Bezahlbare Mittelklasse made in Germany hieß bisher sportlicher Mondeo oder komfortabler Passat. Doch jetzt kommt Opel mit dem Vectra C, der genau dazwischen einschlägt.
Der Pluspol mit einem Mangel an Elektronen auf der einen, der Minuspol mit einem Überschuss negativer Ladungen auf der anderen Seite – dazwischen die elektrische Spannung. Was Alessandro Volta im Prinzip schon 1800 erkannte, besitzt natürlich auch heute noch Gültigkeit. Nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch im Automobilbau. Zwischen die beiden Mittelklasse-Pole Ford Mondeo und VW Passat platziert Opel den neuen Vectra. Als viertüriger 2.2 Elegance mit 147 PS liefert er die nötige Spannung für den Vergleich mit Ford Mondeo 2.0 Ghia (146 PS) und VW Passat 5V Turbo Comfortline (150 PS).
Schnittig: Chromleisten am Kofferraumdeckel und unter den Seitenfenstern sollen der Linie des Vectra mehr Klasse verleihen.Entfacht die dritte Auflage des Ascona-Erben nur einen schwachen Hoffnungs-Funken, oder schlägt sie ein wie der Blitz? Eingefleischten Opel-Fahrern könnte jedenfalls schon die äußere Hülle einen heftigen Schlag versetzen. Kantige Form, wuchtige Erscheinung, zweigeschossige Scheinwerfer – dieser Opel wirkt zwar nicht elektrisierend elegant, räumt mit dem Hutträger-Image früherer Modelle aber ebenso gründlich wie mutig auf. Ab sofort zeigt der Vectra Profil, auch wenn er konservative Kunden damit möglicherweise verschreckt. Neben dem schnittig-schrägen Mondeo und dem schwungvoll-schicken Passat kann er sich so aber jederzeit sehen lassen. Den gleichen Eindruck vermittelt die erste Sitzprobe.
Rüsselsheims cleveres Raumkonzept
Die Bügelgriffe wirken äußerst solide, großzügige Türausschnitte lassen auch Fondgäste schmerzfrei zusteigen, die Lederpolster (1800 Euro extra) verführen mit guter Passform und kuscheligem Komfort. Eine Einladung, die das clevere Raumkonzept unterstreicht. Obwohl mit 4,60 Metern der Kürzeste im Feld, muss im Vectra nicht enger zusammengerückt werden als in Mondeo und Passat. Selbst lange Beine und breite Schultern lassen sich schmerzfrei sortieren. Auch beim Gepäck verbuchen Ford und VW keinen Raumvorteil. Wer schließlich hinterm (wie auch bei Ford und VW) höhen- und längs verstellbaren Steuer Platz nimmt, lernt den Opel fast ein bisschen lieben.
Die Sitzposition stimmt, unsere Finger fühlen fast überall wertige (Kunst-)Stoffe, die Bedienungsanleitung kann getrost im Handschuhfach bleiben. Auch wenn das wuchtige Cockpit ein wenig an die heimische Schrankwand erinnert, stellt uns die Bedienung eines Wäschetrockners vor größere Rätsel. Sogar an die per Tippkontakt aktivierte Blinker- und Wischerfunktion gewöhnt man sich schnell. Hebel antippen, und es wird kurz (3x) geblinkt oder (1x) gewischt. Hebel über den Druckpunkt hinausbewegen, schon blinkt oder wischt es permanent. Nette Spielerei, deren Vorteil eindeutig auch darin liegt, dass Vectra-Fahrer künftig mit Technik à la 7er-BMW protzen können.
Ford und VW überzeugen auch ohne solche Schützenhilfe mit wohnlichem Ambiente und klarer Funktionalität. Im Mondeo Ghia vermitteln dunkelgraues Holz, Leder an Lenkrad und Schaltknauf (Serie wie bei Opel, VW 145 Euro) sowie silberne Kontrastblenden geschickt zwischen Sport und Luxus. Dass Material und Mischung dabei nicht perfekt anmuten, sei verziehen. Und erklärt den Abstand zum VW.
