Zurück auf den Zulassungs-Olymp

Strahlend kommt der Tankwart auf mich zu. "Ihr seid bestimmt von einer Autozeitschrift", meint er und blickt auf die vier Allradler, die gerade seinen Kraftstoffvorrat plündern. In dieser ländlichen schwäbischen Region scheint so ein geballter Auflauf was Besonderes zu sein. Für ihn vor allem deshalb, weil er so binnen weniger Minuten fast 300 Liter Benzin verkauft. Dabei übersieht er glatt die neue Mercedes-Benz M-Klasse, die erst im Juli auf den Markt kommt. Wenigstens stimmt seine Vermutung: Wir sind von einer Autozeitschrift und vergleichen den Mercedes mit seiner härtesten Konkurrenz: dem BMW X5, dem VW Touareg sowie dem XC90 von Volvo.

Der neue ML tritt ein schweres Erbe an. Zwar gesteht mir ein Mercedes-Benz-Ingenieur fast schon entschuldigend: "Eigentlich war die erste Generation der M-Klasse nicht für den deutschen Markt gedacht. Auch einen Stern sollte das neue Fahrzeugkonzept nicht tragen." Doch die Begeisterung bei den ersten Messe-Auftritten stimmte damals den Konzern noch um. so kam 1997 M-Klasse.

Für das deutsche Qualitätsniveau war es freilich schon zu spät. "Erst ab dem Facelift 2001 wurde die Qualität spürbar besser", so der Ingenieur. Dem Erfolg hat das nicht geschadet, lange Jahre war die M-Klasse Spitzenreiter, und noch im letzten Baujahr landet sie auf Platz fünf aller verkauften SUV und Geländewagen – auf Platz drei ihrer Klasse. Das neue Modell soll wieder Rang eins im Zulassungs-Olymp erklimmen.

Kräftige Brise Alfa Romeo im ML

Die Anlagen dafür könnten besser nicht sein, denn Mercedes-Benz hat sich jede Kritik am Vorgänger zu Herzen genommen. Das verrät bereits ein Blick in den Innenraum. Die Formensprache des Cockpits scheint von einem italienischen Designer zu stammen. Vor allem um die Instrumente in "Zwei-Tuben-Optik" weht optisch eine kräftige Brise Alfa Romeo. Toll. Dazu gibt es runde Lüftungsdüsen, ein filigranes Lenkrad mit Alu-Applikationen sowie sanft geformte Haltestreben zwischen den Sitzen. Nur wo befindet sich der Wählhebel der Automatik? Der sitzt jetzt immer am Lenkrad und liegt dort richtig gut zur Hand. Eine manuelle Schaltung wird es nicht mehr geben. Staufächer nutzen statt dessen den freigewordenen Platz.

Endlich wurde auch die früher wenig kommode Sitzposition geändert. Jetzt sitzt man nicht mehr wie auf einem Kutschbock, sondern fühlt sich besser ins Fahrzeug integriert. Ebenfalls durchdacht: Wer die Multi-Zonen-Thermotronic ordert (696 Euro), kann die Temperatur im Fond nicht nur von dort, sondern auch per Tastendruck von vorn aus regulieren.

Der Aufwand war nötig, denn die Meßlatte der Konkurrenz liegt hoch. Vor allem der Volkswagen dominiert beim gefühlten Qualitätseindruck. Viele informative Rundinstrumente, Chrom und Holz sowie ein klobiger Wählhebel auf einer massiven Mittelkonsole kommen dem Traum von einer Luxus-Yacht recht nahe. Qualitativ braucht sich erwartungsgemäß auch der Volvo nicht zu verstecken. Aber im Vergleich wirken seine großen Kunststofflächen weniger wertig, haptisch und funktional gibt es jedoch nichts zu bemängeln. Genausowenig wie beim BMW X5, dessen Interieur, ohne iDrive, fast schon ein Klassiker ist.

Motorleistung und -sound

Klassisch sind auch die Antriebe. Unter allen Motorhauben arbeiten kraftvolle Achtzylinder-Benzinmotoren. Wer damit fährt, versteht schon nach wenigen Metern den Hype um Dieselmotoren nicht mehr. Kaltstartnageln, Anfahrschwäche oder Turboloch gibt es hier nicht. Genausowenig wie filigrane Einspritzsysteme, defektanfällige Turbolader und Diskussionen über Rußpartikel. Dafür Laufruhe, spontane Gasannahme und viel Kraft aus viel Hubraum. Natürlich brauchen die V8-Benziner deutlich mehr Kraftstoff, aber sie sind eindeutig die genußvollere Antriebsquelle.

