Eigentlich ist das Datsun Bluebird Coupé ein harmloser Geselle. In seiner Bauzeit von 1979 bis 1982 riss das kantige Coupé mit seinem 105-PS-Vierzylinder keine Bäume aus. Auch das Design war mit vielen rechten Winkeln eher medioker, eine Mischung aus Ford Taunus und W123 Coupé. Bis Nissans Motorsport-Ingenieure vollständig ausflippen durften – und den Bluebird zum Brutalo machten!

Fast nichts entspricht mehr der Serie

Erst bieder, dann Brutalo
Die Rückleuchten sind Serie – der Rest ist es nicht. Das Heck ist ausladend und streckt sich auf zwei Meter Breite.
Grund für die Verwandlung: Der Bluebird sollte als Gruppe-5-Bolide auf die Rennstrecke gehen. Das Reglement war sehr freizügig, im Falle des Bluebird bedeutet das: Bis aufs Greenhouse, die Türen und die Scheinwerfer ist praktisch nichts serienmäßig geblieben. Um die gigantischen Räder unterzubringen (vorne 290er Slicks auf 16-Zoll-Felgen, hinten 350er auf 19-Zöllern), musste die Karosserie verbreitert werden. Kastige Radhäuser vorne und hinten sowie extrem verbreiterte Schweller verfremden die ursprüngliche Coupé-Form nachhaltig.

Unter der Karosserie: ein Gitterrohrrahmen

Erst bieder, dann Brutalo
Martialisch: Im Sinne der Aerodynamik haben die Ingenieure dem Bluebird wilde Spoiler und Flaps verpasst.
Vorne gesellen sich ein keilförmiger Frontspoiler und charakteristische Luftleitbleche rechts und links der Motorhaube dazu. Das Heck des Bluebird mutiert zu einem riesigen Kasten, der im Prinzip nur eine leere Hülle ist und den Blick auf die Hinterachse freigibt. Unter der zwei Meter breiten Karosserie (rund 35 Zentimeter breiter als die Serie) steckt ein Gitterrohrrahmen. Mit der Karosse aus der Serie hat der nichts mehr zu tun, erklärt aber den Namenszusatz "Super Silhouette": Größtenteils ist die Karosserie auf den Rahmen aufgesteckt und sorgt nur für die entsprechende Silhouette.

Vierzylinder-Turbo mit 570 PS

Erst bieder, dann Brutalo
Das Interieur des Renn-Bluebirds erzählt Renngeschichte: Der Sitz ist abgewetzt, das Lenkrad abgegriffen.
Auch beim Motor ist nichts im Serienzustand geblieben – gutes Indiz dafür ist das seitlich ins Freie mündende Endrohr. Bei dessen Querschnitt denkt man unweigerlich an viel Hubraum, tatsächlich arbeitet unter der perforierten Haube aber ein 2,1-Liter-Vierzylinder. Okay, dank Turboaufladung drückt der LZ20B-Motor 570 PS und 539 Nm Drehmoment in ein handgeschaltetes "Doug Nash"-Fünfganggetriebe. Was uns zum Cockpit des Bluebird führt: Das ist spartanisch eingerichtet, blankes Blech und ein breiter Mitteltunnel nehmen nur ansatzweise Rücksicht auf das Wohlbefinden des Fahrers. Ein großer Drehzahlmesser und die dominante Ladedruckanzeige mit rotem Bereich ab 1,5 Bar zeigen, was im Bluebird entscheidend ist. Auf der blanken Innenseite der Tür dann überraschend noch zwei Serienteile: Fensterkurbel und Türöffner wurden nicht verändert!

Bluebird stand Pate für die Bosozoku

Erst bieder, dann Brutalo
Bosozoku-Style: Die japanischen Tuning-Outlaws übernahmen den brachialen Gruppe-5-Look – etwa die Luftleitbleche auf der Motorhaube.
Und all das gab es nur für die Rennstrecke? Grundsätzlich ja, aber der Bluebird und seine Silhouetten-Brüder Skyline DR30 und Silvia sorgten mit ihrem irren Look dafür, dass japanische Tuner begannen, ihre kastigen 70er- und 80er-Autos neu zu stylen – mit gigantischen Frontsplittern, Heckflügeln, Verbreiterungen und Luftleitblechen auf der Motorhaube. Frei nach der Devise: Hauptsache nicht unauffällig. Der entstandene Tuningtrend der Bosozoku im "Group5-Style" macht Japan bis heute unsicher oder schöner. Ohne die erfolgreichen und populären Gruppe-5-Renner von Nissan hätte es ihn womöglich gar nicht gegeben.