Wahren Sportwagenfans läuft immer noch das Wasser im Mund zusammen, wenn sie den Namen Gumpert hören: 2005 brachte der ehemalige Audi-Motorsport-Chef Roland Gumpert mit dem Apollo einen flunderflachen Rennwagen auf die Straße, der mit einem rund 800 PS starken V8 unter der Haube und seiner scharfen Abstimmung mintunter selbst versierte Fahrer an ihre Grenzen brachte. 2009 setzte der Apollo sogar die damalige Bestmarke auf der Nordschleife und umrundete den Eiffelkurs in 7.11,57 Minuten. 2014 meldete die Manufaktur allerdings Insolvenz an, die Rechte am Apollo sicherte sich ein chinesisches Konsortium, und die Marke Gumpert verschwand vom Markt – bis jetzt!
Auf der Auto China 2018 in Peking präsentiert der mittlerweile über siebzigjährige Roland Gumpert sein neues Baby: den RG Nathalie. Der Sportwagen soll Flaggschiff, Aushängeschild und Startschuss für das 2017 gegründete China-Startup Aiways zugleich sein. Die Firma hat hehre Pläne vorgelegt: Mit insgesamt acht Baureihen – SUVs, Crossover und Limousinen – wollen die Chinesen schon bald 300.000 Fahrzeuge pro Jahr verkaufen. Und alle mit Elektroantrieb!

Ein bisschen TT, ein bisschen GT-R

Methanol statt Wasserstoff
Auffällig ist vor allem das breite Leuchtenband am Heck.
Bild: Jeibmann Photographik / torpedo motor
Gumpert hat bei Aiways den Posten des Chief Product Managers inne und ist gleichzeitig Chef des deutschen Ablegers Gumpert Aiways, der für die Entwicklung des Nathalie zuständig war. Optisch ist das nach Gumperts Tochter benannte, zweisitzige Coupé eine Mischung aus Audi TT und Nissan GT-R. Besonders auffällig sind die extrem schmalen Scheinwerfer, die Front ohne klassischem Kühlergrill und das durchgehende Leuchtenband am Heck. Im engen Cockpit des 4,31 Meter langen, aber nur 1,31 Meter hohen Sportlers dominieren Nadelfilz und orangefarbenes Kunststoffdekor. Schalter und Tasten findet man, wie heutzutage üblich, nur wenige, dafür gibt es drei große Displays. Cool: Die Klimasteuerung ist ein Touchscreen mit Koordinatensystem, auf dem ein Punkt mit dem Finger frei bewegt werden kann. So werden Temperatur und Gebläse mit nur einer Bewegung angepasst.

Vier Motoren, über 300 km/h schnell

Methanol statt Wasserstoff
Im Innenraum dominieren grauer Nadelfilz und orangefarbenes Kunststoff-Dekor.
Bild: Jeibmann Photographik / torpedo motor
Das eigentliche Highlight des in Ingolstadt gebauten Nathalie steckt unterm Blech: Der Elektroantrieb ist gesetzt, allerdings verbaut Gumpert nicht nur einen, sondern gleich vier Motoren. Jedes der 150-kW-Triebwerke treibt ein Rad an und ermöglicht so, ähnlich wie einst schon der Mercedes SLS AMG E-Cell, Torque Vecotring vom Feinsten. Heißt: In flotten Kurven geben die äußeren Rädern mehr Gas. Wie schnell der Nathalie wird, steht noch nicht ganz fest. Gumpert verspricht aber: Den Sprint auf Tempo 100 schafft er in unter 2,5 Sekunden, die Vmax liegt jenseits der 300 km/h. Die aus China zugelieferte Batterie steckt T-förmig im Mitteltunnel und hinter den Sitzen und hat im Sportwagen eine Kapazität von 70 kWh.

Prinzipiell soll das gleiche Konzept auch bei den Serienversionen der Aiways-Modelle zum Einsatz kommen, allerdings werden nicht alle Varianten mit vier Triebwerken ausgestattet. Mit zwei radnahen E-Motoren lässt sich je nach Anforderung wahlweise Front- oder Heckantrieb realisieren, auch die Batteriegröße ist variabel. Und: Nur für den Nathalie ist ein im Autobau bislang einzigartiger Range Extender in Form einer Methanol-Brennstoffzelle vorgesehen.

