So ein Bestseller hat es auch nicht leicht. Er muss ständig die Spitze verteidigen, wird von einer Meute hochmotivierter Jungdynamiker gejagt. Dem VW Polo sind traditionell Opel Corsa und Ford Fiesta auf den Fersen, mal mehr, mal weniger dicht, und mit dem Skoda Fabia sogar noch ein übermütiges Familienmitglied. Damit nicht genug, jetzt kommen zwei weitere Typen dazu, die ihn nerven werden: Kia Rio und Toyota Yaris, zwei potenzielle Erfolgsmodelle. Beide größer und besser als zuvor und komplett neu eingekleidet. Besonders dem sehr ansehnlichen Rio hat Kia-Chefdesigner Peter Schreyer ein paar scharfe Züge ins Blech gebügelt, kein Vergleich mehr mit dem farb- und gesichtslosen Vorgänger. Der Toyota wirkt glatt und modern, trägt jetzt einen auffälligen Grill mit vorgestrecktem Markenemblem. Der erste Fahrvergleich, noch ohne Messungen und Punkte, soll zeigen, wo die Neuen stehen.

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Toyota Yaris
Komplett renoviert: Toyota hat den Yaris außen wie innen gründlich überarbeitet.
Beim Yaris hat Toyota nicht nur die Nase gerichtet, sondern auch das Cockpit aufgeräumt. Hier gibt es jetzt kein albernes Mitteldisplay mehr, sondern ordentliche Instrumente vor dem Fahrer. Und für einige Kunststoff-Oberflächen haben die Japaner interessante (aber staubsammelnde) Strukturen gefunden. Der Toyota bietet vorn und hinten ordentliche Platzverhältnisse, doch VW und vor allem der Kia wurden noch großzügiger geschneidert. Der Yaris-Fahrer sitzt zudem etwas sehr weit weg von den Armaturen, der Verstellbereich des Lenkrads ist zu klein. Hinten sparte sich Toyota die bisher verschiebbare Rückbank. Besonders im Fond zeigt der Kia Größenvorteile gegenüber den beiden anderen. Auch stattliche Europäer fühlen sich hier anständig aufgehoben, eher wie in einem Kompakt- als in einem Kleinwagen. Das gilt auch für das Kia-Cockpit. Der Rio ist chic und modern eingerichtet, vielleicht ein bisschen verspielt, mit vielen soften Oberflächen und wenig grauem Hartplastik. Das kommt einem Polo schon ziemlich nahe, die Koreaner haben – mal wieder – riesige Fortschritte gemacht.

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VW Polo
Heiser, lebhaft, drehfreudig: Der Polo wird von einem 1,2-Liter-Dreizylinder angetrieben.
Trotzdem bleibt der VW mit seiner geschmacksneutralen Nichtangriffs-Einrichtung und der sorgfältigen Verarbeitung der Maßstab. Klar, aufregendes Design sieht anders aus, aber bei Feinschliff und Funktionalität macht VW in dieser Klasse vor erst niemand was vor. Mit seinem Platzangebot sortiert sich der Polo zwischen Rio und Yaris ein. Großzügig, aber im Fond eben enger als der Rio. Angetrieben wird der VW in diesem Vergleich von einem heiseren 1,2-Liter-Dreizylinder mit 70 PS. Lebhaft, drehfreudig und nicht unsympathisch, aber stets auch angestrengt und bemüht. Damit ist der Polo zwar etwas flotter unterwegs als der Yaris, kann dem Rio aber nicht folgen. Für den nächstgrößeren Vierzylinder (1,4 Liter, 85 PS) verlangt VW übrigens einen Aufschlag von 975 Euro. Der Polo rollt weicher und satter ab als die beiden Asiaten, federt gerade im direkten Vergleich am komfortabelsten. Mit seiner präzisen Lenkung fährt er sich angenehm handlich und zielgenau.
Genau da kommt, trotz allen Fortschritts, der Kia nicht mit. Seine Lenkung spricht zäher an, wirkt schwammig. Größter Vorteil des Rio: Er hat einen Topf mehr unter der Haube als Toyota und VW mit ihren Dreizylindern. Dieser 1,2-Liter mit 85 PS stammt bestimmmt nicht von Vollblütern ab, tritt aber kräftiger an als die anderen Motörchen, zieht fülliger durch. Das passt zur gelassenen Abstimmmung, auch wenn der Kia nicht ganz so souverän liegt wie der Polo. Aber ausgewogener als der Toyota. Der Yaris rollt steifer ab, seine Lenkung wurde offenbar von einem Spielkonsolen-Hersteller zugekauft, so leichtgängig und gefühllos arbeitet sie. Alles aber nicht wirklich schlimm, der Toyota wiegt rund 100 Kilo weniger als VW und Kia und fährt sich genau so: leicht und locker.

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Starker Polo-Konkurrent

Angetrieben wird er von einem schmalbrüstigen Einliter-Dreizylinder mit 69 PS, einem aufgeregt hechelnden und knurrenden Aggregat. Er dürfte am wenigsten verbrauchen, Toyota gibt 4,8 Liter an. Kia (5,0 Liter) und VW als BlueMotion Technology (5,2) liegen knapp drüber. Kia wirbt für den Rio gerade mit einem Einstiegspreis von 9990 Euro, liefert dafür den 1,2-Liter als Dreitürer in der Grundausstattung Attract. Ein Schnäppchen. Der hier gefahrene Fünftürer mit Spirit-Ausstattung kostet schon 15.190 Euro – das aber inklusive einer kompletten Ausstattung und, nicht zu vergessen, der sieben Jahre Garantie. Davon dürfen sowohl Toyota- als auch VW-Fahrer bis auf Weiteres nur träumen. Der Yaris steht als 1.0 mit Life-Ausstattung für 14.750 Euro in der Liste, der VW Polo als fünftüriger 1.2 BlueMotion Technology (BMT) Comfortline für 15.685 Euro. Hier ist der Polo Spitze. Und bleibt es auch in der ersten Endabrechnung. Noch jedenfalls. Der Vorsprung wird knapper.
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Dirk Branke

Fazit

Bemerkenswert, was die Koreaner aus dem Kia Rio gemacht haben. Was jetzt noch fehlt, ist der letzte Schliff, die Feinarbeit an Motor, Fahrwerk, Lenkung – und dieser Schritt wird schwer werden. Noch eine Erkenntnis: Super-Sonder-Billig-Angebote kommen auch von den Koreanern ganz bestimmt nicht mehr. Toyota zeigt mit dem neuen Yaris weniger Mut, setzt auf zurückhaltendes, unauffälligeres Design. Gerade ein Auto wie der Yaris wird es angesichts der erstarkten Korea-Konkurrenz schwer haben. Das gilt natürlich auch für den Polo. Doch der – ausgewogen, komfortabel, ohne große Schwächen – bleibt erstmal vorn. Noch.