (Radio/Navi/Flüssigkeiten etc.)
defekte Kleinteile (Lampen etc.)
Langzeitqualität (aus Demontage)
Karosserie (Konservierung, Lack, Teppiche, Verkleidungen)
Motor (Leistung, Dichtigkeit, Ablagerungen, Laufspuren)
Getriebe (Dichtigkeit, Abrieb, Zustand, Kupplung)
Abgasanlage (Zustand, Kat, Aufhängung, Abschirmbleche)
Fahrwerk (Achsen, Federung, Lenkung, Befestigung)
Elektrik (Kabel, Stecker, Steuergeräte, Sicherungen)
Alltagswertung/Fahren
ergibt sich aus den Eintragungen im Fahrtenbuch
Gesamtpunkte
Note: 1-
AUTO BILD – DAS MAGAZN
Ab Sonntag, dem 28. August 2022, zeigt BILD TV immer sonntags um 13 Uhr jeweils zwei von insgesamt zwölf Folgen des neuen BILD-Originals AUTO BILD – DAS MAGAZIN. Moderiert von Sidney Hoffmann. Die Reporter von AUTO BILD testen und präsentieren zusammen mit Sidney. Hier geht's direkt zum Stream.
Fazit
Da gibt's kaum was zu meckern. Der Focus zeigt nach 100.000 Kilometern nur wenig Alterungsspuren, wirkt insgesamt noch erfreulich frisch. Beim kompakten Kombi handelt es sich um ein ebenso praktisches wie sparsames Auto.