Richards Ehefrau drohte mit Scheidung

AUTO BILD MOTORSPORT: Mister Richards, wie hat BAR-Honda über Winter den Sprung von Platz fünf zum stärksten Ferrari-Verfolger geschafft? David Richards: Wir haben an allen Ecken und Kanten hart gearbeitet, aber gegenüber Ferrari haben wir noch einiges aufzuholen. Weil sie in meinen Augen ihren Job komplett perfekt machen. Dass das bei BAR auch so funktioniert, daran arbeite ich.

Wie stark sind Sie wirklich, wie sehr profitierten Sie bisher vom Schwächeln der Gegner? Honda hat mir zugesichert, so zuzulegen, wie wir zugelegt haben. Das ist keine Frage von Details, sondern des stärkeren, geregelteren, intensiveren Engagements. Wir sind Partner und offenbar auf dem richtigen Weg. Die Motoren sind stärker und zuverlässiger als 2003 – mehr brauchen wir nicht.

Wird Honda den Motoren-Vertrag mit BAR über 2004 hinaus verlängern? Davon bin ich überzeugt.

Wie sieht Ihr Plan für die Zukunft aus? Fahrer und Team müssen den Schwung dieser Anfangserfolge in dauerhafte Stärke umsetzen, nicht nachlassen. Jenson Button ist im Steigflug. Wir auch. Beides muss so bleiben. Wir müssen mit Williams und Renault um Position zwei fahren und sehen, dass wir irgendwie Ferraris Dominanz brechen. Vielleicht können wir schon dieses Jahr ein Rennen gewinnen. 2005 dann etwas öfter. Aber das wird unser schwierigstes Jahr. Weil man sehen muss, ob unser Plan wirklich funktioniert.

War der Wechsel auf Michelin-Reifen der Schlüssel zum Aufstieg? Sie können hier im Fahrerlager jeden Techniker fragen: Michelin baut den besseren Reifen. Ferrari gewinnt nicht wegen Bridgestone, sondern umgekehrt. Meine Techniker baten mich, einen Wechsel einzuleiten, weil wir mit Michelin unsere angepeilte höhere Leistungsstufe schneller erreichen könnten. Es sieht so aus, dass das ein guter Ratschlag war.

Warum sind Sie nach dem Benetton-Abenteuer 1998 noch einmal in die Formel 1 gegangen? Viele glauben, dass ich es der Welt danach noch einmal beweisen wollte, dass ich den Job beherrsche. Andere denken, dass für mich die Formel 1 aufregender sei als das Rallye-Geschäft. Meine Motivation ist eine Mischung aus beidem. Manchmal bieten sich im Leben Gelegenheiten. Wenn man sie nicht ergreift, kommen sie so schnell nicht wieder.

Wie lief das ab? Ich habe meine Wünsche und Vorstellungen den Leuten von BAT, die auch meine Partner in der Rallye-WM sind, aufgeschrieben. Dann fuhr ich aus London raus in mein Landhaus, um meine Frau zu überzeugen.

Was schwierig war ...? Sie hatte mir nach meinen Benetton-Erfahrungen gedroht: Wenn du jemals wieder in die Formel 1 einsteigst, dann lasse ich mich scheiden.

Sie leben noch zusammen? Ja, denn ich war gut damals und habe ihr erklärt, warum alles anders laufen wird als bei Benetton, wo ich keinen Rückhalt bei den Eigentümern hatte.

"Jacques Villeneuve war ein Fremdkörper"

Was haben Sie vorgefunden, als Sie 2001 bei BAR gestartet sind? Es war ein zusammengewürfeltes Team, viele Individualisten. Leider hatte die Mannschaft keine Struktur, keine Führung, keine Linie. Es gab einen Traum, aber man wusste nicht, wie man ihn verwirklichen soll. Es war wie in einer unkoordinierten Fußballmannschaft: Alle rennen dem Ball hinterher, aber nie fällt ein Tor.

