(dpa/cj) Manchmal genügt ein kleiner Moment der Unachtsamkeit – und alles ist gelaufen. Die praktische Führerscheinprüfung wird zunehmend zum Stolperstein für Fahranfänger. Spätestens beim zweiten Mal kann der Traum vom Autoführerschein zum Alptraum werden. Auch selbstbewusste Jugendliche fühlen sich plötzlich klein. Bundesweit steigen seit Jahren die Durchfallquoten bei der Führerscheinprüfung fürs Auto. Bei der Theorieprüfung aller Pkw-Klassen lag die Quote 2017 laut Kraftfahrt-Bundesamt bei 39 Prozent (2016: 37 Prozent). Bei der praktischen Prüfung für den Autoführerschein fielen 32 Prozent der Anwärter durch (Vorjahr: 31 Prozent) – das waren 432.037 nicht bestandene praktische Prüfungen. Aber was sind die Gründe für das vermehrte Versagen?

TÜV: Prüfung ist nicht schwieriger geworden

Warum gibt es so viele Führerschein-Versager?
Die Ausbildung zum Autoführerschein kostet in Deutschland im Schnitt 1800 bis 2200 Euro.
Die Prüfung selbst sei nicht schwieriger geworden, betont Vincenzo Lucà, Sprecher des TÜV Süd, der für Bayern und Baden-Württemberg die Prüfer stellt. Die Prüfer müssen oft als Sündenbock herhalten, doch Lucà nimmt die ausgebildeten Ingenieure in Schutz: "Man lässt keinen Prüfling einfach so durchfallen." Verkehrsexperten haben keine eindeutigen Antworten zu möglichen Ursachen. "Wir stochern noch etwas im Nebel", sagt Hendrik Pistor, Referatsleiter für junge Kraftfahrer beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Klar ist: Höhere Durchfallquoten sind ein internationaler Trend. Forscher der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wollen die Zahlen nun unter die Lupe nehmen.

Sprachprobleme, Angst, Smartphone

Fahrlehrer führen die erhöhten Durchfallquoten unter anderem auf mehr nicht-deutschsprachige Bewerber zurück. Die hätten neben Sprachproblemen oft auch mit einer anderen Verkehrskultur zu kämpfen. DVR-Mann Pistor vermutet einen Grund darin, "dass der Verkehr deutlich komplexer geworden ist". Das sehen ADAC, TÜV und Fahrlehrer genauso. Verkehrspsychologin Claudia Happe meint, Fahrschüler bräuchten mehr Schulung und die Fahrlehrer häufig andere pädagogische und vielleicht auch psychologische Fertigkeiten als früher. Inwiefern Angst eine Rolle spielt, will sie mit einem Fragebogen herausfinden, den sie gerade entwickelt. Und sie geht noch einem anderen Verdacht nach: "Ein wichtiger Aspekt könnte sein, dass das digitale Interesse ausgeprägter zu sein scheint als das Interesse für das Verkehrsgeschehen." Früher schauten Jugendliche als Beifahrer raus, heute schauen sie auf das Smartphone. "Dadurch könnte der Bezug zum Verkehr verloren gehen."

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"Den Führerschein macht man nicht nebenbei"

Der ADAC sieht noch ein anderes generelles Problem: Turbo-Abi, Freizeitstress, Wechsel in den Job – junge Leute seien "konkurrierenden Anforderungen" ausgesetzt. Der Führerschein laufe nebenher. Doch Dieter Quentin, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, warnt: "Einen Führerschein macht man nicht nebenbei." Dass der Führerschein mit 17 zu früh kommt, weisen die Experten einmütig zurück. "17-Jährige fallen weniger durch und fahren später sicherer", unterstreicht Quentin. Bei den Fahrlehrern überwiege die Zahl guter Kollegen, die Ausbildung in Deutschland sei sehr gut und schließe eine umfassende psychologische Schulung mit ein. Dennoch sieht er auch immer "Luft nach oben". (Führerschein geschafft? So geht's sicher durch die Probezeit.)
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Objekt der Begierde: Immer weniger Führerschein-Absolventen schaffen es durch die Prüfung.
Für TÜV-Sprecher Lucà könnte die Durchfall-Quote zudem etwas mit Zeitdruck zu tun haben. "Ein Führerschein kostet Geld. Man versucht, früh an den Schein zu kommen." Denn mit mindestens 1800 bis 2200 Euro im Schnitt ist der Autoführerschein schon im ersten Anlauf ein teures Vergnügen. Für Durchfaller kommen Kosten für weitere Fahrstunden dazu, eine erneute TÜV-Prüfungsgebühr (in Bayern und Baden-Württemberg für die Praxisprüfung 91,75 Euro) und Anmeldekosten, die Fahrschulen berechnen. Der ADAC empfiehlt vor der ersten Fahrstunde einen genauen Fahrschulvergleich. "Die billigsten Anbieter sind nur selten auch fachlich gute Fahrschulen." Und er rät von Crash- und Ferienkursen ab – das Erlernte müsse Zeit haben, sich zu festigen. Hier gibt's ausführliche Tipps zur Auswahl der richtigen Fahrschule!