Die eierlegende Wollmilchsau?



Revolutionen im Motorenbau sind selten. Umwälzende Neuerungen wie die Benzineinspritzung oder Turboaufladung für Diesel liegen schon Jahrzehnte zurück. Doch jetzt ist es wieder soweit: Volkswagen verspricht, die "Quadratur des Kreises" (VW-Pressetext) entdeckt zu haben.

Der Golf GT vereint als erstes Serienauto der Welt eine Kombination aus FSI-Benzindirekteinspritzung, Kompressor und Turbolader unter der Motorhaube und will damit Technikgeschichte schreiben. Das "Twincharger" genannte Konzept soll durch verbesserten Wirkungsgrad, viele PS und hohes Drehmoment den Fahrspaß steigern und gleichzeitig den Verbrauch nachhaltig reduzieren.

Klingt wie die eierlegende Wollmilchsau. Zumindest der erste Fahreindruck überzeugte. Konkret verspricht VW, daß der "hocheffiziente Technologie-Cocktail die Vorteile eines Turbodiesels mit denen eines Benzinmotors vereint". Die können ja viel schreiben. Wir wollten es genau wissen und ließen den Golf GT (170 PS) gegen einen Opel Astra GTC 1.9 CDTI (150 PS) antreten. Warum gegen den Astra? Weil der Opel-Diesel einer der modernsten Vierzylinder-Selbstzünder ist und es keinen stärkeren in dieser Klasse gibt. Zudem glänzt er mit Fahrfreude und geizt vorbildlich.

Enorme Durchzugskraft beim GT

Der VW startet undramatisch, stürmt aber nach dem Einkuppeln mächtig vorwärts. Der erste Gedanke: Das soll ein 1400er sein? Seine Durchzugskraft ist enorm. Kein aktuelles 1,4-Liter-Modell spurtet schneller auf Tempo 100. VW hält also Wort. Drehmoment und Leistung liegen auf dem Niveau eines 2,3-Liter-Motors. Das gilt aber nur bis Tempo 180. Darüber bewegt sich die Tachonadel nur noch zäh. Egal ob fünfter oder sechster Gang, die Werksspitze von 220 km/h ist optimistisch, und der Golf GT erreicht sie fast nur in Autobahnsenken. Trotzdem: Das Fahrerlebnis begeistert.

Verantwortlich dafür ist das extrem breite Drehzahlband zwischen 1200 und 6000 Umdrehungen. Wer hier aufs Gas steigt, wird mächtig in den Sitz gedrückt. So kennen wir es sonst nur von den Dieseln. Der Golf bleibt dabei aber schön leise und fast frei von Vibrationen. Erst ab 4000 Touren dringt ein sportliches Turbopfeifen in den Innenraum.

Bei höheren Drehzahlen sorgt nur die kleine Abgasturbine für die Aufladung. Beim Anfahren sowie Gleiten im hohen Gang unterhalb von 2400/min ist das eins zu fünf übersetzte Rootsgebläse für die Zwangsbeatmung zuständig. Das in Reihe geschaltete Doppellader-System funktioniert wie zwei eingespielte Möbelpacker, die einen Keller ausräumen. Der eine – besonders kräftig – hebt die schweren Kisten vom Boden und übergibt sie dem athletischen Kollegen, der damit leise prustend die Treppen hochrennt. Das Teamwork ist so perfekt, daß im Fahrbetrieb von den Übergängen nichts zu spüren ist.

Kosten und Verbrauch

22.500 Euro kostet der dreitürige Golf GT – angesichts der guten Fahrleistungen ein fairer Preis. Doch kann er sein Versprechen "Maximale Kraft und minimaler Verbrauch" einlösen?

Nein. 7,8 Liter Super plus auf 100 Kilometer sind zwar ein sehr guter Wert für einen 170 PS starken Benziner (ein 160-PS-Honda Civic nimmt 1,5 Liter mehr), doch unseren Diesel schlägt er nicht. Der Astra GTC 1.9 CDTI ist mit 6,1 Litern viel sparsamer. Vor allem auf der Autobahn unter Vollast hat der Diesel klare Vorteile. Für die Strecke von Hamburg nach Frankfurt zahlt der Golf-Fahrer gut achtzehn Euro mehr als der Astra-Lenker.

Werksangaben und Testwerte

Fahrdynamisch (Beschleunigung und Elastizität) bleibt der Opel allerdings in allen Disziplinen hinter dem VW zurück. Selbst bei der Diesel-Domäne Elastizität kann er nicht mithalten. Beim Zwischenspurt von 80 auf 120 km/h im höchsten Gang liegt der Astra fast zwei Sekunden hinten.

Auch bei der Leistungsentfaltung unterscheidet er sich erheblich vom VW. Der Common-Rail-Motor ist schon im Stand akustisch präsent. Bei 2000 Umdrehungen wird er richtig munter, ist jedoch bei 4000/min schon wieder am Ende seiner Kräfte.

Die Motorenkonzepte

Das lustspendende Drehzahlfenster des Astra ist kleiner als das des Golf. Bei 180 km/h schnurrt der sehr straff gefederte GTC mit 3200/min dahin (Golf GT: 4600/min). Bei niedrigen Drehzahlen packt der Vierzylinder bullig zu. 320 Newtonmeter maximales Drehmoment erzeugen jede Menge Fahrspaß; mit der Sportlichkeit des Golf GT kann der Diesel-Astra indes nicht mithalten.

Golf gegen Astra – die Wertung

Abseits der Motorenfrage ist dieses Duell natürlich auch eine Neuauflage des ewigen Zweikampfs Golf gegen Astra. Der VW punktet mit harmonischem Fahrwerk, präziser Schaltung und gefühlvoller Lenkung. Der Opel kann mit modernem Design überzeugen. Mit kleiner Heckscheibe, schmalem Fensterband und scharfem Blick nach vorn ist er ein echtes Sportcoupé.

Der dreitürige Golf GT (auch als Fünftürer zu haben) wirkt im direkten Vergleich hochbeinig und ein wenig fade. Seine Qualitäten stecken unterm Blech. Und machen ihn zur echten Diesel-Alternative. Wenn Sparen auch Spaß machen soll.

Hier ist Ihre Meinung gefragt

Ob ein Auto letztlich ankommt, wissen nur die Verbraucher selbst – also Sie. Deshalb ist uns Ihre Meinung wichtig. Vergeben Sie eigene Noten für Opel Astra GTC 1.9 CDTI Edition und Golf 1.4 TSI GT. Den Zwischenstand sehen Sie nach Abgabe Ihrer Bewertung.