Mini All4Racing Tracktest
Der Mini All4Racing ist 45 Zentimeter höher als das Original, 21 Zentimeter breiter und 22 Zentimeter länger ist sein Countryman.
Ach ist der niedlich! Für gewöhnlich löst der erste Blick auf einen Mini einen gewissen Kuschelreflex aus: Kulleraugen, Pausbäckchen und poppig bunte Farben haben nur eine Botschaft: "Hab mich lieb!" Doch der Mini von Nasser Al-Attiyah ist anders. 45 Zentimeter höher als das Original, 21 Zentimeter breiter und 22 Zentimeter länger ist sein Countryman nicht nur aus dem Leim gegangen wie Obelix nach seinem unfreiwilligen Bad im Zaubertrank. Sondern er ist auch fast so stark wie der Gallier, und mindestens genauso unbesiegbar. Denn Al-Attiyah ist Rennfahrer und hat mit seinem Dienstwagen nicht umsonst gerade erst die legendäre Rallye Dakar gewonnen.
Rallye Dakar: Al-Attiyah gewinnt
Mini All4Racing Tracktest
Wieselflink wühlt sich  der Mini durch die Wadis, dreht Pirouetten, bis sich die Sonne hinter dichten Wolken verfinstert.
Kuscheln will mit diesem Mini allerdings keiner mehr. Weil Leistung in der Wüste wichtiger ist als Lifestyle und Mode zur Nebensache wird, hat das von Milliarden-Erbe Sven Quandt geführte Team X-Raid aus dem hessischen Trebur den kleinen Briten zu einem Kampfwagen für die Buckelpiste aufgerüstet, der unter den Zaungästen schon Angst und Schrecken verbreitet, wenn er nur mit Standgas an die Startlinie rollt. Von Vollgasfahrten ganz zu schweigen. Am meisten Angst vor diesem Auto hat aber zumindest heute der Fahrer selbst. Denn der Dakar-Sieger hat ausnahmsweise dem Platz hinter dem Steuer geräumt, sitzt mit einem Gebetsbuch voller Routenanweisungen in der rechten Rennschale und lotst den Autor mit einer Engelsgeduld durch die Wüste von Dubai. Hier, wo der Araber bald jedes Sandkorn persönlich kennt, bittet er im Mini All4Racing zum Track- oder besser Drecktest.
Mini All4Racing Tracktest
Dakar-Sieger Nasser Al-Attiyah hat ausnahmsweise dem Platz hinter dem Steuer geräumt und gibt Anweisungen.
Also steigt man trotz der Gluthitze tapfer in den schwarzen Rennanzug, stülpt den Helm über und lässt sich von den Mechanikern in einem schraubstockgleichen Carbongestell festzurren, das nur Scherzkekse noch "Sitz" nennen können. Dann steckt ein Helfer das Lenkrad auf die Nabe, Al-Attiyah drückt den Startknopf und es beginnt ein Höllenritt, der sich auf ewig ins Gedächtnis brennen wird. Der Sechszylinder-Diesel aus dem M 550d brüllt lauter als der Muezzin vom höchsten Minarett, und sobald die bleischwere Kupplung zuschnappt, stürmt der Countryman davon wie eine Wüstenspringmaus: Mit 320 PS und rund 800 Nm prügelt der Drei-Liter-Motor den wegen des Reglements auf 1,9 Tonnen aufgelasteten Mini durch den Sand.
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Der Dakar-Mini rollt auf einem Spezialfahrwerk mit bald einem halben Meter Bodenfreiheit und 25 Zentimetern Federweg.
Wieselflink wühlt er sich durch die Wadis, dreht Pirouetten, bis sich die Sonne hinter dichten Wolken verfinstert, jagt die Dünen hinauf, surft über die hohen Kämme der sandigen Gebirge und nutzt jede Bodenwelle als Sprungkuppe. Zwar fühlt sich der Kopf des Fahrers dabei wie eine rohe Kartoffel, die einsam durch einen verbeulten Kochtopf kullert. Doch der Mini lässt sich von dieser Buckelpiste nicht aus der Ruhe bringen und hüpft so locker durch die Wüste wie ein Sandfloh – kein Wunder, bei einem Spezialfahrwerk mit bald einem halben Meter Bodenfreiheit und 25 Zentimetern Federweg. Und dass zwei der drei Ersatzräder mittlerweile im Wagenboden verstaut sind und den Schwerpunkt weit nach unten drücken, ist sicher auch kein Schaden.Nicht nur der Antrieb ist anders. Auch sonst hat der Mini All4Racing mit einem Countryman nicht viel mehr gemein als das Markenlogo, die Türgriffe, die Scheinwerfer und den Wischer an der mühsam übernommenen Original-Scheibe, die Plattform des BMW X3, der Gitterrohrrahmen, die Karosserie aus Carbon – all das wurde eigens für den Renneinsatz entwickelt oder zumindest adaptiert und treibt den Preis am Ende auf rund 800.000 Euro – die Kosten für die dreiwöchige Montage in Trebur noch nicht mitgerechnet.

