Sie sind schüchtern und wollen nicht beobachtet werden? Dann kaufen Sie bloß keinen Honda Clarity! Da zeigen an jeder Ampel Menschen auf Sie, zücken ihr Handy, machen Fotos. Ob das Design des Japaners mit seinem kurzen Radstand, den langen Überhängen und skurrilen Details nun gefällt oder nicht: Es fällt auf jeden Fall auf! Und so spacig wie sein Äußeres ist auch die Technik des Honda. Er fährt rein elektrisch, da gewöhnen wir uns ja so langsam dran. Aber statt lange an der Steckdose Strom zu laden, produziert der Carity ihn einfach selbst.

Über Abgasgrenzwerte kann der Honda Clarity nur lachen

Honda Clarity
Geht richtig gut: In 8,7 Sekunden ist der Clarity auf Tempo 100.
Unter der Haube sitzt eine Brennstoffzelle, in der Wasserstoff mit dem Sauerstoff aus unserer Luft reagiert. Dabei entstehen a) Strom und b) reines Wasser, das aus dem Auspuff tröpfelt. Stilles Wasser statt Mief! Klingt kompliziert – fährt sich aber ganz easy. Die Experimentalphase hat Honda längst hinter sich gelassen, alles wirkt im positiven Sinn wie bei einem Großserienauto: Startknopf drücken, Drucktaste D – und schon geht es los. Wie von anderen Elektroautos gewohnt sogar ziemlich rasant. Trotz knapp 1,9 Tonnen Leergewicht beschleunigt der Honda in 8,7 Sekunden aus dem Stand auf 100, den Zwischenspurt von 60 auf Landstraßentempo erledigt der Japaner in zügigen 4,4 Sekunden. Was diese nackten Zahlen nicht hergeben, ist das Gefühl hinterm Steuer.

Beim Alltagsnutzen muss man noch Abstriche machen

Honda Clarity
Schattenseiten: Der Kraftstofftank im Kofferraum kostet Platz.
Du fühlst dich einfach gut, besser als alle anderen Autofahrer um dich herum, denn hinten kommt nix raus, was krank macht – kein CO2, kein NOx. Die Diskussionen um Diesel-Fahrverbote? Egal. Das saubere Gewissen am Steuer ist einfach nicht zu bezahlen. Dazu kommt, dass ALLE anderen Autos plötzlich alt aussehen. Der TDI neben dir an der Ampel nagelt noch ein wenig lauter als sonst, selbst ein Prius mit seinem Hybridsystem und dem betagten Benziner wirkt plötzlich oldschool. Und der laut bollernde Porsche nebenan? Dessen Zeit scheint plötzlich abgelaufen, er wirkt uncool. Dass das Navigationssystem des Honda aus der Steinzeit stammt? Oder du die Kunststoffe im Innenraum nur dann als okay bezeichnen magst, wenn du den Clarity wirklich lieb hast? Oder der Wasserstofftank den Kofferraum derart verkleinert, dass schon drei Wasserkisten den fast fünf Meter langen Honda ausdribbeln? Ach, alles geschenkt. Stattdessen drückst du das Gaspedal ohne schlechtes Gewissen Richtung Bodenblech, die Brennstoffzelle rauscht wie eine Rakete beim Abflug – und du verstehst: Ja, so kann es wirklich gehen in Zukunft.

Das dünne Tankstellennetz ist ein großes Problem

Honda Clarity
Problematisch: In Deutschland gibt es aktuell nur knapp 20 Möglichkeiten, den Honda vollzutanken.
Zumindest dann, wenn es mehr Tankstellen gibt. Womit wir bei den Nachteilen des Honda sind. In Deutschland gibt es aktuell nur knapp 20 Möglichkeiten, den Honda vollzutanken, in fünf Jahren sollen es schon 400 H2-Tankstellen sein. Ein Kilo Wasserstoff kostet 9,50 Euro, fünf Kilo passen rein, damit sind 435 Kilometer realistische Reichweite drin. Weiterer Nachteil: Der Wasserstoff-Honda ist teuer. In den USA kostet er rund 60.000 Dollar, Preis und Wiederverkauf in Deutschland sind noch ungewiss. Auf der anderen Seite gar nicht so viel Geld für ein derart ungewöhnliches Auto mit serienmäßig gutem Gewissen. Da stören nicht einmal die Handyknipser an der Ampel.

Fazit

von

Stefan Voswinkel
Der Honda macht es einem leicht, ihn zu mögen. Der leise Antrieb überzeugt, an Bord des Clarity fühlt man sich einfach wohl. Wären da nicht die fehlende Tankstellen-Infrastruktur und der hohe Preis. Vielleicht wird das bald anders – denn Wasserstoff kann Langstrecke!

Von

Stefan Voswinkel