Die große, breite, bunte SUV-Welle bricht an einem Felsen der Autowelt: dem Golf. So rasch die Zulassungen der Hochsitze in die Höhe steigen, der Kompakte überragt sie alle. VW rechnet vor, dass weltweit alle 40 Sekunden ein Golf gekauft wird. Noch. Denn es sind gerade dessen Kunden, die hinüberlinsen zu den Hochsitzen und mit einem Aufstieg liebäugeln. Wie wär's, das nächste Auto ein SUV, wie beim Nachbarn oder dem Skatbruder? Zumal Seat die gleiche VW-Technik eine Etage höher anbietet und in seinem Ateca sehr ansehnlich verpackt.

Das Blechkleid das Spaniers ist gut gelungen

Seat Ateca
Kompakt, kantig und cool: Das Design des Seat Ateca besitzt das gewisse Extra.
Das kommt vom Konzernbaukasten. Und der macht's möglich, den frisch gelifteten Golf und den Seat mit identischem Antrieb zu vergleichen: dem 150 PS starken Diesel mit Handschaltung, der im Seat nur mit Allrad zu haben ist. Der Ateca will halt ein SUV sein, was er optisch erst mal eindrucksvoll klarstellt. Um satte 16 Zentimeter überragt er den Golf, ohne deshalb ins Wuchtige zu verfallen. Denn erstens ist er nur eine Handbreit länger als der Kompakte und bewahrt damit einparkfreundliches Format, zweitens setzt er modische Blechbügelfalten an den richtigen Stellen. Als Konkurrent von Tiguan, Qashqai und anderen besitzt der Ateca jedenfalls das gewisse Etwas – kompakt, kantig und cool. Vor allem aber bietet er, was SUV-Kunden so schätzen: das hohe Sitzen. Sie steigen elf Zentimeter höher ein, sehen nicht besser als im Golf, sitzen nur erhabener. Dass der Seat – wir haben nachgemessen – einen Hauch breiter und höher ausfällt, macht der schwarze Innenraum der Topversion Xcellence gefühlt wieder zunichte.
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Bei Sicherheit und Elektronik hat der Golf die Nase vorn

VW Golf
Neue Extras: Mit dem Facelift der siebten Generation kommt mehr Elektronik in den VW Golf.
Unbestritten schluckt der Laderaum des SUV (485–1579 Liter) einen Koffer mehr, bei umgeklappten Rücklehnen im Umzugsmodus sind es drei. Die Finger dürfen drinnen überall herumfühlen und prüfen – Materialien und Verarbeitung des Seat halten mit dem VW mit, der nur im Detail, bei Chromrahmen und Ausstattung, leicht die Nase vorn hat. Als Highline hat er nun auch LED-Scheinwerfer, dazu beheizte Sportsitze und Zwei- Zonen-Klimaautomatik. Die Parkpieper vorn wie hinten sind in einem übersichtlichen Kompakten eher Luxus, zeigen aber an, wo der Golf die Nase vorn hat: bei Elektronik, Sicherheit und schicken Extras. Etwa beim "Discover Pro", dem neuen Infotainment-Gerät (2385 Euro), das mit seiner glatten Oberfläche aussieht wie ein hochwertiges Tablet, oder dem Active Info Display (510 Euro extra). So heißt das bunte Anzeigenkino hinterm Lenkrad, das über kurz oder lang auch bei Seat einziehen wird.
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Mag das SUV zunächst gut aussehen, so zieht der Kompakte davon, sobald die Startknöpfe gedrückt werden. Der 2.0 TDI schüttelt sich nur anfangs hörbar dieselig, um dann in knorrigen Zorn zu fallen. 150 PS und vor allem 340 Nm Drehmoment, die selbst ausgewachsene Limousinen standesgemäß bewegen, stellen in der Kompaktklasse die Wucht einer Abrissbirne bereit. Die wirft den Golf in 8,6 Sekunden auf Tempo 100, und wer je mit 216 km/h Spitze Langstrecken angehen durfte, will nie wieder etwas anderes als Diesel. Hohes Tempo und große Reichweite, ein Traum.

Aufbau und Gewicht bremsen die Dynamik des SUVs

Seat Ateca
Wie ein Golf mit großem Rucksack: Auf Lenkbefehle reagiert der Ateca langsamer als der VW.
Im Seat fallen die Etappen etwas kürzer aus. Klar, der hohe Aufbau und 153 Kilo Mehrgewicht im Vergleich zum Golf kosten Sprit, so hat der Ateca im AUTO BILD-Test 5,7 Liter verbraucht (Golf: 5,0). Das macht bei den derzeitigen Spritpreisen und 15.000 Kilometern im Jahr rund 100 Euro mehr. Ein Argument, das SUV-Freunde ebenso wenig anficht wie das deutlich andere Fahrgefühl. Auf der Autobahn reist es sich hier wie da bequem und leise, doch sobald die Strecke kurviger wird, fährt sich das SUV wie ein Golf mit großem Rucksack. Der Spanier wirft sich schwerer in die Kurven, reagiert langsamer auf Lenkbefehle und entrückt seine Insassen einfach weiter weg vom Draußen. Letzteres mögen SUV-Jünger sogar. Den serienmäßigen Allradantrieb brauchen sie weniger für Offroad-Ausflüge als für bessere Traktion im Winter oder gelegentlich den Anhänger, der bis 2000 Kilo wiegen darf (Golf 1600 Kilo). Sicherer ist der Seat deshalb nicht, denn er bremst schlechter, und ihm fehlen die modernsten Fahrassistenten des Golf, dessen City-Stop auch schon Fußgänger erkennt.
Dem subjektiven Gefühl von Sicherheit sollen hier noch harte Zahlen folgen. In der Top-Ausstattung, so wie auf dem Foto oben, kostet der Seat 3155 Euro mehr als der Golf. Für gut zehn Prozent Aufpreis bekommt der Käufer serienmäßig größere 18-Zoll-Räder, silberne Dachreling und schlüssellosen Einstieg, während der Golf vor allem mit Neuheiten aus dem Facelift dagegenhält: Gestensteuerung, Stauassistent oder bald der neue 1,5-Liter-Benziner mit 150 PS sind im Ateca noch nicht zu haben. Nur: Gegen den Trend zum SUV helfen dem Golf weder Fakten noch Elektronik.

Fazit

von

Joachim Staat
Der Ateca ist derzeit das SUV aus dem VW-Konzern, das dem Golf am nächsten kommt: ein agiler, wendiger Springinsfeld, ausgewogen beim Fahren und modern ausgestattet. Dass er schwerer, durstiger und teurer ist, gehört zu den SUV-Erbsünden. Deshalb wird ein Kompakter ihn unterm Strich schlagen, beim Golf kommt nun das Facelift hinzu: Der Klassenbeste hat gerade nochmals nachgelegt, ein Auto für alle. Der Seat steht noch nicht an jeder Ecke – was ihn attraktiv macht.

Von

Joachim Staat