Das Ziel war klar: Neuer Maßstab bei den Taschenraketen sollte der i20 N werden. So lautete die Ansage von Hyundais Entwicklungschef Albert Biermann zu Beginn des Projekts. Den eigentlich unschlagbaren Ford Fiesta ST vom Thron kippen! Größenwahnsinnig? Nein, der Ex-BMW-M-Mann hat unlängst bewiesen, dass er auch die Koreaner schnell machen kann.
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Der erste Wurf 2017, der i30 N, war ein voller Erfolg. Nicht nur, dass der kompakte Viertürer GTI und Co regelmäßig Konkurrenz machte, mit dem Auto erreichte man auch die Fans, die früher Mitglieder der zahlreichen Golf GTI-Clubs gewesen sind. Bezahlbar, volle Hütte, viel Sound, Optik und zig Einstellmöglichkeiten wie bei der Playstation. Genau das, was die Fans lieben!
Hyundai i20 N
Das Cockpit begeistert mit Moderne und Sport. Schade: Trotz Vollausstattung kostet das Navi 1480 Euro extra.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD

Der Liebling unter den Fahrspaß-Krümeln hieß bisher Ford Fiesta ST. Bäriger 1,5-Liter-Dreizylinder-Turbo, Sperre, 1,2 Tonnen, kein Firlefanz. Auf den Punkt: Eine absolute Fahrspaßmaschine. Vorbei die Zeiten, als die Minis noch mit ihrem angedichteten Gokart-Feeling und guten Motoren für Fahrspaß sorgten. Bevor jetzt die Frage aufkommt, was mit dem Toyota GR Yaris ist: Der passt zwar rein über die Größe auch in diese Klasse, ist aber mit seinem Allrad und der Power gesondert zu betrachten.

Dreizylinder kam für Hyundai nicht infrage

Zurück zu Hyundais angehendem Thronfolger. Biermann und sein Team haben sich freilich die Konkurrenz genau angeschaut. Haben auch Polo GTI und Audi A1 40 TFSI durchleuchtet. Alle mit Zweiliter-Turbos aus dem VW-Regal, sonst keine Zauberei. Ein Dreizylinder kam für Hyundai nicht infrage. Auch die Übernahme eines 200 PS starken 1,6 Liter Turbo von Konzernpartner Kia war nicht nach Biermanns Geschmack.
Man entwickelte quasi extra für den Knirps eine neue Generation 1,6-Liter-Vierzylinder mit speziellem Turbolader samt Ladeluftkühler und Wasserkühlung. Dazu modernste Benzindirekteinspritzung, neue, schnellere Ventilsteuerung für einen konstanten Drehmomentverlauf. Heißt: Von 1750 bis 4500 Touren liegen 275 Newtonmeter an. Mit Overboost werden sogar 304 Newtonmeter freigegeben.
Hyundai i20 N
Egal welcher Kurvenradius, der i20 N hebt quasi überall seine Hinterbeine.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD

Leistung? 204 PS bei 5500 Touren. Bedeutet? Sechs Kilo pro PS. Etwas mehr als erwartet, denn mit den auf unserer Waage ermittelten 1233 Kilo wurde das anvisierte Leergewicht (1190 kg) leicht verfehlt. Ist aber kein Drama, der Fiesta ST ist nicht leichter. Was bringt der i20 N noch mit an speziellen Biermann-Zutaten? Eine mechanische Sperre stand natürlich auch ganz oben auf dessen Wunschliste. Die gibt es, aber nur im 2000 Euro teuren Performance-Paket.
Das manuelle Sechsgang-Schaltgetriebe wird bei Hyundai auch in anderen Fahrzeugen genutzt. Beim i20 N wurde das Teil speziell mit verkleinertem Getriebegehäuse modifiziert und die Kupplung verstärkt. Schließlich stand auch eine Launch Control auf der To-do-Liste. Chassis? 18-Zöller mit speziell für den i20 N angemixten Pirelli P Zero (HN-Kennung) sind Serie. Im Vergleich zum Serien-i20 wurden vordere Lenkhebel und Achsschenkel verstärkt, der Radsturz wurde erweitert, Stabi, Federn und Dämpfer erhielten deutlich mehr Härte.