Hellwacher 1,8-Liter-Turbo im Passat
Durchs Wolfsburger Wohnzimmer weht der diskrete Charme der Oberklasse. Aufgeräumt und aufgeschäumt lässt das Cockpit wenig Raum für Kritik – was immer wir mit Augen oder Fingern abtasten, wird direkt in Wohlgefühl umgesetzt. Zurück im Vectra, wird das Fest für die Sinne allerdings brutal ausgebremst. Die Qualitätsanmutung stimmt zwar auch beim Rüsselsheimer, die Schaltung hakelt aber deutlich, der Motor scheint an schwerer Depression zu leiden. Lässt der Ampelstart noch auf ein munteres Maschinchen hoffen, büßt der 2,2-Liter anschließend deutlich an Temperament ein. Mit vorbildlicher Laufruhe, im Zwischenspurt aber sehr schüchtern, kämpfen die 147 PS verzweifelt mit der viel zu langen Übersetzung. Die Spitze von 216 km/h erreicht der Vierventiler nur mühsam – theoretisch wären im fünften Gang allerdings fast 240 km/h drin.
Auf der sicheren Seite: Dank ESP nimmt der Passat schnell gefahrene Kurven gelassen.Von ganz anderem Kaliber der Passat. Hier arbeitet ein hellwacher 1,8-Liter-Turbo (150 PS). Mit bissigem Antritt, leidenschaftlicher Drehfreude und vollem Drehmoment schon bei 1750 Touren. Einzige Schwachstelle: Der Fünfventiler mit dem kurz übersetzten Getriebe neigt zum Saufen, gönnt sich fast elf Liter auf 100 Kilometer. Ebenfalls spurtstark, aber weniger elastisch nimmt der 145 PS starke 2,0-Liter im Mondeo den Kampf gegen Luft- und Rollwiderstände auf. Der Vierventiler sorgt für anständigen Spurt-Spaß und dreht locker nach oben. Ein Sportler, zu dem aber leider nicht nur eine knackige Schaltung, sondern auch der raue Lauf gehört.
Sportwagen-Ambitionen beim Mondeo
Auch bei Federung und Lenkung zeigt Ford ganz ungeniert seine dynamische Seite. Straff, aber nicht unkomfortabel zirkelt der Mondeo ums Eck, als wäre er eigentlich lieber ein Sportwagen geworden. Doch Vorsicht: Wer in schnell angegangenen Kurven vom Gas geht, muss mit größeren Ausschlägen des Hecks rechnen. Denn ESP kostet beim Kölner als Einzigem 545 Euro extra – klingt irgendwie nach Kurzschluss beim Kassenwart.
ESP kostet beim Kölner extra: Wer in schnell angegangenen Kurven vom Gas geht, muss mit Ausschlägen des Hecks rechnen.Im Vectra schützt das neue ESP plus vor den Folgen von Übermut oder Unachtsamkeit. Auch wenn dem Heck beim Ausweichen durchaus Freiheiten gelassen werden, bleibt der Opel harmlos wie der Stromschlag einer 1,5-Volt-Batterie. Beim Komfort gelingt den Rüsselsheimern schließlich ein fast perfekter Spannungsausgleich. Nicht so weich wogend wie der mitunter schwammig wirkende Passat, aber auch nicht so fest federnd wie der Mondeo, beschreiten sie den goldenen Mittelweg. Hier drohen weder Bandscheibenschaden noch Seekrankheit.
Sogar an der Kasse achtet Opel darauf, seinen Kunden nicht die Stimmung zu vermiesen. Mit 24.100 Euro kostet der Vectra 2.2 Elegance kaum mehr als der Ford Mondeo 2.0 Ghia (23.925 Euro). Nur VW hält auch hier nichts vom Sparen. Schon der Passat 5V Turbo Comfortline verschlingt 25.225 Euro. Ausstattungsbereinigt verlangt Volkswagen sogar rund 3000 Euro mehr als Ford oder Opel. Was den Minuspol im Spannungsfeld "Geld" eindeutig nach Wolfsburg verschiebt.
Preise und Ausstattung
Keine Schwächen bei der Opel-Sicherheit: Ford (ESP) und VW (Kopfairbags vorn/hinten) lassen sich die noch per Aufpreis bezahlen.
Technische Daten
Opel platziert den neuen Vectra als 2.2 Elegance mit 147 PS zwischen Ford Mondeo 2.0 Ghia (146 PS) und VW Passat 5V Turbo Comfortline (150 PS).
Fazit
von
AUTO BILD
Hut ab vor diesem Opel: Auf Anhieb kann sich der neue Vectra zwischen den Platzhirschen Passat und Mondeo einreihen. Dass der durstige und teure VW die Krone dieses Mal noch behält, liegt dabei einzig und allein am Motor. Der müde 2,2-Liter des Vectra bekommt gegen den hellwachen 1.8 Turbo des Passat keinen Stich. Den Mondeo 2.0 bringen schließlich die etwas zu sportliche Auslegung und das fehlende ESP um eine bessere Platzierung.