Hintergrund VW und Porsche
Eine schrecklich nette Familie

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Aus der Adoption wurde eine Hochzeit. VW und Porsche werden eine Familie - und bald Weltmarktführer? Doch wer gehört zu wem? Welche Marken stecken unter einem Dach? Und wer spielt bei der Zeremonie die Hauptrollen? Ein Überblick.
Bild: AUTO BILD / Wolfgang Meier
(dpa/cj) Mit Volkswagen und Porsche fusionieren Europas größter Autobauer und der weltweit profitabelste Hersteller. Die Volkswagen AG konnte im Jahr 2008 trotz bekanntermaßen schwieriger Umstände den weltweiten Umsatz um 4,5 Prozent auf 113,8 Milliarden Euro und das Operative Ergebnis um 3,0 Prozent auf 6,3 Milliarden Euro steigern. Auch die Zahl der ausgelieferten Fahrzeuge stieg leicht um 1,1 Prozent auf rund 6,3 Millionen. Hauptsitz des 1938 gegründeten Konzerns mit knapp 360.000 Mitarbeitern weltweit ist Wolfsburg, das älteste Werk steht jedoch in Braunschweig. Ein plötzlicher Höhenflug der VW-Aktie auf einen Stückwert von über 1000 Euro machte den Konzern im Oktober 2008 kurzzeitig zum teuersten Unternehmen der Welt. Vorstandsvorsitzender ist Martin Winterkorn (seit 2007).
Der Sportwagenhersteller Porsche wurde 1931 von Käfer-Konstrukteur Ferdinand Porsche gegründet, der Stammsitz ist Stuttgart-Zuffenhausen. Dank des geschickten Handels mit VW-Aktien und -Optionen konnte die Porsche Holding ihren Gewinn im ersten Geschäftshalbjahr 2008/2009 von 1,3 Milliarden auf 5,62 Milliarden Euro mehr als vervierfachen, obwohl Absatz (um 27 Prozent auf gut 34.000 Fahrzeuge) und Umsatz (um 12,8 Prozent auf 3,04 Milliarden Euro) einbrachen. Ende 2008 sorgte der Sportwagenbauer mit dem ersten Diesel (Cayenne V6 TDI) für Aufsehen, kurze Zeit später folgte mit dem Panamera der erste sportliche Viertürer. Porsche beschäftigt ca. 12.000 Mitarbeiter. Vorstandsvorsitzender ist Wendelin Wiedeking (seit 1993).
Die Machtverhältnisse
Die Porsche AG ist eine hundertprozentige Tochter der Porsche Automobil Holding SE, die von den Familien Porsche und Piëch kontrolliert wird. Diese hält derzeit knapp 51 Prozent an VW und strebte einen Anteil von 75 Prozent an – hatte sich jedoch bei Aktienkäufen mit Milliardenschulden finanziell übernommen. Das Land Niedersachsen ist mit 20,20 Prozent an Volkswagen beteiligt und hat laut dem sogenannten VW-Gesetz auch nach dessen Neufassung ein Veto-Recht bei wichtigen Entscheidungen. Nach deutschem Aktienrecht ist ein Veto-Recht erst ab 25 Prozent üblich. Niedersachsen ist auch mit zwei Mitgliedern im VW-Aufsichtsrat (Vorsitzender Ferndinand Piëch) vertreten.
Die Marken
Die Geschichte
Porsche und Volkswagen haben eine lange gemeinsame Historie. Sie fängt beim Konstrukteur des ersten VW an und hört mit der künftigen gemeinsamen Entwicklung eines Hybrid-Motors und einer gemeinsamen elektronischen Plattform noch lange nicht auf. Der erste Volkswagen, der Käfer, stammte von Prof. Ferdinand Porsche, der den Wagen in Stuttgart konstruierte. Damit war der Grundstein der Zusammenarbeit gelegt. Aus VW-Teilen konstruierte nach dem Krieg sein Sohn Ferry Porsche in Österreich den ersten Sportwagen, der den Familiennamen Porsche trug. Es gab gemeinsame Projekte, nämlich die 914er, 924er, und 944er Modelle, auch "Hausfrauen-Porsche" genannt. Auch den Vertrieb legten Porsche und Volkswagen in der Zeit von 1969 und 1974 zusammen. Porsche hat zudem die Volkswagen-Technologie über Jahrzehnte mitgestaltet. 1993 wurde Porsche-Enkel Ferdinand Piëch VW-Chef. 2002 wechselte er an die Aufsichtsratsspitze. 2005 stieg Porsche bei VW ein und wurde größter Aktionär vor dem Land Niedersachsen.
Die Hauptfiguren
Der einflussreichste Mann bei Volkswagen heißt Ferdinand Piëch (72). Der gebürtige Wiener ist wie sein Cousin Wolfgang Porsche ein Enkel des Firmengründers Ferdinand Porsche. Der gewiefte Taktiker stand von 1993 bis 2002 an der VW-Spitze, danach wurde er Vorsitzender des Aufsichtsrats. Das Ziel des Porsche-Miteigentümers ist seit Jahren die Schaffung eines riesiges, alle Mobilitätssparten umfassenden Autoimperiums. Von ihm soll der Vorschlag stammen, dass VW den Spieß umdreht und Porsche schluckt. Piëch ringt mit Porsche-Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche, Spitzname "WoPo", um die Macht. Ihr Verhältnis gilt als zerrüttet, auch wenn Streitigkeiten nie in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden. Neuer starker Mann im künftigen neuen Großkonzern könnte Martin Winterkorn werden, Ex-Audi-Chef und Piëch-Zögling. Er ist seit 2007 Vorstandschef in Wolfsburg. Sein großes Ziel ist es, Toyota zu überholen und Volkswagen zum weltgrößten Autobauer zu machen. Dagegen scheint der Stern von Porsche-Boss Wendelin Wiedeking zu sinken. Der Westfale machte Porsche zum profitabelsten Autobauer der Welt und gilt als Drahtzieher des Einstiegs bei VW. Zuletzt jedoch gab es Gerüchte um seine Ablösung, da ihm – zusammen mit Porsche-Finanzvorstand Holger Härter – zu große Machtgier bei der (nun gescheiterten) Übernahme von VW durch Porsche vorgeworfen wurde.
Die Zukunft
Nach der Entscheidung für eine Fusion von VW und Porsche geht das Ringen um die Macht in dem Autoimperium weiter. In den kommenden Wochen soll hinter verschlossenen Türen das Zukunftskonzept für den künftigen Großkonzern geschmiedet werden. Fest steht, dass eine Übernahme von Europas größtem Autobauer durch den viel kleineren Sportwagenhersteller vom Tisch ist. Unter einer einheitlichen Führungsgesellschaft werden künftig zehn Marken, darunter auch Porsche, eigenständig nebeneinanderstehen. Als vorrangigstes Ziel von Porsche gilt der Schuldenabbau, vorrangig durch Kapitalzuschuss der Familienmitglieder. Auch der Einstieg eines neuen Investors scheint möglich.
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