Am besten gar nicht hinschauen. Lieber umdrehen, die herrlich altmodische Karo-Tapete betrachten und auf den großen Knall warten. So wie Michael Arndt sich da beim Einsteigen abstützt, hält das nie im Leben. Gleich wird sein McLaren-Mercedes MP 4/14 in sich zusammenbrechen. Dieser Formel-1-Wagen ist weder aus Kohlefaser noch aus Titan gebaut – sondern aus Streichhölzern. 956.000 Stück hat der Stadtangestellte aus Hannover in den letzten sechseinhalb Jahren verklebt, um das Weltmeisterauto von Mika Häkkinen aus der Saison 1999 im Original-Maßstab nachzubauen.

Die meisten Hölzer sind aus dem Supermarkt

Streichholz-Mann
Sechseinhalb Jahre Streichhölzer köpfen, halbieren, verkleben, Tag für Tag, Stück für Stück. Und nun geht alles zu Bruch? Ein vorsichtiger Blick: Der 40-Jährige sitzt hinterm Lenkrad, der Eigenbau hat gehalten. "Keine Sorge, ich habe die Hölzer teilweise in zehn Lagen geklebt", sagt Arndt, "das hält was aus!" Okay, dann schauen wir mal genauer hin. Auf das herausnehmbare Lenkrad, das Bedienknöpfe trägt und Schaltwippen aus Holz-Wäschklammern. Auf die perfekt geformten Räder, die allein 200.000 Hölzer verschlungen haben. Oder auf die vielen Feinheiten: verstellbare Außenspiegel, detailliert nachgebaute Radaufhängungen, ein abnehmbarer Heckflügel. Wahnsinn! Stundenlang könnte man das alles beschreiben, und doch würde man die interessanteste Frage nicht beantworten: Was ist das für ein Typ, der in seiner Freizeit jahrelang Streichhölzer aneinanderklebt? Hat der überhaupt ein Sozialleben, wohnt er vielleicht noch bei Mutti? Schon die erste Begegnung ist überraschend: Da steht ein sportlicher, muskulöser Typ in der Tür. Oben in der Wohnung im ersten Stock wartet seine Freundin Neclar (39). Und beruflich scheint der Mann auch erfolgreich zu sein. Was er bei der Stadt macht, darf er nicht erzählen, angesichts des SLK vor der Tür scheint es aber kein ganz schlechter Job zu sein.
Streichholz-Mann
Wie alles begann, erklärt Arndt so: "Ich habe schon immer gern gebastelt. Als ich 1983 gelesen habe, dass jemand den Kölner Dom aus Streichhölzern nachgebaut hat, dachte ich: Mensch, das möchte ich auch machen." Nach zwei Lokomotiven und diversen Gebäuden machte Michael Arndt sich an sein Meisterstück, den McLaren-Mercedes. 300.000 Streichhölzer bekam er aus dem Werbegeschenke-Fundus einer Wolfsburger Friseurin, die restlichen kaufte er im Supermarkt. Auch die 1686 Tuben Klebstoff zahlte er selbst. "Alles in allem hatte ich etwa 6000 Euro Kosten." Freundin Neclar findet das alles prima: "Michael ist dadurch ausgeglichen. Es ist doch schön, dass ihn sein Hobby so glücklich macht." Doch was soll nach so einem Rennwagen als nächstes kommen, lässt sich das überhaupt noch steigern? Arndt schüttelt den Kopf: "Ich mache erst mal Pause und genieße mein fertiges Werk." Sein verschmitzter Blick lässt allerdings vermuten, dass der Mann schon wieder über das nächste Meisterstück nachdenkt ...

 

Von

Alex Cohrs