Jaguar wildert in fremden Revieren und greift mit dem XE in der Dienstwagen-Klasse an. Ein Vergleich mit Mercedes C-Klasse und Infiniti Q50.
Jaguar erfindet sich gerade neu. Den Staub der Nostalgie haben die Briten ihren Katzen bereits aus dem Fell gebürstet. Jetzt sollen sie auch wieder in der Mittelklasse mausen. Damit der Ausbruch aus dem Luxus-Käfig glückt, in dem die Marke jahrelang gefangen war, muss der XE auch technisch überzeugen. Und das in einem Markt, in dem mächtige Mitbewerber wie die MercedesC-Klasse lauern und Hightech-Sonderlinge wie der Infiniti Q50 den ausgefallenen Geschmack bedienen: im stückzahlintensiven Dienstwagensegment.
Unter dem X-Type-Nachfolger steckt jetzt kein Ford mehr
Reinrassige Edelkatze: Fahrzeugarchitektur und Motoren hat Jaguar beim XE selbst entwickelt.
Auch wenn Traditionalisten meckern, der XE sehe für einen Jaguar zu unauffällig aus: Sich im Tarnanzug an die Beute heranzupirschen ist vermutlich ganz clever. Mit dezentem Zwirn sind Business-Einsteiger besser beraten als mit schillerndem Stoff – man will ja nirgends anecken. Hauptsache, das, was darunter steckt, ist nicht gewöhnlich. Im Besonderheits-Check schneidet der XE, abgesehen vom Design, gut ab. Fahrzeugarchitektur und Motoren haben die Briten selbst entwickelt; beim Vorgänger X-Type kam das alles noch von Ford. Um den Rivalen einen Schritt voraus zu sein, machte der indische Mutterkonzern Tata sogar Geld für eine Aluminiumkarosserie locker. Die hat sonst keiner. Was sie bringt? Dazu später. Auf jeden Fall musste anderswo offenbar wieder Kohle reingeholt werden. Leider wurde der Rotstift ausgerechnet dort angesetzt, wo es bei einem Jaguar besonders schmerzt. Wer hinters Lenkrad rutscht und sich auf nobles Ambiente freut, wird im XE abseits der prächtigen Ledersitze enttäuscht.
Der Arbeitsplatz der C-Klasse zeigt alte Mercedes-Tugenden
So sollte ein Mercedes sein: Das Cockpit der C-Klasse ist ein Fest für Augen und Fingerkuppen.
Hohl klingendes Hartplastik, nachgiebige, unsauber eingepasste Verkleidungsteile, scharfkantige Gussgrate und offene Hohlräume ... sorry, aber so was würden wir schon bei einem günstigeren Auto kritisieren. Hier wiegt es umso schwerer, da sich die Konkurrenten in puncto Qualität nicht lumpen lassen. Der Mercedes protzt sogar geradezu damit. Das Cockpit der C-Klasse ist ein Fest für Augen und Fingerkuppen. In dieser Orgie aus Leder, Lack und Chrom fällt es selbst mit einer Lupe schwer, das Haar in der Suppe zu finden, so fein geschliffen wirken Fugenbild und Materialien. Teuer? Ja, aber das sieht und fühlt man auch, vom metallisch klar rastenden Drehschalter bis zur brillanten Bildschirmgrafik. Selbst der Infiniti löst die Bringschuld seines hohen Preises ein – als üppig ausstaffierter "Sport Tech" ist der Japaner mit 51.350 Euro hier der Teuerste. Im Detail wirkt die Limousine der Nissan-Nobelmarke zwar nicht ganz so perfekt wie der Mercedes und für europäische Geschmäcker auch weniger stilsicher; das bunte Cockpit-Durcheinander muss man mögen. Zweifel am Premium-Status kommen aber keine auf.
Fährt der Jaguar denn wenigstens besonders gut? Klare Antwort: Ja! Richtig klasse sogar. Sein 180 PS starker, kernig klingender, aber nie vorlauter Diesel strotzt vor Kraft, hängt wach am Gas und arbeitet mit einer Achtstufenautomatik von ZF zusammen, die auch BMW in seine Autos einbaut. Top-Technik also. Das Getriebe reagiert auf Gasbefehle mit zackigem Runterschalten, kommt danach aber flott wieder in die großen Gänge, was beim schnellen Reisen für nervenschonend niedrige Drehzahlen sorgt. Bei 200 km/h wälzt sich die Kurbelwelle mit tiefenentspannten 2800 Touren in den Lagern.
