Werd' bloß nicht frech! Schimpfte mein Vater immer, wenn ich meine Füße nicht mehr unter den Tisch steckte, sondern darauf lang machte. Ganz ähnlich dürfte die Stimmung bei Familie Volkswagen sein. Vor allem die lieben Ost-Verwandten aus Mladá Boleslav zeigen Mutter VW immer wieder, dass sie längst aus der klassischen Kinderrolle herausgewachsen sind und sich lang hinlümmeln. Etwa mit dem XL-SUV Kodiaq. Der überragt den Tiguan um satte 21 Zentimeter. Seit einem Jahr sorgt der große Tscheche für Aufregung in der SUV-Szene. Leider auch, weil die Kunden mitunter genauso lange auf ihn warten müssen.

In der Käufergunst liegt der Tiguan sehr deutlich vorn

VW Tiguan Allspace
Sieger im Autohaus: Der Tiguan verkauft sich rund fünf mal so oft wie sein Technikbruder Kodiaq.
Platzhirsch im VW-Konzern wie auch in Deutschland bleibt zwar der Tiguan, von dem rund fünfmal so viele verkauft werden wie vom Kodiaq. Dennoch sehen sich die Erziehungsberechtigten aus Niedersachsen genötigt, ihren Musterschüler in die Verlängerung zu schicken. Das Ergebnis trägt den Zweitnamen Allspace und macht sich – welch Wunder – wie Bruder Kodiaq 4,70 Meter lang. Damit wäre an dieser Stelle also für Ausgleich gesorgt. Wo die Unterschiede liegen, klären wir in unserem Vergleichstest. Skoda Kodiaq gegen VW Tiguan Allspace. Beide als Zweiliter-TDI mit 150 PS, Doppelkupplungsgetriebe und Allradantrieb. Klingt schwer nach brüderlicher Eintracht, bringt am Ende aber doch überraschende Unterschiede ans Licht. Über die gleiche technische Basis stülpen die jeweiligen Design-Departements leicht unterschiedliche Hüllen. Typisches Familiengesicht mit kreisrunden Radhäusern beim VW gegenüber geradlinigen beim Skoda. Minimal angeschärftes Profil beim Allspace – die Optik bleibt Geschmackssache.
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Der Skoda verpackt eine Reisetasche mehr

Skoda Kodiaq
Leichter Vorteil: Ins Gepäckabteil der Kodiaq passen 650 bis 2065 Liter – der Tiguan verpackt weniger.
Unterm Blech wird es komplizierter. Bei der Bedienbarkeit müssen sich beide nichts vorwerfen lassen, beim Qualitätseindruck liegt der Kodiaq überraschend leicht hinten. Wird bei VW im mexikanischen Puebla etwa genauer hingeschaut als im tschechischen Kvasiny? Möglich. Auf jeden Fall wissen die Wolfsburger ganz genau, welche Ausstattung in so einem Familien-SUV wichtig ist – und welche nicht. Skoda hat ins Testauto sehr gute, aber teure Sportsitze einbaut. Der Tiguan Allspace kommt mit Standardsitzen. Diese stützen nicht ganz so gut, dafür bleibt innen wegen der dünneren Polster minimal mehr Platz, lässt sich die Beifahrerlehne umlegen und muss nicht automatisch Leder bestellt werden. Die Tschechen verzichten zudem auf den doppelten Ladeboden. So verschwindet im Kodiaq-Kofferraum zwar eine Reisetasche mehr, es bleiben aber störende Stufen. Nachteil Skoda auch bei den Assistenzsystemen. Die beiden Brüder beobachten vorn, hinten und seitlich den Verkehr und versuchen, uns vor unangenehmen Begegnungen mit anderen Verkehrsteilnehmern zu bewahren – zwei Extras bleiben allerdings VW vorbehalten.
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Zum einen das Head-up-Display, das die Infos für 565 Euro aber nur auf eine kleine Scheibe vor dem Fahrer und nicht weit vor das Auto projiziert. Zum anderen der adaptive Fernlichtassistent, der die Scheinwerfer intelligent steuert und zum Beispiel um vorausfahrende Autos herumleuchtet. Skoda kann beim Fernlicht nur an oder aus. Bevor der Eindruck entsteht, VW sei das neue Schnäppchen im Konzern: Bei der Komfortausstattung liegt der Kodiaq klar vorn, bietet schon ab der Ausstattung "Style" Keyless Go, Sitzheizung und mehr ohne Aufpreis.

Beim Fahren zeigen sich Unterschiede in der Abstimmung

Skoda Kodiaq VW Tiguan Allspace
Erstaunlich: Trotz gleicher technischer Basis fahren sich Tiguan und Kodiaq doch unterschiedlich.
Kodiaq fahren, umsteigen, Allspace rannehmen – und sich fragen, ob das jetzt wirklich zwei verschiedene Autos sind. Ja, sind sie. Da Motor, Doppelkupplung und Fahrwerk aber aus dem gleichen Baukasten kommen, liegen zwischen Kodiaq und langem Tiguan nur Nuancen. Der Skoda federt weicher, schwingt länger nach und wirkt auch wegen der kraftloseren Lenkung nicht ganz so agil wie der VW. Dem zaubern die Ingenieure einen richtig tollen Mix aus verbindlich straff und alltagstauglich kommod ins Fahrwerk. Ein totes Rennen schließlich beim Antrieb – beide gehen gut, verbrauchen wenig und stolpern beim Anfahren immer wieder mal über Start-Stopp. In der Basis noch minimal günstiger, kostet der Kodiaq im Test-Trimm tatsächlich mehr als der Allspace. Und die Versicherer langen beim Tschechen deutlich kräftiger hin. Was wir nun irgendwie frech finden.

Fazit

Die Kaufentscheidung zwischen den beiden großen SUVs aus dem Hause Volkswagen dürfte meist anhand des Designs oder persönlicher Vorlieben fallen. Bei uns siegt der Allspace knapp wegen seiner klugen Testwagen-Konfiguration.