Ach Mensch, Seat! Wer hatte denn die verwegene Idee, uns zum ersten Test ausgerechnet einen 2.0-TSI-Benziner mit 190 PS in die Tiefgarage zu stellen? Und wer hat dann noch bestimmt, dass da 20-Zoll-Räder rauf- und eine dritte Sitzreihe reinmüssen? Ach Mensch, Seat! Ihr wisst doch genau, dass wir zu unserer Teststrecke 70 Kilometer fahren und davon 62 Kilometer Autobahn, – und dass wir, wo wir dürfen, auch mal auf die Tube drücken.

Für ein so großes SUV ist der Benziner nicht wirklich erste Wahl

Seat Tarraco
Vorsicht beim Gasgeben: Wer den Zweiliter-TSI richtig fordert, verbrennt übermäßig viel Sprit.
Und so haben wir, um den neuen Seat Tarraco richtig einordnen zu können, den 25 cm kürzeren VW Tiguan 2.0 TSI aus dem Dauertest mitgenommen. Ergebnis auf dem Bordcomputer: 10,5 Liter Super beim Tiguan, 11,2 beim Tarraco. Dabei war teilweise Tempolimit! Jeder, der einen Taschenrechner bedienen kann, wäre an dieser Stelle raus. Schade, man hätte ein wirklich gutes Auto verpasst. Das kann ja nichts dafür, dass jemand den falschen Motor eingebaut hat. Schauen wir uns den Spanier erst mal an. Pah, Spanier! Von wegen! Dieser Seat wird in Wolfsburg zusammengeschraubt, sein Bruder VW Tiguan Allspace in Mexiko, der Skoda Kodiaq, also der Dritte im Bunde der XL-SUV mit VW-Technik, in Tschechien. Der 4,74 Meter lange Tarraco ist vier Zentimeter länger als seine Brüder und auf den ersten Blick als Seat zu erkennen. Vor allem von hinten macht der Typ an, dank LED-Technik flitzt der Blinker so dynamisch nach außen, wie wir das sonst von Audi kennen.

An der Kasse langt Seat ganz ordentlich zu

Seat Tarraco
Billig ist anders: Im vollen Testwagen-Ornat geht der Tarraco stramm auf die 50.000-Euro-Grenze zu.
Überhaupt: Wirkt kein bisschen klobig, dieses Seat-SUV. Scharfe Leuchten, großer Grill in Waben-Optik, dazu serienmäßig 19-Zoll-Aluräder in der Xcellence-Ausstattung – exzellent! Müssen wir auch beim Interieur konstatieren. Gucken wir doch mal aufs Cockpit! Bei den Brüdern von VW und Skoda liegt der Navi-Bildschirm eine Etage zu tief, bei Seat klatschen wir Beifall: Das Pad sitzt quasi auf dem Armaturenträger, hat Knöpfe für laut und leise und eine verständliche Menüführung. Sie ahnen es schon: Unser Testwagen hat das Susi-Sorglos-Paket. Als Xcellence kostet der 190-PS-Benziner mit 7-Gang-DSG und Allrad 40 380 Euro. Inklusive sind Klimaautomatik, elektrische Heckklappe, Parkpiepser vorn und hinten mit Parklenk-Assi, Sport-Komfortsitze. Voll-LED-Scheinwerfer und -Rückleuchten, digitale Instrumente und Spurhalte-Assi hat er sowieso. Trotzdem erreichen wir mit unserem Testwagen fast die 50.000-Euro-Marke.
Liegt am Metallic-Lack (620 Euro), der Lederausstattung (1500 Euro), dem Business-Infotain-Paket mit Beats-Soundsystem und Navi (1390 Euro, leider nur mit TMC), den 20-Zöllern (980 Euro, leider auch verantwortlich für poltriges Abrollen), am Adaptiv-Fahrwerk DCC (940 Euro), der 360-Grad-Kamera (575 Euro), dem Glasdach (1145 Euro) und diversen Assistenten. Und an der dritten Sitzreihe für 800 Euro, die aber nur eine Notlösung für die Kurzstrecke ist und den Kofferraum kleiner macht.

Sportlichkeit ist nicht die Sache des Tarraco

Seat Tarraco
Gelassener Gleiter: Das Tarraco-Fahrwerk und die Lenkung sind auf gemütliche Fahrweise ausgelegt.
Wir lernen: Preislich ist der Seat gleichauf mit dem Skoda Kodiaq in Sportline-Ausstattung und nur 1500 Euro günstiger als ein XL-Tiguan im noblen Highline-Dress. Und fahrerisch? Sagen wir so: Auch mit dem Zweiliter-Motor aus dem GTI ist dem Tarraco Sportlichkeit weitgehend fremd. Liegt an seinem hohen Gewicht von über 1,8 Tonnen, der Motor ist damit doch arg beschäftigt, wirkt vor allem dann angestrengt, wenn er beim Zwischenspurt mal eine Schippe drauflegen muss. Dann säuft er zweistellig! Dafür entschädigt das DSG. Die 7-Gang-Schaltbox sortiert exakt und präzise die Gänge und beherrscht sogar das ruckfreie Anfahren. Klasse! So hat der Tarraco das Zeug zum unaufgeregten Gleiter, zumal sein Fahrverhalten narrensicher ist, das ESP beim kleinsten Versuch des sportlichen Kurvenschneidens die Fuhre einbremst. Motto für Tarraco-Fahrer: Probier's mal mit Gemütlichkeit! Denn auch die leichtgängige Lenkung legt keinen Wert auf ambitionierte Fahrweise, dafür bietet sie zu wenig Rückmeldung.
Ach ja: Wir wollen noch eine Frage klären. Müssen wir uns diesen Namen merken? Klares Ja. Aber auch Folgendes sollten wir uns hinter die Ohren schreiben: Bitte nur mit Diesel ordern. Passt besser zum XL-Seat-SUV.
Andreas May

Fazit

Ein gutes Auto mit falschem Motor. Der 190-PS-Benziner passt nicht zum Tarraco – zu angestrengt, zu durstig. Dabei ist das Seat-SUV ein top Auto. Gut ausgestattet, fein verarbeitet, viel Platz. Und made in Germany!
AUTO BILD-Testnote: 2

Von

Berend Sanders