Gut kopiert ist (fast) gewonnen

Besser gut kopiert als schlecht erfunden. Dieser Grundsatz brachte Japans Autoindustrie ab den 70er Jahren weltweit auf die Überholspur. Dort steigt bekanntlich auch das Selbstbewusstsein. Wer vorne fährt, der muss keine Rück-Sicht mehr nehmen. Im Gegenteil: Er muss den anderen plötzlich die Richtung weisen. Das klappte im Falle Lexus zu Anfang bei Preis und bei Qualität. Doch wenn wir uns dem neuen LS430 nähern, sehen wir den rollenden Beweis, dass Stuttgart stilistisch mal wieder die Designvorlage lieferte.

Sieht der Lexus nicht aus wie die alte S-Klasse (W 140), die ab März 1991 auf unserem Markt zu heftigen Protz-Reaktionen führte? Die erst vor gut zwei Jahren verstummten, als mit dem aktuellen W 220 das "S" wieder für schlank stand. Die Ähnlichkeiten scheinen wirklich mehr als zufällig zu sein. Nach diesen Äußerlichkeiten erst mal ein tiefer Diener vor der Technik. Was hier von Schwaben und dort von schlauen Japanern auf vier Räder gestellt wird, kann als Krone des Automobilbaus gelten. Herkömmlich nur noch Stahlkarosse, Frontmotor und Heckantrieb. Doch eine ganze Chip-Armee kontrolliert in beiden 430-Typen Technik, Komfort und Sicherheit.

Das Alphabet hat bald keine Buchstabenkürzel mehr frei für die unzähligen Sensoren zum Spritsparen, Abgasreinigen, Schleuderbremsen, Airbagauslösen, Komfortüberwachen (die Sitzheizung des Lexus könnte übrigens noch kräftig getunt werden), Fahrwerkkontrollieren und so weiter.

S 430: Windgeräusche bei Höchsttempo

Chip, chip, hurra!, ruft der Fahrer und begreift so langsam, dass er im Grunde total entmündigt wird. Das Auto denkt, der Fahrer lenkt. Mehr nicht. Ein Prinz auf der Erbse. Fühlen wir also unter die Luftfeder-Matratzen. Traumhaft, wie Pneus und Pneumatik die Fahrbahn ausbeulen. Erst bei Höchsttempo 250 (abgeregelt) fühlt der Prinz auf rubbeliger Piste den Unterschied: Der Mercedes vibriert fein, auch die per Schalter dreistufig einzustellenden Stoßdämpfer lassen ein Erbsen-Beben durch.

Anders der Lexus: Steht der Kippschalter auf "Norm", werden die Rubbel spürbar, steht er auf "Sport", dämpft er sie fast weg. Kleinigkeiten, aber die Erbsen-Zählerei geht weiter. Meldet doch Toyota für seinen Lexus einen Windschlüpfigkeits-Weltrekord cW 0,25 (Mercedes 0,27) an. Dank glatterem Unterboden und reduzierter Spaltmaße. Die beim Lexus aber gar nicht so präzise wirken. Vor allem beim Übergang vom Kunststoff der Stoßstangen zum Karosserieblech und in der Motorhaube entdeckt die Prinzen-Pupille unsaubere Passungen.

Mercedes hat sich in vielen Jahren den Ruf allerbester Qualität erarbeitet. Beim S 430 aber zerrt der Sturmwind bei Höchsttempo durchaus hörbar an den Türen; die Ladefächer unter den Vordersitzen haben Koreaplastik-Niveau wie auch die Fußraumleuchten hinten. Und: Sitzen die Hölzer nicht ein wenig ungenauer als früher? Nun aber Schluss mit dieser pingeligen Prinzenrolle.

LS430: Leisetreter Lexus

Wer sich mit knapp 137.000 Mark den Gegenwert einer Eigentumswohnung auf vier Räder stellt, der denkt bestimmt in anderen Dimensionen. Der genießt das belederte Platzangebot (bei Mercedes Aufpreis). Der sieht mit Freude den Drehzahlmesser nach oben eilen und die 100-km/h-Marke beim Lexus schon nach ruckfreien 6,8 Sekunden (Mercedes 7,2) fallen.