Der Leichtbau im XE verfehlt seine Wirkung ein wenig
Schwer: Mit 1648 Kilo wiegt der Alu-Jaguar lediglich elf Kilo weniger als die konventionelle C-Klasse.
Auch beim Bremsen zeigt sich der XE von seiner besten Seite: Wer bei 100 km/h in die Eisen geht, steht schon nach weniger als 35 Metern. So wirkungsvoll verzögert hier nicht einmal der Mercedes. Obwohl die Stuttgarter ihre C-Klasse überwiegend aus Stahl bauen und nur in Teilbereichen Alu einsetzen, wiegt der Jaguar mit 1648 Kilo lediglich elf Kilo weniger. Da fragt man sich: Wozu der ganze Aufwand mit der Leichtmetallkarosserie? Vermutlich, weil der XE ohne sie ein ähnlich feister Brocken wie der Infiniti geworden wäre. Dieser gerät dank seiner 1788 Kilo bei Verbrauch und Fahrwerten ins Hintertreffen. Der Jaguar ist deutlich sparsamer und flotter unterwegs, obwohl er dem Mercedes trotz zehn Mehr-PS die Butter nicht vom Brot nehmen kann. Dafür wirkt der britische Newcomer im Handling ein klein wenig agiler. Mit seiner direkten, sauber austarierten Lenkung stürzt sich der XE lustvoll in Kurven, zoomt zielgenau von einer Kehre in die nächste und drückt sich übers Heck mit der per Bremseneingriff simulierten, radweisen Kraftverteilung knackig wieder auf die Gerade. Trotz straffer Grundabstimmung kommt dabei nicht mal der Komfort zu kurz. Die vom SportwagenF-Type entliehene Vorderachse pariert kurze Stöße zwar nicht ganz so lässig wie die luftgefederte im Benz. Lange Wellen schwingt der Jaguar aber souverän aus und federt insgesamt mit ausreichendem Zartgefühl.
Beim Fahrwerk hat der Infiniti eindeutig Nachholbedarf
Das Fahrwerk des Infiniti Q50 wirkt hölzern und kommt bei groben Stößen an die Durchschlagsgrenze.
Der Infiniti kann da nicht mithalten. Seine unklar ansprechende, rein digital funktionierende Lenkung verhärtet bei schnellen Richtungswechseln, das Fahrwerk wirkt hölzern und kommt bei groben Stößen an die Durchschlagsgrenze. Eine Wohltat ist dagegen der Mercedes. Ganz gleich in welchem Modus: Die 1416 Euro teure Airmatic macht stets alles richtig. Ihr sanfter Swing im Comfort-Modus eignet sich vor allem zum Cruisen. Beim Kurven-Carven oder in den Kasseler Bergen stellt man am besten auf Sport – das strafft die Fahrwerkmuskeln, ohne die Abrollgüte nennenswert zu schmälern. Auch die sämige, in sich ruhende Lenkung verdient Lob. Sie trägt ihren Teil dazu bei, dass sich die C-Klasse anfühlt, wie man es von einem Mercedes erwartet: unaufgeregt, satt und gediegen. Wenn man mag, sogar ein bisschen sportlich. Der Benz ist schmaler geschnitten, bietet hinten aber mehr Platz als der Infiniti und der Jaguar, wo zusätzlich zum knappen Knieraum die enge Kofferraumluke und die ansteigende Ladefläche stören. Bis auf das Thema Qualität also ein gelungener Einstand für den XE. Um die C-Klasse zu schlagen, reicht es zwar nicht. Aber eins ist nicht zu leugnen: Jaguar ist mit einem respektablen Auto in der Mitte angekommen.
Der neue kleine Jaguar ist kein Auto, vor dem die deutschen Konkurrenten Angst haben, aber eins, mit dem sie rechnen müssen. Er fährt sparsam und agil, lockt mit dem Nimbus einer großen Marke und ist dabei nicht übertrieben teuer – eine echte Alternative also, auch für Dienstwagenfahrer. Qualitativ braucht der XE aber noch Feinschliff. Denn ein Jaguar darf vieles sein. Nur nicht gewöhnlich.