Was haben Sie als Erstes geändert? Ich habe mir 90 Tage Zeit gegeben. Der entscheidende Schritt war, dass ich vier oder fünf meiner Schlüsselpersonen von meinem Rallye-Team Prodrive rüberholte, was mit zum Deal gehörte. Nach 80 Tagen wussten wir, was zu tun war. Also verkleinerten wir die Mannschaft um 25 Prozent und strafften alle Budgets. Das kam bei BAT gut an, denn die hatten von meinen Vorgängern gehört, der einzige Weg zum Erfolg sei mehr Geld, mehr Personal, mehr Ressourcen.

Ging das alles so glatt? Natürlich nicht. Wenn man so aggressiv angreift, provoziert man zuerst Konflikte und eine ziemliche Instabilität. Mit diesem Problem haben wir uns dann die nächsten neun Monate beschäftigt. Das erste Jahr war schwer, weil wir nach außen keinen wirklichen Fortschritt vorweisen konnten. Auch wenn Geoff Willis als Konstrukteur von Williams zu uns kam.

War Jacques Villeneuve in diesem Umbruch ein Problem oder hilfreich? Das Team war um Jacques herumgebaut, aber es war nicht so wie bei Ferrari und Michael Schumacher. Das damalige Management hatte nicht verstanden, Jacques vernünftig einzubinden. Das war schade, denn nur so hätte man das Beste aus ihm als Fahrer herausbekommen können. Mit anderen Worten: Jacques war ein Fremdkörper. Es war eine Schande für so ein Talent.

Und warum haben Sie sein Talent dann nicht richtig eingesetzt? Es war schon zu viel Porzellan zerschlagen, es gab zu viele Vorbehalte. Da ist's manchmal besser, man fängt sauber auf einem weißen Blatt Papier neu an.

Button hat drei Podestplätze in Folge eingefahren. Kann er, wie Villeneuve, einmal Weltmeister werden? Warum nicht? Wenn wir als Team unsere Aufgaben erfüllen. Jensons erste drei Jahre in der Formel 1 waren hart, sehr hart. Ich war aber überzeugt, wenn man dem Jungen die nötige Unterstützung gibt, dann wird etwas Großes aus ihm. Deshalb habe ich ihn Mitte 2002 verpflichtet – gegen den Rat von Leuten wie Bernie Ecclestone übrigens (der sich nun dafür entschuldigte, die Red.).

Also, worauf kommt es bei den jungen Fahrern an? Dass man sie in einem ruhigen Umfeld langsam aufbaut. Man merkt dann sehr schnell, wie gut oder schlecht jemand reagiert. Takuma Sato macht gerade eine ähnliche Entwicklung durch wie Jenson 2003. Wir werden auch aus ihm das Beste herausholen, ganz sicher.

"Rallye ist immer Kompromiss, Formel 1 nie"

Hilft Ihnen Ihre Erfahrung aus dem Rallyesport in der Formel 1? Die Rallye ist sicher ein gutes Trainingsgelände. Der Unterschied zwischen Formel 1 und Rallye ist vergleichbar mit dem zwischen Golf und Boxen. Boxer sind Gladiatoren. Du gegen einen einzigen Gegner. Rote Ecke gegen blaue Ecke. Auf der Strecke heißt es für jeden Fahrer: Entweder du oder ich! Was am Ende eine viel aggressivere Atmosphäre produziert. Beim Golf hingegen kämpfst du vor allem gegen die Elemente, hast dafür nur die Eisen und einen kleinen, weißen Ball. Das wiederum kreiert ein besonderes Umfeld. Die Leute sind freundlicher, entspannter und respektieren sich mehr.

Wo liegt Ihrer Meinung nach der Unterschied zwischen einem guten Formel-1-Rennfahrer und einem guten Rallye-Fahrer? Das Grundtalent ist bei beiden gleich. Wenn Jenson früher in einem Rallyeauto gesessen hätte statt in einem Formel-Auto, wäre er heute ein Weltklasse-Rallyefahrer. Das Gleiche gilt für jeden jungen Top-Piloten aus der Rallye-WM.