Gerade wenn es um Komfort geht, ist der Mercedes-Benz klar im Vorteil. Die Verbindung mit der serienmäßigen Siebengang-Automatik macht's möglich. Sanft und kaum zu spüren serviert der Automat die Gänge. Das dezente Säuseln des Motors paßt dazu perfekt. Nur V8-Fans werden den fehlenden charakteristischen Sound vermissen. Lediglich zwischen 2000 und 3000 Touren deutet der Motor seine Bauart an, bollert warmgefahren dezent.

Um die Ohren zu beglücken, führt am X5 kein Weg vorbei. Kein anderer von den vieren knallt schon beim Anlassen so unverschämt tiefe Töne aus seinen Endrohren. Über X5-Fahrer, die in Tiefgaragen erst genüßlich alle Stockwerke abfahren, braucht sich jedenfalls niemand zu wundern. Die dadurch verlorene Zeit ist schnell wieder eingeholt. Mit 240 km/h Topspeed fährt der BMW Volvo und VW locker davon. Allerdings nur mit Sportpaket (3400 Euro). Aber aufgepaßt, darunter leidet der Komfort. Denn das sportliche Fahrwerk spricht harsch an und hält die Karosserie immer in (nerviger) Bewegung.

Komfort und Geländetauglichkeit

Die bessere und modernere Lösung bieten Mercedes-Benz und VW an – zumindest gegen Aufpreis. In Verbindung mit der Luftfederung an beiden Achsen wird per Knopfdruck eine sportliche Kennlinie der Stoßdämpfer angewählt. Diesen Wunsch quittiert der ML zudem mit einem Absenken der Karosserie um 15 Millimeter und einer spontaneren Abstimmung des Gaspedals. Wer will, kann auch in einen weichen Comfort-Modus wechseln – aber schon die normale Einstellung bietet den besten Kompromiß.

Zwischen Sport-, Komfort- und Automatik-Modus muß sich auch der Touareg-Fahrer entscheiden. Nur der Volvo-Besitzer kann keine Entscheidung über das Setup treffen. Er muß mit konventionellen Stahlfedern auskommen. Der Fahrkomfort ist trotzdem gut, zudem hat er die besten Sitze sowie die Option auf eine dritte Sitzreihe und damit Platz für sieben, nicht zu große Personen. Bei Nichtgebrauch verschwinden die zwei Sitze im Boden.

Dazu paßt der von Yamaha entwickelte V8-Motor sehr gut. Mit 315 PS ist er die Idealbesetzung für den großen Schweden. Mit einer Einschränkung: Der spontane Antritt des V8 harmoniert nicht mit dem trägen Allradsystem. So drehen die Vorderräder oftmals beim Anfahren durch, ehe die Haldexkupplung auch die Hinterräder am Vortrieb beteiligt. Nichts zu verbessern gibt's am Sound, er kommt dem X5 schon nahe. Genauso wie die schlechten Eigenschaften im Gelände, hier vertrauen beide auf ein Schlupfregelsystem statt echter Sperren. Außerdem fehlen Untersetzungsgetriebe und überzeugende Achs-Verschränkung.

Die Ausstattungen im Überblick

Beides bieten Mercedes-Benz und Volkswagen. Mit dem "Offroad-Pro Technik-Paket" (1914 Euro) wird die M-Klasse schon auf dem Papier zum Gelände-Profi. Unter anderem zwei Sperren (Mitte und hinten), Untersetzung sowie mehr Verstellbereich bei der Luftfederung sind inklusive. Das hat der Touareg schon in Serie. Optional gibt es noch eine Differentialsperre am Hinterachsgetriebe wie auch entkoppelbare Stabilisatoren. Nach 16 Jahren Mercedes-Benz fährt unser Tankwart VW. Ab Juli wird er das überdenken.

Fazit und technische Daten

Fazit von AUTOMOBIL TESTS-Redakteur Dietrich Erben Im ersten Fahrvergleich führen für mich Mercedes-Benz M-Klasse und VW Touareg. Der ML ist moderner, der VW besser ausgestattet. Der Volvo hat einen kraftvollen Motor, aber abseits von Asphalt ist er so schlecht wie der BMW. Der hat ein tolles Handling, aber weniger Nutzwert als die Konkurrenz.

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Von

Dietrich Erben