Fünf mögliche Fahrprogramme im i20 N

Ebenso wurde die Lenkübersetzung verändert, die Bremsen mit größeren Scheiben aufgerüstet, hinten sogar innenbelüftet. Biermann scheint es ernst zu meinen. Merkt man auch an den vielen N-Funktionen. Zum Beispiel "N Grin Control System". Klingt kompliziert, ist aber nur der Oberbegriff für die fünf möglichen Fahrprogramme (Eco, Normal, Sport, N, Individual).
Hyundai i20 N
Der Zweiliter­ Turbo im i30 N war einer der wenigen Schwachpunkte. Der Eins­ sechser im i20 N? Besser, aber das Chassis ist etwas bissiger als der Motor.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD

Wie beim großen Bruder i30 N gibt es auch beim i20 N den "N Custom Mode", womit sich jede einzelne Komponente aus den Einstellungen Eco, Normal, Sport und Sport+ frei wählen lässt. Dazu Rev-Matching-Zwischengasfunktion, dreifach einstellbare Stabilitätskontrolle, und die Auspuffanlage ist mit variabler Klappensteuerung ausstaffiert. Wow, und das Ganze für 26.990 Euro? Klingt nach einem Schnäppchen, zumal der wichtigste Konkurrent, der Fiesta ST, inklusive optionaler Sperre und Launch Control 2.300 Euro mehr kostet.
Dass der Neue im N-Kader funktioniert und begeistert, erlebten wir schon Mitte 2021. Als der Koreaner gegen den Fiesta ST und Mini JCW antreten musste. Und haushoch gewann, nicht wie erwartet über den Preis, sondern über die Performance, die schnellste Rundenzeit auf dem Contidrom und die beste Bremse. Kann er den Sieg auch bei unserem Supertest bestätigen? Hier muss sich der i20 N auf dem deutlich schwierigeren Sachsenring beweisen! Vorher aber auch im Alltag und auf der Messgeraden zeigen, was er draufhat. Los geht's!

Komfortabel ist das Fahrwerk nicht – soll es auch nicht

Schon der Einstieg macht Lust auf mehr. Knallenge Sportsitze mit 1a Seitenhalt und komfortabler Polsterung. Der Schaltstock ist gut erreichbar positioniert, das Volant griffig, das digitale Display logisch angeordnet und individuell einstellbar. Der 1,6-Liter-Turbo meldet sich mit heiserem Bellen zum Dienst. Auf den Landstraßen gefallen auf Anhieb Lenkung und Fahrwerk mit sportlicher Härte, ohne dabei ins Straucheln oder Hoppeln zu geraten. Komfortabel ist das freilich nicht, soll es auch nicht.
Hyundai i20 N
Den i20 N wird man 2022 in der Rallye­ WM und im Tourenwagen­sport sehen. Das N ­Blau kostet 570 Euro extra.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD

Aber selbst nach vier Stunden im Auto, über gute und schlechte Straßen, steigt  man nicht mit zerknirschtem Gesicht oder dem Ruf nach einer Aspirin aus. Der rau klingende Vierzylinder beeindruckt in jeder Lebenslage, in jedem Fahrmodus. Er scheint mit Adrenalin statt Super zu fahren. Und die optionale Vorderachssperre verwertet schon auf kurvigen Landstraßen die bis zu 304 Nm allzeit perfekt in Lenkrichtung. Verbrauch?
Mit acht Litern ist man schon flott unterwegs, zehn Liter oder mehr verbrennt man allenfalls im Dauerrausch. Apropos: Autobahn kann der Kleine auch hervorragend. Wenig Gewicht, kurzer Radstand – bedeutet das zappeliges Fahrverhalten bei Topspeed? Nichts da, selbst bei Tempo 220 und mehr liegt der Viertürer erstaunlich ruhig auf der Straße.

Der Hyundai i20 N überzeugt im Sprint

Eigentlich bräuchte das ganze Spektakel noch nicht einmal Zahlen, um seine Genialität zu demonstrieren. Umso schöner jedoch, wenn man selbige trotzdem sprechen lassen kann. Bei den Sprint-Prüfungen drückt der Vierzylinder feist und dreht bauschig, spricht trotz seines kleinen Hubraums verzugfrei an und prustet dank seiner kurz übersetzten Handschaltung teilweise besser durch die Elastizitäts-Disziplinen als der Fiesta ST. Auch beim klassischen 0-100- Sprint überzeugt der i20 N.
Der Einssechser zerrt dabei zünftig die Drehzahlen entlang und jodelt ganz munter auf die Sechstausender zu. Allenfalls ganz oben, wenn er sich in seine Drehzahlreserve streckt, merkt man dem Turbo an, dass er um Füllung schon ganz schön kämpfen muss. Wer den ersten Gang gefühlvoll am Traktionslimit entlang hangelt und das präzise geführte Sechsganggetriebe entschlossen durchrupft, der schafft eine 6,3 auf Hundert. 6,2 Sekunden ist zwar die Werksangabe, doch die Zeit ist selbst mit Launch Control und veränderten Start-Drehzahlen nicht zu schaffen.
Hyundai i20 N
Die serienmäßi­gen 18 ­Zöller passen gut zum N ­Kostüm, die 320er Bremse hat viel Biss und wirkt nie müde.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD

Die Launch-Hilfe funktioniert zwar gut und fortlaufend, lässt den Vierzylinder aber direkt nach dem Start leicht einbrechen, so sind nur maximal 6,4 Sekunden drin. Wie dem auch sei, die Kollegen Fiesta, Polo, A1 oder Cooper sind nicht schneller. Auch bei den Bremsen ist der Hyundai an der Spitze. 33,1 Meter aus Tempo 100, kürzer geht in dieser Klasse nicht. Pedalgefühl, ABS, Fading – alles im grünen Bereich. Selbst die Zweihunderter-Messung konnte weder Pedaldruck noch Reibwert der Anlage nachhaltig in die Knie zwingen, wenngleich das Heck bei Vollverzögerung schon etwas unruhig wird. Mal sehen, wie sich das gleich bei der alles entscheidenden Runde über den Sachsenring bemerkbar macht.
Auf der Einrollrunde wirkt der i20 N in sich extrem straff, definiert und bei der Radführung ausgesprochen steif. Das ähnelt schon alles sehr dem Fiesta ST. Noch mal in die Box, Luftdruck der Pirellis anpassen – und dann läuft die Uhr. Schon beim ersten Einlenken nach der Start-Ziel-Geraden brennt dieser Hyundai ein Feuerwerk ab. Für die nach unten hängende Coca-Cola-Rechts braucht der i20 N keine Aufforderung und schon gar keinen Stupser, sondern einfach nur jemanden, der ihn entschlossen der Fliehkraft entgegen schmeißt.
Egal ob das langsamere Omega, die schnelle Links unter der VW-Brücke, Sachsen- oder Queckenbergkurve – der Kleine ist so gut wie immer am Hüfteln, fetzt mit gehobenem Beinchen über die Curbs, und Untersteuern stellt sich selbst bei großer Drehmomentkeule nicht ein. Stattdessen frisst sich die gesperrte Vorderachse nur noch weiter in den Radius hinein. Überraschend auch, wie gut die Pirellis kleben, deutlich besser als derselbe Pneu am i30 N.

Der Auspuffsound klingt auch unterm Helm derb

Wie sieht es generell im Vergleich zum Fiesta ST aus? Überraschend ist der Kölner im ersten Sektor drei Zehntel schneller. Dessen Dreizylinder kickt in unteren Drehzahlen einfach etwas mehr als der Koreaner. Die verlorene Zeit holt sich der Hyundai aber im Omega und im dritten Sektor zurück und geht in Führung. Man merkt dem Hyundai an, dass er mit etwas mehr Körperspannung arbeitet als der Ford.
Der mechanische Grip ist etwas höher, die i20-Hinterachse einen Tick besser lenkbar. Auf den Sportpedalen lässt sich wunderbar Stepptanzen, mit der Lenkung noch richtig arbeiten, der Auspuffsound klingt auch unter dem Helm derb. Im schnellen vierten Sektor fast bis auf die Tausendstel die gleiche Zeit, in der Sachsenkurve nimmt der i20 N etwas mehr Schwung mit als der Fiesta und knabbert im letzten Sektor noch einmal drei Zehntel von der Ford-Zeit ab.
Es kommt, wie es kommen muss, subjektiv und objektiv ist der Hyundai i20 N Performance am Sachsenring der schnellste Serien-Frontkratzer in der Kleinwagenklasse. Den stärkeren und voll auf Rennstrecke gepolten Mini JCW GP klammern wir jetzt mal aus. Auf den Punkt, ohne zu übertreiben: Der i20 N ist ein Hochkonzentrat an Fahrspaß-Dynamik, ein Kurven-Krümel der momentan in Sachen Preis-Leistung seinesgleichen sucht.

Fazit

Ganz klar, den Fiesta hat der i20 N besiegt! Kesse Heckschwenks, gehobene Beinchen und viel Vorderachsgrip, dazu kernige Auspuffmusik, wie ihn die Fans lieben, so wird man zum King der sportlichen Kleinen!

Technische Daten und Preis: Hyundai i20 N

Motorbauart: R4
Aufladung: Turbo
Einbaulage: vorn quer
Ventile / Nockenwellen: 4 pro Zylinder / 2
Hubraum: 1598 cm³
kW (PS) b. 1/min: 275(204)/1750-4500
Literleistung: 128 PS/l
Nm b. 1/min: 275 (304)*/1750-4500
Getriebe: Sechsgang manuell
Antriebsart: Vorderrad
Bremsen vorn: 320 mm innenbelüftet
Bremsen hinten: 262 mm innenbelüftet
Bremsscheibenmaterial: Stahl
Radgröße vorn – hinten: 7,5 x 18"
Reifengröße vorn – hinten: 215/40 R 18
Reifentyp: Pirelli P Zero (HN)
Maße L / B / H: 4075/1775-2045/1440 mm
Radstand: 2580 mm
Tank-/Kofferraumvolumen: 40/352-1165 l
Normverbrauch CO2: 7,0 l S/100 km • 158 g/km***
Abgasnorm: Euro 6d-ISC-FCM
Grundpreis: 24.990 Euro
Testwagenpreis: 26.990 Euro