Mehr Reichweite mit Methanol-Brennstoffzelle

Methanol statt Wasserstoff
Drei große Displays, aber kaum noch Tasten: Auch die Klimaanlage wird über einen Touchscreen gesteuert.
Bild: Jeibmann Photographik / torpedo motor
Um der Reichweiten-Problematik zu entgehen, erzeugt der RG Nathalie seinen eigenen Strom an Bord und soll so – mit vollgeladener Batterie und einer kompletten Tankfüllung Methanol – über 1000 Kilometer schaffen. Warum Methanol? Weil Roland Gumpert von der Wasserstoff-Brennstoffzelle nicht viel hält. Das Handling sei zu energieaufwendig, beim Tankvorgang müsse der Wasserstoff mit vielen Hundert Bar Druck komprimiert werden. Außerdem sei der Aufbau eines Wasserstoff-Tankstellennetzes deutlich aufwendiger, so der Autobauer. Das flüssige Methanol dagegen könnte in jeden bestehenden Benzintank gefüllt und ähnlich wie Ottokraftstoff binnen weniger Minuten gezapft werden.

Die Stromerzeugung selbst funktioniert ähnlich wie in der Wasserstoff-Brennstoffzelle, mit dem Unterschied, dass das Methanol-Wasser-Gemisch (Ch3OH) zuvor in einem Reformer in Wasserstoff und CO2 aufgespaltet werden muss. Die Brennstoffzelle soll ungefähr 5 bis 10 kW Strom erzeugen, pro 100 Kilometer werden dabei rund 30 Gramm CO2 ausgestoßen – das im Idealfall zuvor der Umwelt entzogen wurde. Das sogenannte "grüne Methan" entsteht unter anderem in Biogasanlagen – das "schwarze Methan" dagegen wird aus Kohle oder Erdgas hergestellt wird.

Erste Testrunden im Prototyp

Methanol statt Wasserstoff
4,31 Meter lang, aber nur 1,31 Meter hoch ist der RG Nathalie – und hat damit klassische Sportwagen-Proportionen.
Bild: Jeibmann Photographik / torpedo motor
Dass die Technik funktioniert, beweist Gumpert aktuell noch mit einem Versuchsträger. Nach dem Scheitern des Apollo hat der Autobauer sein Glück mit einem aufgemotzten Audi TT versucht, der jetzt als Prototyp für den Nathalie herhalten muss. Die ersten Kilometer auf dem Beifahrersitz lassen von der zu erwartenden Power des Sportwagens freilich noch nicht viel spüren. Was man aber schon jetzt merkt: Das Zusammenspiel der vier E-Motoren läuft reibungslos, und die Brennstoffzelle tut das, was sie soll – mit leisem Surren erzeugt das in der Studie noch hinter den Passagieren verbaute Modul fortwährend Strom.

Dass, so Gumpert, sei der Vorteil der Brennstoffzelle: Sie kann nicht nur während der Fahrt arbeiten, sondern auch in der heimischen Garage oder wo auch immer gerade keine Steckdose vorhanden ist, um die Batterie aufzuladen. Alternativ soll sich der Nathalie allerdings auch mit allen gängigen Ladetechniken volltanken lassen, per CCS-Stecker ist eine Ladeleistung von bis zu 350 kW möglich. Selbst das Schnellladen dauert laut Gumpert deutlich länger als das Auffüllen des rund 60 Liter fassenden Methanoltanks, der nach gut drei Minuten voll ist.

500 Einheiten, für 420.000 Euro

Methanol statt Wasserstoff
Der RG Nathalie sieht auf den ersten Blick aus wie eine Mischung aus Audi TT und Nissan GT-R.

Bild: Jeibmann Photographik / torpedo motor
Ein Schicksal teilt das Methan derzeit noch mit dem reinen Wasserstoff: Die Beschaffung an Tankstellen ist quasi nicht möglich. Doch das will Gumpert in den kommenden Monaten ändern. Ende 2019 soll der RG Nathalie auf den Markt kommen, und bis dahin will der deutsch-chinesische Autobauer seinen Kunden auch eine einfache Lösung zur Methanol-Versorgung bieten. Aktuell lässt sich der Treibstoff unter anderem im Baumarkt beziehen, denn gerade im Campingbereich kommen Methanol-Brennstoffzellen bereits zum Einsatz. Ob sich allerdings genug Pioniere finden, die sich für den RG Nathalie begeistern können, bleibt fraglich. Gumpert auf jeden Fall zeigt sich selbstbewusst: 500 Einheiten sollen produziert werden und zum Stückpreis von rund 420.000 Euro verkauft werden.

Bildergalerie

RG Nathalie (2019): Sitzprobe, Antrieb, Preis
RG Nathalie (2019): Sitzprobe, Antrieb, Preis
RG Nathalie (2019): Sitzprobe, Antrieb, Preis
Kamera
RG Nathalie (2019): Sitzprobe, Antrieb, Preis

Von

Michael Gebhardt