New Metrocab
Ein Londoner Taxi im klassischen Schwarz vor der Tower Bridge. Mehr England geht nicht. Doch dieses Black Cab fährt elektrisch.
Das Checker Cab in New York ist Geschichte und der Ford Crown Victoria rollt so langsam aufs Altenteil. Der Hindustan Ambassador in Delhi läuft aus, Mexiko City verabschiedet sich vom Käfer-Taxi und mit der Daimler-Dominanz am Droschkenstand ist es in Deutschland auch nicht mehr so weit her – überall in der Welt müssen sich Touristen an ein neue Taxen gewöhnen. Einst Ikonen im Straßenbild und für die Reiseerinnerungen genauso wichtig wie die eigentlichen Sehenswürdigkeiten, werden sie von politisch korrekten und ums Klima besorgten Bürgermeistern aus den Städten gefegt und von gesichtslosen Allerweltsmodellen mit Hybrid- oder gar Elektroantrieb ersetzt. Das droht den Touristen jetzt auch in London, wo Bürgermeister Boris Johnson ab 2018 Zero-Emission-Zonen für Taxen einrichten will und so dem legendären Black Cab das Leben schwer macht.

Neueste Technik, vertrauter Look

Doch keine Sorge. Wenn es nach Kamal Siddiqi geht, wird sich am Straßenbild zwischen Westminster Abbey und Tower Bridge nicht ganz so viel ändern. Denn der indisch-stämmige Unternehmer hat nicht nur die britischen Traditionsmarken Frazer-Nash, Bristol und eben Metrocab aufgekauft. Sondern vor allem hat er ein Taxi mit neuester Technik entwickelt, das trotzdem aussieht, als wäre es von gestern. "Wir wissen, dass unser Black Cab eine Ikone ist und gehen damit entsprechend sorgsam um," sagt sein Sohn und Marketing-Chef Sheban.

Das London Taxi rollt jetzt elektrisch

New Metrocab
Damit nicht unterwegs der Saft ausgeht, sorgt ein Range Extender für rund 500 Kilometer Reichweite. Er lädt aber nur die Batterien.
Herzstück des New Metrocab ist ein Elektroantrieb, an dem Siddiqis Firma seit über 20 Jahren brütet. Er nennt ihn "Digitales Differential", weil jedes Rad seinen eigenen Motor bekommt und eine Elektronik das Zusammenspiel regelt – wenn es sein muss, zum Beispiel bei einem Schnellzug, sogar von 270 E-Maschinen. Beim London Cab sind es allerdings nur zwei, die auf jeweils 68 PS und bis zu 1400 Nm kommen und auf die Hinterräder wirken. Dazu gibt es als Range-Extender vorn unter der kurzen Haube einen 1,0-Liter-Dreizylinder, der immer dann anspringt, wenn nach etwa 80 Kilometern der Lithium-Ionen-Akku im Wagenboden leer ist. Er hat zwar anders als im Opel Ampera oder im BMW i8 keine Verbindung zu den Rädern und treibt nur den Generator an. Aber dafür sei die Batterie auch nach acht bis zwölf Minuten wieder voll, verspricht Siddiqi. Wie jede E-Maschine packen auch die beiden Motoren im Metropack sofort zu: Das Taxi startet mit quietschenden Reifen. Das ist allerdings für lange Zeit erst einmal alles, was man zu hören bekommt. Denn nur ein fernes Surren zeugt von den Stromern, wenn der Wagen flott an Fahrt aufnimmt und auf leisen Sohlen durch die City schwimmt. Mit 1,8 Tonnen sogar leichter als die schwarzen Riesen mit normalem Antrieb, kommt man den konventionellen Cabs damit locker hinterher und selbst raus nach Heathrow oder Gatwick kann man sich mit dem neuen Metrocab trauen. Nicht nur wegen der Gesamtreichweite von über 500 Kilometern. Sondern auch wegen des Tempos: Wenn auf dem Motorway mal ausnahmsweise kein Stau ist, schaffen die E-Maschinen knapp 130 km/h – mehr ist für Taxen nicht erlaubt.

Winziger Wendekreis, streng nach Vorschrift

New Metrocab
Der Fahrgastraum ist hell, geräumig und schick anzusehen.
Auffällig am Taxi of Tomorrow ist außerdem der winzige Wendekreis: 7,62 Meter reichen dem Fünf-Meter-Trumm für eine komplette Kehre. Das ist Vorschrift in London und ist angeblich genau der Durchmesser des Kreisverkehrs vor dem legendären Ritz-Hotel – dem engsten Nadelöhr in der Stadt. Der Ledersitz hinter dem Lenker ist vor allem ein Arbeitsplatz und entsprechend schlicht gehalten. Viel mehr als ein digitales Cockpit, einen Touchscreen fürs Energiemanagement und wie bei Jaguar einen Drehschalter fürs Getriebe gibt es dort deshalb nicht. Doch die Passagiere sollen die Fahrt mehr genießen denn je. Dafür stehen nicht nur ein digitales Infotainment-System, das Siddiqi für die Serienproduktion in Aussicht stellt, das große Panoramadach für den freien Blick auf Big Ben, The Gurkin oder The Shard, die behindertengerechte Ausstattung mit Rampe und automatischer Absenkung sowie die üppigen Platzverhältnisse durch die kompakte Antriebstechnik. Auf der Dreierbank im Fond und den drei entgegen der Fahrtrichtung montierten Klappsesseln vor der Trennwand sitzt man auch deshalb besser, weil Frazer-Nash an der Hinterachse endlich eine Luftfederung montiert und man nicht mehr durch jedes Schlagloch poltert.

Das neue Taxi erntet Lob von oben

New Metrocab
Im Cockpit herrscht die Funktionalität: digitale Anzeigen, ein Touchscreen fürs Energiemanagement und wie bei Jaguar ein Drehschalter für die Gangwahl.
Zwar verspricht Siddiqi den Londoner Cabbies für den Umstieg ein grünes Gewissen. Doch als Unternehmer interessiert die Taxler nur das Geld. Deshalb soll das Metrocab, wenn im Frühjahr 2015 der Verkauf startet, nicht mehr als die konventionellen Taxen kosten und deshalb unter 50.000 Pfund bleiben. Und weil Strom nun mal billiger ist als Sprit, spart man an jedem Tag 30 bis 40 Pfund, rechnet der Marketing-Mann vor. Aufs Jahr hochgerechnet, macht das über 10.000 Pfund. Und da sind die 20.000 Freikilometer vom parallel mit dem Taxi entwickelten Solar-Carport noch gar nicht mitgerechnet. Zwar reitet Frazer-Nash nicht allein auf der Grünen Welle. Schließlich arbeiten seit der Ankündigung der Zero Emission Zones mehrere Hersteller mit Hochdruck an sauberen Cabs, darunter auch Nissan mit einem eigens fürs Königreich umgestalteten NV200.
New Metrocab
Auch Londons Bürgermeister Boris Johnson war vom neuen Taxi begeistert. Er lobte vor allem den Komfort.
Doch konnten sich die Briten schon einen prominenten Fürsprecher ins Boot oder besser ins Cab holen: Londons Bürgermeister Boris Johnson jedenfalls war von der Flüsterfahrt durch seine Stadt so begeistert, dass er das Metrocab prompt als "Rolls-Royce unter den Taxis" lobte und sich am vertrauten Design freute: Das London Cab sei eine Ikone, die man hegen und pflegen müsse, hat der Bürgermeister erkannt. Die Tower Bridge oder die Westminster Abbey darf man ja auch nicht einfach abreißen.