Technik und Qualität

Wo nicht viel dran ist, kann auch nicht viel kaputtgehen – exakt nach dieser Devise scheint der Renault Twingo konstruiert. Macht aber nichts. Denn seinen Erfolg verdankt der Charmeur in erster Linie seinem putzigen Aussehen. Der Twingo kommt an. Vor alllem bei Frauen. Technisch dagegen war der kleinste Renault zumindest bis 96 ein altes Eisen.

Sein 1,3-Liter-Stoßstangenmotor zog bereits 1972 den seligen R5 über die Straßen. Die lange Bauzeit bürgt jedoch keineswegs für Reife. So gelang es Renault in 21 Jahren bis zur Einführung des Twingo nicht, das Ding dicht zu bekommen: Ölverlust an den Wellendichtringen ist leider normal. Auch das Schaltgetriebe müßte eigentlich Windeln tragen: Es tropft entweder an den Antriebswellenflanschen oder am Eingang des Schaltgestänges. An alte Zeiten erinnert auch die Schaltung: Zwar arbeitet sie nicht mehr nach dem Krückstock-Prinzip wie damals im R4, doch mit ähnlich langen Wegen und nicht sehr präzise.

Trotzdem ist sie gegenüber der ebenfalls lieferbaren Dreigangvollautomatik (Twingo Matic) das geringere Übel. Denn die raubt dem vor Temperament nicht eben überschäumenden Vierzylinder die letzten Reserven. Ein gelungener Kompromiß ist die automatische Kupplung (Twingo Easy): Die Arbeit des linken Beines erledigt ein Servoapparat, nur die Gänge muß der Fahrer selber sortieren. Das scheint sogar dauerhaft zu funktionieren, zumindest sind uns darüber bisher keine Klagen zu Ohren gekommen.

Motor und Karosserie

Mehr Vergnügen als der etwas knurrige 1,3-Liter bereitet der ab Ende 96 angebotene 1,2-Liter - trotz anfänglich gleicher Leistung: Er reagiert williger aufs Gas und läuft endlich so sparsam, wie man es von einem Kleinwagen dieses Kalibers erwartet: Sechs bis sieben Liter reichen ihm für 100 Kilometer. Wobei der Twingo innere Größe zeigt: Die um 17 Zentimeter verschiebbare Sitzbank läßt die Wahl zwischen Knie- oder Kofferraum. An den hinteren Anschlag verbannt, wird der Twingo zum üppigen Viersitzer mit verblüffender Bewegungsfreiheit, in die Gegenrichtung manövriert, bietet der Gepäckraum Platz für Kleinspediteure.

Hätte der Zwergen-Renault nicht diese völlig unterdimensionierten Gartenstühle als Sitze, er könnte das Prädikat Reiselimousine tragen. Der Komfort zumindest spricht nicht dagegen, besonders die Federung besticht durch Schluckvermögen. Nach ein paar zehntausend Kilometern mischen sich allerdings Mißtöne in die Fahrgeräusche, dann sind die oberen Federlager an der Hinterachse hinüber und beginnen zu poltern.

Mancher hört das aber gar nicht erst, weil auch die Inneneinrichtung lautstark klappert. Besonders der unbesetzte Beifahrersitz produziert in seinen Verstelleinrichtungen mit der Zeit reichlich Störgeräusche. Das besagt jedoch gar nichts für die Zuverlässigkeit. Hier läßt auch der Twingo den bei Renault unbestrittenen Qualitätsfortschritt erkennen: Er bleibt so gut wie nie liegen. Es kann aber sein, daß er gar nicht erst losfährt - dann liegt das Problem in der Wegfahrsperre, die in seltenen Fällen versagt.

Mindestens genauso ärgerlich sind lockere Scheibenwischerarme. Der Twingo hat schließlich nur den einen, mit aufwendigem Parallelogramm-Gestänge. Der kann sich bei den ersten Baujahren vom Motor lösen und dann schlicht irgendwo auf der Scheibe stehenbleiben. Unterm Strich aber ist der Twingo, von kleinen Rappeleien abgesehen, so solide, wie es wohl niemand von diesem niedlichen Auto erwartet hätte – gelten doch Schönlinge meist als flatterhaft.

Historie, Schwächen, Kosten

Modellgeschichte 3/93 Einführung der neuen Modellreihe; nur ein Motor: 1,3 Liter, 54 PS 10/93 manuell betätigtes Faltschiebedach verfügbar 9/94 Fahrer-Airbag serienmäßig 10/94 Einführung Twingo Easy mit automatischer Kupplung 9/95 Beifahrer-Airbag serienmäßig, ABS gegen Aufpreis verfügbar 10/96 neuer 1,2-Liter gleicher Leistung ersetzt den 1,3-Liter 8/97 Motorleistung auf 59 PS angehoben 8/98 Modellüberarbeitung: verbesserte Struktur, Sidebags und Gurtkraftbegrenzer

Schwachstellen • Federlager der Hinterachse knarren, quietschen oder beginnen schon nach geringer Laufleistung zu poltern • Wasserverlust durch lockere Schlauchschellen oder undichte Kühler sorgte besonders bei den Baujahren 93 bis 95 für Motorschäden wegen Überhitzung • Auspuffanlage neigt zu Schwingungsbrüchen, außerdem ist der Endtopf speziell im Stadtverkehr naturgemäß schnell ein Opfer von Korrosion • Bremsscheiben und -beläge gehören nicht zur standfesten Sorte, werden bei der Hauptuntersuchung häufig beanstandet • Wischerarme können sich bis Bj. Ende 94 von ihrer Achse lösen, außerdem scheint der Motor des monströsen Einarmteils unterdimensioniert für die Größe – er brennt manchmal durch.

Reparaturkosten Preise inklusive Lohn und Mehrwertsteuer am Beispiel Renault Twingo 1.3, 40 kW/54 PS, Bj. 1995.Das Kostenniveau ist, gemessen an der Größe des Twingo, gerade noch angemessen, der Preis des Motors liegt allerdings über der Schmerzgrenze.

Fazit und Urteil

Fazit "Der Twingo gehört zu den ersten Modellen, die von den enormen Qualitätsfortschritten bei Renault profitierten. Rost beispielsweise, früher der ärgste Feind französischer Kleinwagen, tritt überhaupt nicht auf. Auch Undichtigkeiten an Motor und Getriebe haben heute Seltenheitswert. Was jedoch geblieben ist, sind kleine Macken in der Verarbeitung: Bei den ersten Baujahren kann sich schon mal der Scheibenwischer lösen, die Kupplungsbetätigung quietscht ab und zu, und im Armaturenbrett sind die Regler der Lüftung so lose eingesetzt, daß sie bei etwas ruppiger Behandlung einfach rausfallen. Keine absolute Perfektion also, aber dafür besitzt der Twingo zweifellos so etwas wie Charme." Bernd Sperling, Kfz-Meister, spez. Renault

AUTO BILD-Urteil: empfehlenswert