Suche nach der perfekten Welle

Mini All4Racing Tracktest
Der Racer hat zwei Dutzend Schalter auf dem Mitteltunnel, über deren Funktionen man jetzt lieber gar nichts wissen will.
Dass man damit eines der teuersten Autos bewegt, die Mini je gebaut hat, daran verschwendet man bei dieser Testfahrt besser keinen Gedanken. Wie auch, wenn man alle seine Sinne braucht, um diesen Wüstenritt überhaupt heil durchzustehen, Denn während man die Gänge mit dem langen Schaltknauf auf dem breiten Mitteltunnel förmlich ins sequentielle Getriebe prügelt, fliegt der Mini mehr über den Kurs, als dass er fährt. Mit den drei einzeln stellbaren Differentialen und dem riesigen Hebel für die Handbremse lässt man den Countryman wedeln wie ein Slalom-Ass und je besser man sich an die stark verzögerten Reaktionen im Sand gewöhnt, desto mehr fühlt man sich wie ein Surfer auf der perfekten Welle.Allerdings hat der Laie am Lenkrad dabei so viel Mühe, den Kopf irgendwie gerade zu halten und den Blick auf den Horizont zu richten, dass er nicht im Traum daran denken mag, jetzt auch noch die vielen Instrumente im hoffnungslos überladenen Cockpit zu kontrollieren. Wo andere Rennwagen nicht viel mehr Anzeigen haben als den Drehzahlmesser, erinnert der Arbeitsplatz hier an die Kanzel eines Airbus-Piloten: Jeden Druck und jede Temperatur kann man einzeln ablesen, kann den Wagen bei einer Panne auf Knopfdruck aufbocken oder absenken, hat einen Tempomat für die Stadtstrecken und zwei Dutzend Schalter auf dem Mitteltunnel, über deren Funktionen man jetzt lieber gar nichts wissen will. Und mit Bordcomputer, Werkstreckenzähler, GPS-Monitor und Roadbook soll sich gefälligst der Beifahrer beschäftigen – wir sind hier schließlich nicht bei einem Sonntagsspaziergang.

Spitze? Nur schlappe 180 km/h

Auf der Straße mag man über ein Spitzentempo von etwa 180 km/h nur lachen. Denn obwohl der Countryman John Cooper Works als stärkstes Serienmodell mit seinen 218 PS gerade mal zwei Drittel der Leistung hat, schafft er es auf 228 km/h. Doch wer mit 120, 130 Sachen durch die Wüste fliegt, mit Vollgas auf den Dünen surft und bei all den großen Sprüngen zum Führerschein fast noch eine Fluglizenz braucht, dem bleibt das Lachen im Halse stecken. Dafür lacht der Tankwart um so freundlicher: Zwar lässt sich der Mini auf Überführungsetappen auch mal mit zehn, zwölf Litern bewegen. Doch im verschärften Einsatz gönnt sich der Wüstenkrieger auch mal 30 bis 50 Liter. Kein Wunder, dass er einen Tank hat, der fast so viel Sprit speichert wie der Höcker eines Kamels. Sonst würde es für die Tagesetappen bei der Dakar kaum reichen. Eine halbe Stunde dauert der Höllenritt durch die Wüste und sie kommt einem vor wie eine Ewigkeit: Die unerbittliche Sonne von außen, der röhrende Motor von innen – so wird das Auto zum Glutofen, in dem man im eigenen Saft dahin schmort wie ein Brathähnchen – und der Sand, der durch alle Ritzen dringt, ist die Panade dazu.Selbst wenn es am Ende keine Champagner-Dusche gibt wie bei Dakar-Sieger Al-Attiyah, ist deshalb die Erleichterung groß, als der König der Wüste heil zurück zum Werkstattzelt findet. Die Hände sind nass, die Knie weich, der Rücken ist wund, überall unter dem Gurt hat man blaue Flecken, das Singen in den Ohren wird einen noch Stunden begleiten und im Körper hat man so viel Adrenalin, dass an ein klares Urteil kaum zu denken ist. Deshalb ist die Freude, diesen Höllenritt überstanden zu haben, auch nur von kurzer Dauer. Und während sie abebbt, bricht sich mit großer Macht das nächste Gefühl Bahn: Sehnsucht! Nein, ich will nicht aussteigen! Sperrt mich wieder in den Käfig, schnallt mich wieder fest – und lasst mich endlich weiterkämpfen. Kuscheln können mit dem Mini ruhig die anderen.

Von

Thomas Geiger