Irgendwo unter der gedämpften Motorhaube lässt der Lexus dabei die Explosionen seiner acht Zylinder als sehr fernen Fanfarenchor herüberwehen. Generell ist der LS 430 das leiseste bisher in der Redaktion gemessene Auto. Drei Katalysatoren sorgen abgasseitig für den richtigen Ton.

Ganze vier Reiniger koppelt Mercedes hinter seinen V8, der akustisch etwas bassiger klingt. Beide Modelle glänzen mit blitzsauberer D4-Einstufung und erträglichem Verbrauch. 12,3 Liter Super trank der Lexus im Testmittel, der Mercedes nahm ein lächerliches Zehntel mehr. Wer ein Ohr für die motorischen Konzerte hat, der fühlt sich nun plötzlich nicht mehr entmündigt. Der stellt übermütig die Elektronik auf die Probe. Vulgär gesprochen: Er gibt mal richtig Gummi.

Beim Grundpreis herrscht Einigkeit

Gehalten von den natürlich in alle Richtungen einzustellenden Sitzen, vermitteln beide 430 auf Wunsch ein durchaus sportliches Gefühl. Die knapp zwei Tonnen lassen sich erstaunlich behende bewegen. Markante Unterschiede: Bei hohem Tempo läuft der Mercedes unsauber geradeaus, der Lexus zieht stur seine Bahn. Den Grenzbereich gibt natürlich wieder die Elektronik vor, meldet mit blinkenden Warnlampen, wenn die Räder ins Rutschen geraten. Wobei der Mercedes wilde Gemüter früher und abrupter einfängt. Der Lexus lässt seinem Fahrer etwas mehr Freiheiten, bremst ihn mit der gefühlloseren Lenkung aber bisweilen schon vorher in seinen Aktivitäten.

Wenden wir uns dem Preisvergleich zu. Beim Grundpreis herrscht Einigkeit: Knapp 137.000 Mark nennen die Listen für beide 430. Der Test-Lexus rollte mit President-Line-Extras (Satellitenpeilung, Mark-Levinson-Audio-System, Kühlfach, Seitenrollos, Fondklimatisierung, Massagesitze) an den Start, macht runde 153.533 Mark. Wird der Mercedes vergleichbar aufgerüstet, kommt er auf 162.227 Mark.

Folgt die Gewissensfrage: 8700 Mark mehr für das Original hinblättern? Oder die perfekte Fälschung nehmen? Dazu bleibt die Stilfrage: Welche Karosse sieht langfristig elegant und zeitlos aus? Spätestens jetzt müssen wir jeden mit seinem Geschmack alleine lassen.

Fazit und Zeugnis

Fazit Wir befinden uns technisch und preislich in der Königsklasse des Autobaus. Grund genug, strengste Maßstäbe anzulegen. Die aber wenig Anlass für Kritik finden. Beide 430 besitzen ein Feuerwerk unter der Haube, pflegen im Innenraum Business-Qualitäten und fahren luftgefedert fast wie auf Wolken. Ausstattungsbereinigt sind sie preislich nur 5,7 Prozent auseinander, in der Wertung um fünf Punkte. So herrscht technisch praktisch Gleichstand. Geht es um Design und Wiederverkauf, dann geben wir dem Mercedes den Vorzug.

Testwerte und technische Daten

Den Testverbrauch ermittelt AUTO BILD auf einer Normstrecke, die über Landstraße und Autobahn führt, aber auch Stadtverkehranteile enthält.

Preise und Kosten

Beide Fahrzeuge erfüllen die strenge D4-Abgasnorm, sind somit 16 Monate lang von der Steuer befreit.

Punktewertung

Das Kostenkapitel beinhaltet die Wertungen für Grundpreis, den Preis der AUTO BILD-Version, Verbrauch, Reichweite, Garantie und Unterhalt.