Wie unterscheiden sich Formel 1 und Rallye grundsätzlich? Die Rallye kann eine Menge von der Formel 1 lernen: Promotion, Medienarbeit, Selbstdarstellung. Das heißt nicht, dass die Rallye die Formel 1 kopieren sollte. Das würde der Rallye die Seele nehmen.

Und der fundamentale Unterschied zwischen Rallye und Formel 1? Rallye ist immer Kompromiss, Formel 1 nie. Denn alles ist genau festgelegt, und zwar präzise. Jede Kurve, jeder Bremspunkt, der Asphalt, die Technik, die Wagenhöhe auf den Millimeter genau, die Einstellung des Motors abgestimmt auf jeden Kurventyp. Kurzum: Das Niveau, auf dem die Ingenieure die Leistung eines Autos beeinflussen können, ist in der Formel 1 kolossal. Konsequenterweise geht dann dort die meiste Arbeit in die Technik, in das Auto, in die Strategie.

Und bei der Rallye? Dort ist der Input des Fahrers immer noch extrem hoch. Das wird sich auch so schnell nicht ändern, weil man immer wieder um eine neue Kurve fährt statt auf einem abgesperrten Parcours.

Ist der Rallyefahrer der bessere Racer, weil er mehr improvisieren muss, statt fünfzigmal und mehr eine Kurve anzufahren, um herauszufinden, wie er sie noch optimaler fahren kann? Nein, nein. Der Rallye-Fahrer hat nur einen völlig anderen Ausgangspunkt. Wenn man eine Kurve maximal am Limit fahren will, würde ich einen Formel-1-Rennfahrer empfehlen. Wenn man aber eine normale Straße nimmt und will die zum ersten Mal am schnellsten und gleichzeitig sichersten abfahren, dann empfehle ich einen Rallyefahrer.

Macht die Rallye-Weltmeisterschaft mehr Spaß? Man befindet sich dort nicht in einem so künstlichen Umfeld. Die Rallye ist Natur, die Formel 1 Circus maximus in einem Goldfischglas.

David Richards im Kurzporträt

David Richards im Kurzporträt • Geboren: 3. Juni 1952 • Geburtsort: Orpington (GB) • Wohnort: Radway (GB) • Nationalität: Engländer • Familienstand: verheiratet, drei Kinder • Erlernter Beruf: Kaufmann • Hobbys: Motorsport, Zigarren

Selbst Weltmeister David Richards infizierte sich als 15-Jähriger mit dem Rennvirus. Damals verfolgte er erstmals am Rande eine Rallye, den RACWM-Lauf in Wales. Ein Jahr später startete er bei Rallyecross-Läufen und gewann als Beifahrer die britische Straßenmeisterschaft. 1976 baute er bei British Leyland ein Lancia-Team für die nationale Meisterschaft auf. Ein Jahr danach wurde er von Ford als Beifahrer für Ari Vatanen engagiert, an dessen Seite er 1981 den Fahrer-WM-Titel gewann.

Da er sich parallel dazu bereits eine Sponsorenberatungsfirma aufgebaut hatte, beendete er seine aktive Karriere und finanzierte ab 1982 mit Rothmans als Partner die F1-Saison des March-Teams sowie zum Teil Porsches Sportwagen-Programm. 1984 setzte er selbst 911er ein (Rallye Middle East), bevor er 1985 seine Firma in "Prodrive" umbenannte (heute rund 1000 Angestellte).

1987 folgte der erste WM-Sieg seines Privat-Teams (Rallye Korsika, BMW M3, Bernard Beguin). Dem Wechsel auf Subaru 1989 folgten WM-Titel 1995, 1996 und 1997 für Konstrukteure sowie 1995 (Colin McRae), 2001 (Richard Burns) und 2003 (Petter Solberg) für Fahrer. 1997 wurde Richards Chef des Benetton-F1-Teams (bis 98), 2001 bei BAR-Honda, das er personell verkleinerte und nach vorn brachte.